"Erniedrigte und Beleidigte" am Staatsschauspiel Dresden

Ambitionierter Entwurf eines Theaters der Installation

"Erniedrigte und Beleidigte" am Staatsschauspiel Dresden, inszeniert von inszeniert Sebastian Hartmann.
"Erniedrigte und Beleidigte" am Staatsschauspiel Dresden, inszeniert von inszeniert Sebastian Hartmann. © Sebastian Hoppe
Von Bernhard Doppler · 29.03.2018
Mit theatralischem Zugriff und überraschend neu inszeniert Sebastian Hartmann Dostojewskis "Erniedrigte und Beleidigte" am Staatsschauspiel Dresden. Und steht dabei doch auch in der Tradition von Dostojewski-Theaterpapst Frank Castorf.
Mit den Theater-Adaptionen seiner Romane scheint sich Fjodor M. Dostojewski in den letzten Spielzeiten zu einem der meistgespielten Bühnenautoren zu entwickeln, bisweilen sogar Ibsen und Tschechow überfliegend. Aber der theatralische Zugriff von Sebastian Hartmann auf ihn scheint überraschend neu – im diametralen Gegensatz etwa zu seinem Namensvetter Matthias Hartmann, der vor zwei Jahren in Dresden am gleichen Haus Dostojewskis "Idiot" inszenierte und dabei vor allem die Romanhandlung launig nacherzählen und konventionell ausspielen ließ.
Um Handlung und die Handlung bebildernden Realismus geht es Sebastian Hartmann nicht, auch nicht um die Zeitfolge des Romans, vielmehr um "Tollhausgeschwätz" und "Aufregungssound", den er aus dem Roman destilliert. "Das ist kein Dostojewski mehr!", gibt Schauspieler Viktor Tremmel plötzlich im Finale zum Besten und hält dann im breitesten österreichischen Dialekt einen längeren Vortrag über Surrealismus und Dadaismus. Und dennoch kommt die Aufführung Dostojewski sehr nahe.

Mit bewundernswertem schauspielerischen Einsatz

"Erniedrigte und Beleidigte" sind ja - so der Untertitel - "Aufzeichnungen eines gescheiterten Literaten". Und als Traum aus Nebelgewaber tauchen zunächst als Schemen die Figuren auf einer schwarz-weiß gehaltenen Bühne auf, die der Regisseur selbst entworfen hat. Im Zentrum drei Leitern und eine Leinwand, die schwarz von den Spielern bemalt wird. Später wird ein bewegtes Bild einer wimpernschlagenden Frau darauf projiziert, Malerei und Projektion verbinden sich dann.
Polyfon, choreografisch, oft in sich wiederholenden Textschleifen, doch vor allem mit geradezu selbstverleugnendem, bewundernswertem schauspielerischen Einsatz, oft dabei sehr komödiantisch: die Schauspieler, etwa Torsten Ranft als Fürst Valkovskij oder Nadja Stübiger als Mutter. Eindrucksvoll auch, wie aufgeregt tänzerisch Yassin Trabelsi über Realismus (nach Wolfram Lotz) zu dozieren weiß.

Castorf und der Bananenslapstick

Egoismus als eigentlicher Altruismus, verdrängte und dadurch offenkundige Todesängste, Egoismus des Leidens, Zynismus als Humanismus: Dostojewskis Paradoxa entfalten so theatralische Kraft: als epileptische Anfälle, Hysterien, bisweilen als polyphones Konzert. Besonders unter die Haut dabei Nellys Schilderung ihres sexuellen Missbrauchs (Luise Aschenbrenner).
Ganz frei von Tradition ist Sebastian Hartmanns Dostojewskis Annäherung freilich nicht. Er zitiert den Dostojewski-Theaterpapst Frank Castorf nicht nur mit einem Bananenslapstick, sondern beschwört ihn auch direkt wörtlich, doch gleichzeitig verbindet er diese Tradition mit einem ambitionierten Entwurf eines Theaters der Installation. Das Dresdner Premieren-Publikum folgte ihm dabei freilich nur zum Teil.
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