Eröffnung des Evangelischen Kirchentags 2015

Wir wollen "eine richtig gute Zeit haben"

Teilnehmer des Eröffnungsgottesdienstes sitzen oder stehen am 03.06.2015 in Stuttgart (Baden-Württemberg) bei der Eröffnung des Evangelischen Kirchentags auf dem überfüllten Schlossplatz.
Ob sitzend oder stehend: Jeder war froh, der einen Platz auf dem überfüllten Schlossplatz in Stuttgart beim Eröffnungsgottesdienst ergattert hatte. © picture alliance / dpa / Bernd Weißbrod
Von Philipp Gessler · 03.06.2015
Bei sommerlichen Temperaturen stimmten sich Hunderttausende auf dem Eröffnungsgottesdienst in Stuttgart auf die kommenden Tage ein. Die Flüchtlingspolitik und die Homo-Ehe dürften sich als Hauptthemen des Kirchentags etablieren.
Wenn Posaunenchöre erklingen, kann man sicher sein: Es ist wieder Kirchentag! Der 35. Deutsche Evangelische Kirchentag hat seine Pforten geöffnet – dieses Mal in Stuttgart. Bis Sonntag werden über 100.000 Teilnehmer erwartet. Mehr als 2500 Veranstaltungen werden angeboten: von der täglichen Bibelarbeit von Prominenten über Dutzende Gottesdienste bis zu Podiumsdiskussionen, Kabarett und Kunstaktionen.
Die anreisenden Christen freuten sich auf ganz Unterschiedliches – wie etwa der kleine Simon, seine Schwester Melissa und ihre Mutter:
"Dass es uns wieder Spaß macht ... Ich freue mich auf Bibelarbeiten, vor allem auf viel, viel Musik. Einfach, dass wir alle miteinander eine richtig gute Zeit haben."
Bundespräsident Joachim Gauck (r) begrüßt am 03.06.2015 in Stuttgart (Baden-Württemberg) bei der Eröffnung des Evangelischen Kirchentags auf dem Karlsplatz Kirchentagsbesucher.
Ganz in seinem Element: Bundespräsident Joachim Gauck begrüßt auf dem Karlsplatz Kirchentagsbesucher.© picture alliance / dpa / Bernd Weißbrod
Das große Treffen der evangelischen Christen ist alle zwei Jahre immer auch ein dankbares Podium für viele wichtige Politikerinnen und Politiker und ihre Anliegen. Bundespräsident Joachim Gauck etwa sprach auf dem Schlossplatz in Stuttgart zur Eröffnung des Kirchentags einige Worte der Begrüßung und Mahnung:
"Staat und Gesellschaft haben etwas davon, dass Menschen sich inspirieren und aktivieren lassen, dass Menschen Werte leben und bewahren, dass sie unter Umständen dafür sogar kämpfen und leiden können."

Programmtipps für Donnerstag, 4.6.:
13:12 Uhr Gauck auf dem Kirchentag "Gutes Leben - kluges Leben" (Studio 9)
14:41 Uhr Deutschland sucht den christlichen Superstar - Pop auf dem Kirchentag (Kompressor)
17:43 Uhr Klug handeln mit dem Mammon: Schäuble legt die Bibel aus (Studio 9)
22:45 Uhr Kailash Satyarthi, Friedensnobelpreisträger 2014, auf dem Kirchentag: Wie ethisch ist die Textilindustire? (Studio 9)
(Änderungen vorbehalten)

"Die Welt ist aus den Fugen geraten"
" ... damit wir klug werden" – ein Vers aus dem 90. Psalm ist das Motto des diesjährigen Kirchentags in der baden-württembergischen Landeshauptstadt. Da ist viel hineinzupacken, dennoch sind in der Masse der Veranstaltungen auf dem großen Christentreffen ein paar Hauptthemen erkennbar: Es geht viel um Flüchtlinge in der Welt, wie Kirchentagspräsident Andreas Barner vor der Eröffnung der Pressekonferenz betonte:
"Denn es ist nicht übertrieben zu sagen: Die Welt ist aus den Fugen geraten. Die Verwüstung von Teilen der Ukraine, die unermessliche terroristische Gewalt in Syrien, in Paris, in Kopenhagen oder in Tunesien oder im Irak. Die täglichen Meldungen von ertrinkenden Menschen im Mittelmeer. Das Geschehen dieser Tage fordert auf besondere Weise dazu heraus, in christlicher Verantwortung Position zu beziehen."
Viel Raum nimmt auf dem Kirchentag auch die gesellschaftliche und innerkirchliche Diskussion um Genderfragen und die Rechte von Homosexuellen ein. Und schon vor der eigentlichen Eröffnung des Kirchentags gab es unter dem Motto "Ausgegrenzt und totgeschwiegen" auf dem Karlsplatz mitten in Stuttgart eine Gedenkveranstaltung zur Verfolgung und Diskriminierung von "gleichgeschlechtlich Liebenden", so der offizielle Begriff – in der NS-Zeit, und darüber hinaus.
"Damit wir klug werden und bleiben, ist es wichtig zu wissen, warum Lesben und Schwule verfolgt wurden, was ihnen vorgeworfen wurde und was mit ihnen geschah. Wir geben den Verfolgten und Verfemten ihre Geschichte zurück, nennen ihren Namen und stellen ein Stück ihrer Würde wieder her."
Die politische und gesellschaftliche Diskussion über die Homo-Ehe dürfte sich als eine der Hauptthemen des Kirchentags etablieren – vielleicht gerade weil auch innerkirchlich Segnungen von homosexuellen Paaren in Gottesdiensten in manchen Landeskirchen umstritten sind. Bis unmittelbar vor dem Kirchentag gab es Protestschreiben vor allem aus pietistischen Kreisen gegen alles, was den Trauungen von Mann und Frau in der Kirche auch nur nahekommt. Aber die Frage ist schon: Kann denn Liebe Sünde sein?
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