Ende der Prügelschützen

Von Oliver Tolmein · 30.01.2010
Ende der 1970er-Jahre entwickelte sich Ausländerfeindlichkeit zu einem zentralen gesellschaftlichen Problem. Es traten auch immer mehr gewalttätige rechtsextreme Gruppen in Erscheinung. Eine davon war die Wehrsportgruppe Hoffmann, die am 30. Januar 1980 von Innenminister Gerhard Baum verboten wurde.
Fünf Hundertschaften der Polizei waren am Morgen des 30. Januars 1980 unterwegs. In 23 bayerischen Orten durchkämmten sie im Zuge einer groß angelegten Razzia Wohnungen, Scheunen, Kellerräume und ganze Häuser. Die Ausbeute dieses Schlages gegen die neonazistische Wehrsportgruppe Hoffmann fiel beachtlich aus: Karabiner, Handgranaten, Hitler-Büsten, aber auch ein - wenngleich defekter - Schützenpanzer und eine funktionstüchtige Zwei-Zentimeter-Flak konnten beschlagnahmt werden. Der Verein wurde noch am selben Tag durch Bundesinnenminister Gerhard Baum (FDP) verboten.

"Verbotsverfügung: 1. Die Wehrsportgruppe Hoffmann richtet sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung. 2. Die Wehrsportgruppe Hoffmann ist verboten. Sie wird aufgelöst. 3. Das Vermögen der Wehrsportgruppe Hoffmann wird beschlagnahmt und eingezogen."

Gegründet worden war die rechtsextreme Organisation 1973 von dem Nürnberger Schildermaler Karl-Heinz Hoffmann. Seine Truppe übernahm den Saalschutz für Veranstaltungen rechtsextremer Parteien wie NPD und DVU. Sie führte Aktionen mit der neonazistischen "Wiking Jugend" durch und prügelte zusammen mit dem ebenfalls rechtsextremen "Hochschulring Tübinger Studenten" auf antifaschistische Demonstranten ein. Außerdem diente sie als Vorbild für den Aufbau weiterer Wehrsportgruppen in der Bundesrepublik. Medien, die zeigen wollten, wie in Deutschland Rechtsextremisten wieder erstarken, boten Karl-Heinz Hoffmann immer wieder Gelegenheit, sich in Interviews zu präsentieren:

"Hier wird ein militärischer Dienst gemacht. Hier wird ein militärisches Training absolviert, unterscheidet sich praktisch vom Dienst und von der Ausbildung einer regulären Truppe nur dadurch, dass nicht mit scharfen Waffen hantiert wird."

Der "Spiegel" charakterisierte den martialisch auftretenden Wehrsportgruppen-Chef damals so:

"Er schmückt sich mit Nietzsche-Bart, hält sich ein dreisprachiges Verbandsorgan. Von seinen Anhängern als Führer vorgemerkt, veröffentlichte er beizeiten Konfus-Noten, so ein '1. Manifest der Bewegung zur Verwirklichung der rational-pragmatischen Sozialhierarchie'. Unter den Wehrhaftigkeitssymbolen, die Polizisten bei Hoffmann abschleppten, war auch ein fauchender Puma. Ein Neonazi wie gemalt."

Dem damals amtierenden bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß schienen die Aktivitäten des Wehrsportgruppen-Führers dagegen eher pittoresk zu sein. Gegenüber französischen Journalisten äußerte er 1980:

"Mein Gott, wenn ein Mann sich vergnügen will, indem er am Sonntag auf dem Land mit einem Rucksack und mit einem mit Koppel geschlossenen Battle-Dress spazieren geht, dann soll man ihn in Ruhe lassen."

Eine Auffassung, die der Bundesinnenminister angesichts des Ende der 1970er-Jahre erstarkenden Rechtsextremismus nicht teilen mochte. Nach langem Zögern fasste Gerhard Baum den Entschluss, das Verbot nach dem Vereinsgesetz zu wagen. In einem Interview kurz nach Bekanntgabe der Verbotsverfügung erläuterte Baum das Vorgehen seines Ministeriums gegen die Wehrsportgruppe:

"Wir haben ausführlich im letzten Verfassungsschutzbericht über ihre Aktivitäten und ihre Ziele berichtet. Ihre Aktivitäten haben in den letzten Jahren und in den letzten Monaten zugenommen, so dass sich Bund und Länder entschlossen haben jetzt das Verbot auszusprechen, weil es sich hier um eine sehr straff organisierte Gruppe mit relativ vielen Mitgliedern, nämlich etwa 400 Mitgliedern handelt, die auch eine sehr starke negative Öffentlichkeitswirkung im Ausland und im Inland verursacht hat."

Am 2. Dezember 1980 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit der Entscheidung. Trotz des Verbots war die militante rechtsextreme Gruppe kurz zuvor erneut ins Blickfeld der Öffentlichkeit geraten: Der beim Anschlag auf das Münchener Oktoberfest am 26. September 1980 getötete Attentäter Gundolf Köhler war zeitweilig in der Wehrsportgruppe aktiv gewesen. Deren Chef Hoffmann hatte schon 1979, vor Bekanntgabe des Verbots, seine prognostischen Fähigkeiten unter Beweis gestellt.

"Keiner geht gern ins Gefängnis, ich auch nicht, aber wir wissen eines: früher oder später müssen wir auch hier die bundesdeutschen Gefängnisse durchlaufen."

1981 wurde er aus dem Ausland kommend am Flughafen Frankfurt/Main verhaftet und drei Jahre später, unter anderem wegen Verstößen gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz und gefährlicher Körperverletzung, zu einer neunjährigen Haftstrafe verurteilt. 1989 wurde er wegen guter Führung vorzeitig entlassen.