Erhöhte Thrombosegefahr durch Antibabypille

Von Anna Florenske · 09.05.2010
Neuere Antibabypillen stehen im Verdacht, ein erhöhtes Risiko auf Blutgerinnsel mit sich zu bringen. Blutgerinnsel - auch genannt Thrombosen - sind relativ seltene, aber die gefährlichsten Nebenwirkungen von Antibabypillen.
Sie können Gefäße verschließen und zum Beispiel lebensbedrohliche Herzinfarkte oder Lungenembolien verursachen. (Eine junge Schweizerin starb daran.) Frauen, die wie sie mit einer Antibabypille verhüten, haben grundsätzlich ein höheres Risiko, solch ein Blutgerinnsel oder einen Gefäßverschluss zu bekommen, erklärt Gerd Glaeske, Pharmakologe an der Uni in Bremen.

"Viermal so häufig treten diese Gefäßverschlüsse auf bei Frauen, die die Pille nehmen. Insofern haben die Pillen immer auch ein gewisses Risiko."

Soweit ist die Sache bekannt. Umstritten war allerdings bisher, ob alle Verhütungspillen das gleiche Risiko für Blutgerinnsel mit sich bringen. Jetzt hat die schweizerische Arzneimittelbehörde sich der Sache angenommen. Die Schweizerin hatte beispielsweise eine Antibabypille mit einem relativ neuen künstlichen Hormon namens Drospirenon eingenommen, weiß Joachim Groß, der Sprecher der Behörde.

"Wir vermuten als Ursache eben diese Antibaby-Pille. Und wir haben neueste Studien untersucht."

Die Ergebnisse der Untersuchung bringen Klarheit: Die Gefährlichkeit einer Pille hängt davon ab, welche Wirkstoffe sie enthält. Es gibt also Pillen mit einem höheren und solche mit einem niedrigeren Blutgerinnsel-Risiko. Und: gerade neuere Wirkstoffe wie das Drosperinon schneiden nicht gut ab.

"Das Risiko von Drospirenon-haltigen Antibaby-Pillen ist höher, als wir bisher angenommen haben. Das Risiko ist relativ hoch."

Das war allerdings kein Anlass für die Arzneimittelbehörde, alle Präparate mit Drospirenon vom Markt zu nehmen. Als Konsequenz wurden nur die Fachinformationen für Ärzte geändert. Der Grund: Auch wenn die Gefahr dieses Wirkstoffs im Vergleich zu anderen relativ hoch ist, kommt es insgesamt doch selten zu solch gefährlichen Nebenwirkungen durch die Antibabypille. Die Behörden halten dies als zumutbar – ganz nach dem Motto: Keine Wirkung ohne Nebenwirkung.

Trotzdem ist die Gefahr neuerer Wirkstoffe ernst zu nehmen, meint Jörg Schaaber von der unabhängigen Pharma-Zeitschrift "Gute Pillen, schlechte Pillen":

"Man kann das Risiko schon quantifizieren. Pro eine Millionen Frauen, die ein Jahr die Pille einnehmen, sind durch diese Pillen mit vier Todesfällen durch Thrombosen zusätzlich zu rechnen. Und da diese Todesfälle vermeidbar sind, wenn man auf eine andere Pille umstellt, sehe ich keinen Grund, sich diesem Risiko auszusetzen. Auch, wenn es natürlich letztlich ziemlich klein ist."

Gleicher Meinung ist auch der Pharmakologe Gerd Glaeske.

"Eine gesunde Frau möchte zuverlässig ein Verhütungsmittel einnehmen können. Warum sollte ich da nur das geringste Risiko eingehen?"

Denn - auch wenn die Werbung das den Frauen ganz anders vorgaukelt: Die neuen Pillen verhüten "nicht besser" als die älteren Produkte –– sie bringen den Anwenderinnen keine erwiesenen Vorteile – sondern nur mehr Risiken, betont Gerd Glaeske. Für die Stiftung Warentest hat er alle Wirkstoffe von den Verhütungspillen untersucht. Seine Empfehlung: Die meisten Präparate enthalten zwei hormonelle Wirkstoffe – nämlich ein Östrogen und ein Gestagen. Um das Risiko für Blutgerinnsel zu senken, ist bei den Östrogenen die Menge entscheidend.
"Das Östrogen soll möglichst gering dosiert sein. Wir sagen heute 20 bis 30 Mikrogramm reicht völlig aus."

Bei den Gestagenen kommt es dagegen nicht auf die Dosierung an, sondern darauf, welches Gestagen enthalten ist, warnt Professor Glaeske.

"Wir haben ältere Gestagene, die eigentlich sehr gut erprobt sind. Und wir haben immer wieder neue Gestagene, die dann weniger gut erprobt sind, bei denen aber die Sorge berechtigt ist, dass die Gefäßverschlüsse ansteigen. Das heißt das Risiko einen Gefäßverschluss zu erleiden ist doppelt so hoch!"

Fazit: Pillen mit älteren, gut erforschten Gestagenen bergen ein geringeres Blutgerinnsel-Risiko als neuere Präparate mit ihren neuen Wirkstoffen. Aber keine Sorge: Von den über 200 Antibabypillen auf dem deutschen Markt gibt es ausreichend viele mit unproblematischen Wirkstoffen, zum Beispiel Levonorgestrel. Gefährlicher sind zum Beispiel Gestoden, Dienogest und Drosperinon, die in neueren Pillen vorkommen. Welche Wirkstoffe eine Antibabypille enthält, lässt sich im Beipackzettel nachlesen.

Was den Wissenschaftler aber am meisten stört ist, dass viele Ärzte und Ärztinnen in Deutschland neuere Antibabypillen verordnen, die mit den höheren Risiken.

"Ich halte das für nicht akzeptabel. Ich denke auch, man muss den Ärztinnen und Ärzten deutlich machen, dass diese neuen Pillen eigentlich risikoreicher sind und, dass es keinen wirklichen Grund gibt, diese neuen Pillen zu verordnen!"

Die Pharmaunternehmen haben allerdings gute Gründe, immer wieder neue Antibabypillen auf den Markt zu bringen und bei Frauen und Ärzten anzupreisen: Denn die neue Produkte sind durch Patente geschützt und können besonders teuer verkauft werden.