"Er hat keinen einzigen Fehler benannt"

Von Jürgen König · 01.03.2011
Immer noch groß ist die Empörung bei Wissenschaftlern über den Ex-Doktor der Jurisprudenz. Sein Rücktritt wird als folgerichtig, wenn auch "viel zu spät" gewertet. Wohlmeinende bescheinigen Guttenberg, er respektiere jetzt die Regeln wissenschaftlicher Praxis.
Nur sehr wenig Bedauern wurde geäußert, allenthalben wurde der Schritt Guttenbergs in Bildung und Wissenschaft für richtig gehalten. Mehrere Wissenschaftsminister der Länder äußerten sich so. Für Ulrich Thöne von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft war der Rücktritt des Verteidigungsministers ein "längst überfälliger Schritt". Auch die Bundeskanzlerin sei zu kritisieren, "schweres wissenschaftliches Fehlverhalten zu Guttenbergs" habe sie bagatellisiert und damit zum von ihr sonst beklagten Werteverfall beigetragen.

Mathias Kreck, der Leiter des Bonner Hausdorff-Forschungsinstituts für Mathematik, der letzte Woche eine "Erklärung von Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern zu den Standards akademischer Prüfungen" sowie eine Unterschriftenaktion initiiert hatte – auch für ihn war der Rücktritt Guttenbergs keine Überraschung, sondern - auch - eine Folge der Proteste aus der Wissenschaft:

"Einen solchen starken Druck aus dem Bereich der Wissenschaften hat es nach meinen Erinnerungen überhaupt nie gegeben. Es hat Äußerungen gegeben von den führenden Wissenschaftsorganisationen, Hochschulverband, DFG, es hat den Rundbrief der jungen Wissenschaftler, Doktoranden mit glaube ich jetzt inzwischen 30.000 Unterschriften, und eben seit letzten Samstag – äußerst ungewöhnlich – die Erklärung der Professoren, wo die Kollegen wirklich am Stück unterschreiben, Kollegen, die sonst in ihrer Forschung sich um Politik nicht kümmern, an dieser Stelle sagen: das geht überhaupt nicht."

An der Haltung Guttenbergs in den letzten Tagen wie auch in der heutigen Rede, kritisierte Matthias Kreck, dass er bisher mit keinem einzigen Wort auf seine Fehler eingegangen sei:

"Die Aussage: ich habe Fehler gemacht – er hat keinen einzigen Fehler benannt. Er hat nur gesagt, global: ich habe Fehler gemacht. Das können ein paar Rechtschreibfehler sein, dann hätte er auch Fehler gemacht. Er hat zwar gesagt: ich habe schwerwiegende Fehler gemacht, und ich bedaure das, aber wenn, dann muss der Fehler benannt werden und es ist eben kein Fehler: Es ist Betrug."

Warum Karl-Theodor zu Guttenberg bis zuletzt – jenseits eingestandener "Fehler" – keinerlei Unrechtsbewusstsein zeigte, erklärt sich der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann, so:

"Das scheint mir auch mehr ein psychologisches Problem zu sein, weil eigentlich liegen die Informationen wirklich auf der Hand. Man hätte damit auch, glaube ich, offener umgehen können, aber wenn man noch nicht einmal für sich selbst akzeptiert, dass man etwas Illegales getan hat, sondern wenn man sich wirklich dauerhaft verfolgt fühlt, und das schien ja so zu sein, dass er sich quasi unschuldig verfolgt fühlt, zumindest was die Dramatik dieses Vorwurfes angeht, dann ist es irgendwann schwierig, noch ganz rationale Entscheidungen zutreffen, und deswegen ist diese Entscheidung natürlich letztendlich für ihn als Politiker viel zu spät gekommen."

Margret Wintermantel, die Präsidenten der Deutschen Hochschulrektorenkonferenz, hatte nicht mit Guttenbergs Rücktritt gerechnet:

"Es ist eine persönliche Entscheidung. Offensichtlich ist der Druck doch für ihn so groß geworden, dass er sich entschieden hat, zurückzutreten, und ich würde das deuten, dass er letztlich auch die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis ernst nimmt und respektiert."

Dass das deutsche Wissenschaftssystem, wie zuletzt oft behauptet, Schaden genommen hätte, sieht Margret Wintermantel nicht.

"Das deutsche Wissenschaftssystem ist in wirklich guter Verfassung. Und das sieht man nicht zuletzt daran, dass hier doch nun so klar und deutlich die Stimme auch erhoben wird. Die Stimme von verschiedenen Gruppen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind empört darüber, wenn wissenschaftliches Fehlverhalten einfach möglich ist. Sie fühlen sich auch in ihrer Arbeit nicht wirklich hinreichend gewürdigt."

Die Universität Bayreuth zeigte Respekt für den Rücktritt Guttenbergs. Den Täuschungsvorwürfen gegen ihn werde man auch weiterhin nachgehen, man erwarte Guttenbergs angekündigte Mitarbeit. Und weiter hieß es, die Wissenschaft in Deutschland habe in den vergangenen Tagen eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass sie ihre eigenen Qualitätsansprüche nicht verleugne. Die Internetplattform "GuttenPlag Wiki" erklärte lediglich, der Rücktritt des Verteidigungsministers sei nicht Ziel des Projekts gewesen, Ziel sei die detaillierte Aufklärung der Umstände, unter denen die Dissertation entstanden ist. Man werde also auch weiterhin an der Analyse und Dokumentation der Promotionsschrift arbeiten.

Bundesbildungsministerin Schavan, die in einem Interview jüngst gesagt hatte, sie schäme sich nicht nur heimlich – sie mochte den Rücktritt heute gar nicht kommentieren.
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