Energiesicherheit

Sorgen um die Gasversorgung

Elektro-Techniker inmitten mehrerer Gasbohrungen vom Erdgasspeicher in Rehden
Elektro-Techniker inmitten mehrerer Gasbohrungen vom Erdgasspeicher in Rehden © dpa / picture alliance / Friso Gentsch
Von Axel Schröder · 22.09.2014
Ein Drittel des deutschen Gasverbrauchs decken russische Quellen. Viel davon kommt zu uns über ukrainische Pipelines. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Russland-Konflikts steigt die Sorge um mögliche Engpässe. Umfangreiche Reserven könnten helfen.
Die 70 unterirdischen Gasspeicher in Deutschland sind gut gefüllt. So gut, dass ein dreimonatiger russischer Lieferstopp problemlos überbrückt werden könnte, so eine Studie des Energiewirtschaftlichen Instituts in Köln. Anders als bei der Nationalen Erdölreserve hat die Bundesregierung im Krisenfall allerdings keinen direkten Zugriff auf die Gasspeicher in Deutschland, erklärt Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung:
"Die Gasspeicher werden privatwirtschaftlich betrieben. Und im Ernstfall kann das eben bedeuten, dass die Gasspeicher leer sind. Das haben wir in einigen Fällen schon erlebt. Und da muss man sich natürlich schon fragen, ob man das in der Zukunft noch so will."
Claudia Kemfert hält deshalb analog zu den Ölvorräten die Schaffung einer Nationalen Gasreserve für dringend geboten. Das hatte zuletzt auch die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner gefordert. Die Bundesregierung lässt diese Idee zurzeit prüfen. Nötig wäre dazu eine ausreichend große Zahl an zusätzlichen Speichern und es wären Investitionen nötig, um die Infrastruktur dafür aufzubauen, erklärt Christian Growitsch, der Leiter des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts:
"Wenn man die Gaskapazitäten in Deutschland auf ein halbes Jahr verdoppeln will, ist das ökonomisch machbar. Ich denke, dass das nicht wesentlich mehr als ein bis zwei Milliarden Euro pro Jahr kosten würde, um so etwas aufzubauen. Das wären die Kapitalkosten: der Speicher und eben der Marktpreis der gespeicherten Menge."
Russische Gasfirmen sind immer stärker auf dem deutschen Markt
Dringend nötig sei eine Nationale Gasreserve vor allem deshalb, weil sich russische Gasfirmen, allen voran Gazprom, immer stärker auf dem deutschen Markt engagieren, so Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner. Gazprom wird den größten Gasspeicher Europas im niedersächsischen Rehden übernehmen - die Verträge sollen in den kommenden Wochen unterschrieben werden. Und Ende August gab die Bundesregierung Grünes Licht für den Verkauf der Gassparte von RWE an eineInvestorengruppe um den russischen Oligarchen Michail Fridman.
Der Großteil der deutschen Gasspeicher befindet sich allerdings nicht im Besitz russischer Firmen. Und die Befürchtung, dass Gazprom den riesigen Rehdener Speicher als Reaktion auf Europas Wirtschaftssanktionen nicht mehr füllen würde, ist – zumindest bislang – unbegründet. Aktuell ist der Speicher zu 93 Prozent gefüllt. Die Warnungen vor einem Lieferstopp für russisches Gas sind in den Augen von Christian Growitsch vor allem politisch motiviert. Der russische Konzern, so Growitsch, wird seine Beteiligung am deutschen Gasnetz kaum als politisches Druckmittel einsetzen:
"Ich würde das verstehen als Commitment, dass man Deutschland zukünftig auch als Zielmarkt für seinen Erdgasexport sieht. Ansonsten würde man dieses Geld ja zum Fenster rausgeschmissen haben. Wenn man eine klassisch ökonomische Perspektive hier einnehmen würde, würde man sagen: hier gibt es ein Exportland, das gegenüber einem Importland finanzielle Verpflichtungen in Form von langfristigen Investitionen eingeht und damit belegt, dass es langfristig an einer Geschäftsbeziehung interessiert ist."
Keine Garantie für dauerhaft gute Geschäfte
Ein Stopp der Gaslieferungen nach Deutschland würde für Gazprom monatliche Umsatzeinbußen von rund vier Milliarden Euro bedeuten, so Growitsch. Daran hat der Konzern, dessen Umsätze durch die Ukraine-Krise bereits kräftig gesunken sind, kein Interesse. – Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung kennt diese Argumente. Aber, so Kemfert, die bisherigen guten Erfahrungen mit russischen Energiekonzernen, seien kein Garant für dauerhaft gute Geschäftsbeziehungen:
"Man muss sich immer drauf vorbereiten, auf mögliche Krisenszenarien, die heute wahrscheinlicher geworden sind, als sie es in der Vergangenheit waren. Und da sehe ich die Bundesregierung in der Pflicht."
Am Ende, so Kemfert, kann eine Nationale Gasreserve nicht nur helfen, mit einem möglichen Gasembargo besser zurecht zu kommen. Wie die Ölreserven könnte sie bei zukünftigen Gas-Einkäufen auch die Verhandlungsposition der deutschen Gasimporteure stärken und für niedrigere Einkaufspreise sorgen.
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