"Erinnern - aber wie?"

Moderation: Gisela Steinhauer · 09.11.2013
Das Jahr 2013 ist ein Jahr der Gedenktage: Am 30. Januar jährte sich die Machtübertragung an die Nationalsozialisten zum 80. Mal, am 9. November wird in vielen Veranstaltungen des Novemberpogroms von 1938 gedacht. Die große Frage ist, wie Erinnerung vermittelt werden soll.
Berlin erinnert mit dem Themenjahr "Zerstörte Vielfalt" an die Ereignisse - mit mehr als 500 Aktionen, darunter Ausstellungen, Zeitzeugen-Gespräche, Stadtspaziergänge und Diskussionen.

• Brauchen wir noch diese Rituale und Monumente des Erinnerns?
• Wie vermitteln wir die Vergangenheit an die Enkel- und Urenkelgeneration?
• Viele kritisieren das "institutionalisierte Erinnern" und "Betroffenheits-Pathos" - tun wir zu viel?

"Als stetige Mahnung muss diese Vergangenheit in unserem Bewusstsein präsent und in unserer Verantwortung verankert bleiben, um der Opfer zu gedenken und Lernen aus der Geschichte für die Gegenwart zu ermöglichen", "

sagt der Politologe Harald Schmid von der "Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten". Die große Frage sei aber, wie die Erinnerung in Zukunft vermittelt werden solle.

""Wie kann man der Routinisierung des Gedenkens entgehen, wie kann Vergangenheit immer wieder für die Gegenwart zum `Sprechen´ gebracht werden? Bei den Jugendlichen haben wir ein total verändertes Bildungs- und Medienverhalten. Die klassische nüchterne und zurückhaltende Darstellung, damit können Jugendliche wenig anfangen."

Die Zukunft gehöre Generationen, für die der Krieg und die Nazizeit Geschichte seien, zumal immer weniger Zeitzeugen noch in den Familien lebten. Dies bedeute auch eine Chance: Unbelastet von der familiären Verstrickung und Verdrängung zu diskutieren. Für ihn stellt sich daher auch die Frage:

"Wie kann man die Jüngeren für die Geschichte interessieren, wo es keinen biographischen Zugang mehr gibt, die Geschichte aber dennoch zentral präsent ist?"

"Geschichte ist in Bewegung", sagt Jan Krebs vom Verein "Gesicht Zeigen!". Der Historiker leitet das Ausstellungsprojekt "7 x jung. Dein Trainingsplatz für Zusammenhalt und Respekt", das Jugendlichen die Geschehnisse der NS-Zeit vermitteln will - in sieben Themenräumen, hautnah und angedockt an ihre eigenen heutigen Erfahrungen.

"Wir erzählen nicht graue Theorie, sondern wir haben einen Ort geschaffen, der bunt und farbig ist."

Es sei eben etwas anderes, wenn man die Ausgrenzung der Juden im Sportunterricht oder das Verbot der Lieblingsmusik aus der heutigen Erlebniswelt diskutiere, als durch eine nüchterne Führung in einer Gedenkstätte oder einen Text in einem Schulbuch.

Der ehemalige Leiter des Anne Frank Hauses in Berlin kennt viele Gedenkstätten und Erinnerungsrituale, auch aus seiner Arbeit für die "Aktion Sühnezeichen in der KZ-Gedenkstätte in Auschwitz. Erinnerung lebt für ihn aus beidem, aus dem Gedenken an den authentischen Orten, aber eben auch aus eher unbefangenen und offenen Konzepten wie bei "7xjung".

Zumal immer mehr Jugendliche aus Zuwanderfamilien stammen und einen ganz anderen Zugang zum Thema haben, zum Beispiel, weil sie selbst ausgegrenzt werden. So könne ein Bogen gespannt werden von der Vergangenheit zur Gegenwart: "Wir leben heute in einer ganz anderen Gesellschaft, wir haben eine ziemlich stabile Demokratie, aber nur, wenn sich alle beteiligen. Und das ist die Quintessenz von ´Gesicht Zeigen!`."

"Erinnern - aber wie?"
Darüber diskutiert Gisela Steinhauer heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr mit Harald Schmid und Jan Krebs. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.

Informationen im Internet:
Über Harald Schmid
Über das Projekt 7xjung
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