#EndSARS-Proteste in Nigeria 

Kritische Berichterstattung ist möglich, aber schwer

15:30 Minuten
Proteste junger Menschen gegen das Special Anti-Robbery Squad (SARS) in Lagos, Nigeria.
Demonstration gegen die Polizeieinheit SARS (Special Anti-Robbery Squad), die nigerianische Spezialeinheit gegen Raubüberfälle. © Getty Images / NurPhoto / Adekunle Ajayi
Fanny Facsar im Gespräch mit Katja Bigalke und Martin Böttcher · 31.10.2020
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Die Proteste in Nigeria haben es in den vergangenen Wochen auch in die europäischen Medien geschafft. Doch im Land selbst wird unabhängige Berichterstattung unterdrückt. Hoffnung gibt es trotzdem.
Die #EndSARS genannten Proteste gegen Polizeigewalt in Nigeria dauern an und haben nun auch in europäischen Zeitungen für Schlagzeilen gesorgt. Die Lage für Journalistinnen und Journalisten im Land ist allerdings nicht einfach: Die NGO Reporter ohne Grenzen listet Nigerias Pressefreiheit auf Platz 115 von 180 Ländern. Viele Medien stehen unter staatlicher Kontrolle und werden zensiert.
Fanny Facsar berichtet für die Deutsche Welle aus dem afrikanischen Staat. Sie war auch dabei, als am Grenzkontrollpunkt Lekki in Lagos mindestens zwölf Demonstrierende erschossen wurden – vermutlich vom nigerianischen Militär.
Facsar sagt, dass die Verfassung zwar Presse- und Meinungsfreiheit vorsieht, es in der Praxis allerdings anders aussieht. Nach der Schießerei am Grenzstützpunkt Lekki konnte Facsar gut beobachten, wie unterschiedlich staatliche und nichtstaatliche Medien über die Proteste berichtet haben:
"Die Reporterin, die die staatlichen Medien repräsentierte und bei diesen gewaltsamen Protesten in Lekki vor Ort war, berichtete darüber, warum die Menschen eigentlich noch protestieren, obwohl eine Ausgangssperre verhängt wurde. Der Journalist von den privaten Rundfunkanstalten berichtete darüber, warum auf friedvolle Demonstranten geschossen wird. Das heißt, es gibt ganz unterschiedliche Leitlinien oder Herangehensweisen und Fragestellungen im jeweiligen Medium."

Unabhängige Berichterstattung birgt hohes Risiko

Trotzdem ist laut Facsar eine kritische Berichterstattung in Nigeria immer noch möglich – aber nur, wenn die Journalistinnen und Journalisten bereit seien, das Risiko einer Verhaftung einzugehen. Das führe dann dazu, dass unabhängiger Journalismus immer weniger stattfinde.
Für Vertreterinnen und Vertreter der internationalen Presse sei die Lage jedoch besser, so Facsar. "Wir werden mehr oder weniger in Ruhe gelassen. Das kann damit zu tun haben, dass die internationale Presse am Ende dann doch nicht so wichtig ist. Wichtig ist tatsächlich das, was die Menschen in Nigeria aus der nigerianischen Presse erfahren."

Regierung bezeichnet Social Media als Fake News

Neben klassischen Medien – wie Fernsehen, Radio und Zeitungen – würde die sehr junge nigerianische Bevölkerung – zwei Drittel der Einwohnerinnen und Einwohner sind unter 35 – auch sehr stark auf Twitter und WhatsApp setzen, um sich zu informieren.
"Bei diesen Demonstrationen gegen die Polizeibrutalität waren die sozialen Netzwerke sehr entscheidend. Wahrscheinlich nicht ohne Grund sagt jetzt plötzlich die Medienbehörde NBC, die dem Informationsministerium untersteht, dass man jetzt irgendwie mal eine Regulierung finden müsste gegen die sozialen Medien. Sie sagen: Das, was da läuft, ist Fake News."

Hoffnung auf einen politischen Wandel

Auch wenn man außerhalb Nigerias momentan nicht viel von den Protesten mitbekommt, laufen sie dennoch weiter, so Facsar. Sie spüre, dass es in dem Land immer noch die Hoffnung gibt, etwas verändern zu können.
"Dieses Gefühl bleibt nach wie vor übrig. Die Frage ist, wie die jungen Menschen das in eine nächste Ebene verlagern wollen. Das kann sowohl auf der Straße stattfinden oder – wie einige schon sagen – in der Gründung einer Partei. Und 2023, wenn die Präsidentschaftswahl wieder stattfindet, können sie eine Stimme haben in Form einer Partei und antreten."
(hte)
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