Emotionen bei Hunden

Beziehung mit Missverständnissen

Ein Hund steht an einem Arbeitsplatz im Büro.
Der beste Freund des Menschen: Hunde sollte nicht zu sehr vermenschlicht werden, warnen Wissenschaftler. © imago / Westend61
Von Dörte Fiedler · 02.02.2017
Hundebesitzer sind überzeugt: Ihr Haustier hat Emotionen und kann Wut, Trauer und Angst empfinden. Doch Studien zeigen: Oftmals werden sie damit zu sehr vermenschlicht.
"Der Hund. Ein edles Tier? Ein treuer Freund. Vor allem ein williger Freund. Ein Partner. Mein Partner."
Diese Geräusche macht Luigi. Wenn man ihn nicht sieht, könnte man als hundeunerfahrene Person seine Knurrlaute auch als leicht bedrohlich empfinden....
"Stolz schreitet er. Oder tollpatschig. Elegant gestrafft mit treuen sehnsuchtsvoll schmachtenden Augen. Meine Aufmerksamkeit suchend. Unterworfen um sie heischend?"
Eigentlich ist es ein wohliges Knurren. Luigi wälzt sich erwartungsvoll, freudig und genüsslich auf dem Sisalteppich im Treppenhaus quasi als Vorspiel zum anschließenden Spaziergang. Und, ja das ist eine ziemlich menschliche Zuschreibung, denn was Luigi tatsächlich fühlt und erlebt, welche Emotionen ihn dazu bringen schwanzwedelnd und tänzelnd im Treppenhaus hin und her zu wirbeln kann ich nur vermuten und interpretieren.
Cornelia Fittschen: "Also, ich denke schon das Hunde auch Emotionen haben, ich glaub den meisten Menschen ist gar nicht klar wie nah wir eigentlich verwandt sind. Und das die Dinge die bei uns ablaufen im Körper, die laufen beim Hund auch ab."
Das ist Cornelia Fittschen, sie ist Veterinärmedizinerin mit Zusatzausbildung zur Tierverhaltenstherapeutin und praktiziert seit vielen Jahren mit eigener Praxis in Berlin. Ihre Einschätzung zum Gefühlsleben von Hunden spricht wohl vielen Hundebesitzern aus der Seele:
"Jeder, der mit Hunden zusammenlebt, der weiß, dass die natürlich traurig sein können, die können wütend werden – also diese einfachen Emotionen, sagen wir mal die einfacheren Emotionen wie Wut, Trauer, Angst und auch Freude, die empfinden Hunde sicherlich. Ganz sicher."

Das Verhalten der Tiere richtig zu lesen ist die große Schwierigkeit

"Wie er sich windet unter meinem strengen Blick. Er weiß wo sein Platz ist. Weiß er das?"
Dass wir Tieren Gefühle und Stimmungen zugestehen, ist keine Neuigkeit mehr und auch viele Wissenschaftler stellen das Vorhandensein eines Gefühlslebens nicht mehr grundsätzlich in Frage. Zumindest nicht, wenn man Gefühle als einen grundlegenden Bestandteil eines biologischen Systems definiert, mit dem Verhalten geregelt wird. Dieses Verhalten "richtig" zu lesen und entsprechend artgerecht auf den Hund zu reagieren, scheint jedoch schwierig, was man am stetig wachsenden Markt von Hundeflüsterern, Hundepsychologen und Hundetrainern ablesen kann. Die Interpretation hundlichen Gefühlslebens verleitet schnell zum vermenschlichen.
"Beleidigt zieht er sich zurück und er trauert meinem erneuten Weggehen entgegen."
Eine britische Studie, die von Psychologen 2008 an der Universität Portsmouth durchgeführt wurde, untersuchte Zuschreibungen von Hundebesitzern: "Secondary emotions in non-primate species? Behavioural reports and subjective claims by animal owners" hieß die, zu deutsch: "Sekundäre Emotionen bei Nicht-Primatenarten? Verhaltensberichte und subjektive Ansprüche von Tierbesitzern".
Die Probanden sollten ihren Vierbeinern Emotionen zuordnen, zu denen sie sie für fähig halten: Wut, Freude, Angst, Überraschung, Ekel, Traurigkeit, Scham, Eifersucht, Enttäuschung, Mitgefühl oder Verlegenheit.
Es stellte sich heraus, dass die Hundebesitzer ihren Tieren all diese komplexen Emotionen zutrauen und meinen sie auch zu erkennen. Mit einer Ausnahme: Verlegenheit.
Sprecherin: "Alles an ihm spricht von Traurigkeit. Eingerollt abgewendet legt er sich um mir seinen Groll zu zeigen. Will er mich strafen?"
Im Zusammenleben kreieren solche Zuschreibungen allerdings eher Missverständnisse. Daraus resultieren dann falsche Handlungsweisen und zuweilen eben Verhaltensstörungen.
"Also, früher hat der Hund auf nem Bauernhof gelebt und hatte nicht all zu viel zu lachen, aber es gab klare Regeln wie der Hund zu halten ist, der Hund stand mit Sicherheit nicht im Mittelpunkt. Der lief so mit. Heute sind Hunde heute eben sehr häufig Kinderersatz, die müssen in sehr komplexen Umgebung leben in ner Großstadt, ne. Dafür ist ein Hund nicht gemacht, der Hund ist flexibel, der kann das, aber dann muss man ihn entsprechend drauf vorbereiten und das klappt eben häufig nicht."
"Braver Hund! Er weiß genau, dass er das nicht darf! – Schau mir in die Augen! Dieser Blick! Er ist sich seines Vergehens bewusst!"

