Emmanuel Macron erhält den Karlspreis

"Wir dürfen keine Angst haben, wir müssen etwas wagen"

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), und der französische Staatspräsident Emmanuel Macron stehen nach der Verleihung des Karlspreises auf einer Tribüne.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), und der französische Staatspräsident Emmanuel Macron nach der Verleihung des Karlspreises © dpa-Bildfunk / Ina Fassbender
Von Lena Sterz · 10.05.2018
Für seine "kraftvolle Vision von einem neuen Europa" und seinen Kampf gegen Nationalismus und Isolationismus hat der französische Präsident Macron den Karlspreis erhalten. Bei der Verleihung forderte Macron mutige Reformen.
"Lieber Macron, stoppe Tihange" – mit einem gesungenen Appell, darauf hinzuwirken, dass das Kernkraftwerk im belgischen Tihange nahe Aachen abgeschaltet wird, begrüßte ein Aachener Chor hinter Absperrbändern am Aachener Rathaus den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron. Drinnen, im Krönungssaal des Rathauses, sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel Macron beim Vornamen an:
"Lieber Emmanuel. Ich gratuliere dir von Herzen. Deine Begeisterung, dein Einsatz, deine Begeisterung, reißt andere mit. Du sprühst vor Ideen und hast die europapolitische Debatte mit Vorschlägen neu belebt. Die heutige Auszeichnung soll dir nicht nur Bestätigung sein, sondern auch Bestärkung und Ansporn, diesen Weg zuversichtlich weiterzugehen. Ich freue mich, auf diesem Weg gemeinsam mit dir arbeiten zu können. Herzlichen Dank und herzlichen Glückwunsch."

Merkel sagt Macron, dass politische Unterschiede nicht trennen

Bundeskanzlerin Angela Merkel war diejenige, die die Laudatio auf den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron bei der Verleihung des Karlspreises hielt. Ausgerechnet Merkel, hatte so mancher politischer Beobachter vorher geunkt. Ausgerechnet die Frau, der der 23-Jahre jüngere Macron gerade die europapolitische Führung streitig macht. Aber es wurde eine persönliche, anerkennende Rede. Das Aachener Rathaus war voller prominenter Gäste aus Politik und Gesellschaft, ein Orchester spielte. Dass die beiden sich nicht in allen Fragen der europäischen Innen- und Außenpolitik einig sind, kam in Merkels Rede auch vor.
"Unterschiede trennen uns nicht, sondern führen uns immer wieder zusammen. In der Neugier auf den anderen, im Bemühen zu verstehen. Und gerade Deutsche und Franzosen wissen das: Wir haben unterschiedliche politische Kulturen. Wir nähern uns den Themen Europas oft aus unterschiedlichen Richtungen. Wir sprechen, wir hören einander zu und wir finden schließlich auch gemeinsame Wege."

Macron will mutige Entscheidungen

Preisträger Emmanuel Macron wischte sich einmal über die Augen, bevor er selbst ans Mikrofon trat. Der 40-jährige, der in Frankreich erst vor einem Jahr zum Staatspräsidenten gewählt worden war, machte in einer leidenschaftlichen Rede klar, dass er von mutigen Entscheidungen für eine Reform Europas träumt:
"Die Wahl zugunsten Europas ist nicht immer die Entscheidung für den kleinsten gemeinsamen Nenner, das kleinste Risiko, einen Trippelschritt in letzter Minute. Wir müssen etwas aufbauen, wir brauchen eine ehrgeizige Entscheidung, wir brauchen eine Vision für 30 Jahre."

Echte Visionen statt Reförmchen

Im riesigen Aachener Krönungssaal wirkte Emmanuel Macron klein – das hielt ihn aber nicht davon ab, mit großem Pathos zu sprechen.
"Wir müssen zusammenhalten, wir dürfen keine Angst haben, wir müssen etwas wagen, wir müssen unserer Geschichte gerecht werden, auf ihrer Höhe sein. Wir dürfen nicht einfach warten – wir müssen jetzt handeln. Engagieren wir uns gemeinsam für ein Europa, das Schutz bietet und Ehrgeiz trägt."
Wieder einmal machte Macron klar: Er will sich nicht im kleinklein von europäischen Richtlinien verlieren, keine Reförmchen oder bedächtiges Handeln. Er hat eine große europäische Version, an die er glaubt.
"Das Europa der Cafes, der Universitäten, der geistigen Auseinandersetzung, der Gegensätze, Ablehnung der Gewalt, aber: Im Glauben an die Kraft der Wahrheit."

Was hat Macron bisher für Europa bewirkt?
Über diese Frage sprechen wir mit dem Politikwissenschaftler Joachim Schild. Er ist Professor für vergleichende Regierungslehre an der Uni Trier.
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