Der Hund spiegelt die Emotionen seines Besitzers

Ein Beispiel dafür ist der häufig zugeschriebene sogenannten "guilty look", der schuldbewusste Blick. Die amerikanische Verhaltensforscherin Alexandra Horowitz von der Columbia University 2009 hat ihn sich genauer angeschaut und gründlich entmythisiert.
"Disambiguating the 'guilty look': Salient prompts to a familiar dog behaviour" hieß die Studie. Sie machte einen simplen Test. Der Hund im Raum bekommt den Befehl etwas Leckeres vor seiner Nase nicht zu fressen. Dann verlässt der Hundehalter den Raum. Manchmal frisst der Hund das Leckerli, manchmal nimmt der Studienleiter das Leckerli weg. Der Hundebesitzer kommt rein und sieht: das Leckerli ist weg, Befehl nicht ausgeführt, Hund der Schuld überführt. In jedem Fall reagiert der Hund mit dem "guilty look", denn er spiegelt die enttäuschte, erboste oder unzufriedene Reaktion des Besitzers. Vollkommen unabhängig, ob er das Leckerli tatsächlich gemampft hatte oder es ihm vorher weggenommen wurde. Die Mimik des Vierbeiners ist also kein Beweis für sein Schuldbewusstsein. Punkt.
"Leere Augen, schwerer Gang. Vollkommene Apathie, kein Spiel lockt ihn mehr. Verzweifelt schaut er mich an. Sein Lächeln verschwunden."
Aber die vermenschlichenden Zuschreibungen gehen noch weiter, Signale des Hundes werden als Symptome komplexer Krankheiten wie beispielsweise die einer Depression gelesen. Cornelia Fittschen sieht solche Diagnosen kritisch:
"Wie wollen sie das verifizieren? Das Tier kann ja nicht sagen, ich bin so todtraurig. Beim Hund oder auch bei der Katze können sie ja nur Verhalten beobachten. Sie können einfach nur sagen der Hund bewegt sich weniger, wirkt lethargisch, schläft mehr als normal und das gibt es sicherlich, aber ich würde nicht sagen dass das Depressionen sind, sondern das ist einfach ne Folge ungünstiger Haltungsbedingungen."
Und da liegt wohl des Pudels berühmter Kern: Wie wir mit dem Hund umgehen, was wir ihm zumuten und zuschreiben und welche Blüten dieses Verhalten getrieben hat, sagt letztlich mehr über den Mensch als über den Hund. Über seinen Pflegetrieb, seine Vereinsamung, sein Bedürfnis sich gebraucht zu fühlen, sein Hang zu symbolischen Accessoires, sein "inneres Herrentum" seine Neigung sich Überlegenheitsgefühle zu erschleichen und sein Verlangen nach bedingunsloser Liebe.
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