"Elser" von Oliver Hirschbiegel

Vom entsetzten jungen Mann zum Hitler-Attentäter

Burghart Klaußner (l) als Arthur Nebe und Johann von Bülow (M) als Heinrich Müller drängen Christian Friedel als Georg Elser in einer Szene des Kinofilms "Elser" ein Verhörprotokoll zu unterzeichnen.
Burghart Klaußner (l) als Arthur Nebe und Johann von Bülow (M) als Heinrich Müller drängen Christian Friedel als Georg Elser in einer Szene des Kinofilms "Elser" ein Verhörprotokoll zu unterzeichnen. © dpa / picture alliance / Schuller Lucky Bird Pictures
Von Hans-Ulrich Pönack · 08.04.2015
"Er hätte die Welt verändert": Der Zusatztitel von "Elser" bezieht sich auf das misslungene Attentat des Schreiners Georg Elser auf Adolf Hitler 1939. Der Film geht unter die Haut, weil er nicht mit Klischee-Nazis und einem schlichten Gut-Böse-Schema hantiert, sondern die Personen differenziert porträtiert.
Zum ersten Mal hörte ich 1989 von ihm - anlässlich der Produktion zum in englischer Sprache produzierten deutschen Film "Georg Elser – Einer aus Deutschland" mit Klaus Maria Brandauer als Hauptdarsteller und Regisseur. Traurig und wütend war ich damals, vorher noch nie über den Mann gehört zu haben, der maßgeblich zur deutschen Nazi-Historie mit dazugehört. Jetzt rüttelt ein neuer deutscher Film am Gedenken an Georg Elser. Der Zusatztitel diesmal: "Er hätte die Welt verändert".
Wie hätte die Welt wohl ausgesehen, wenn der Schreiner Georg Elser, geboren am 4. Januar 1903 im württembergischen Hermaringen, im schwäbischen Königsbronn lebend, mit seinem Vorhaben Erfolg gehabt hätte. Wenn seine Bombe, die er im Münchner Bürgerbräukeller installierte und auf 21.20 Uhr einstellte, am Mittwoch, den 8. November 1939 tatsächlich den vernichtet hätte, für den sie gedacht war. Doch Hitler hatte die Stätte bereits verlassen, als die Bombe explodierte und acht Menschen den Tod kostete.
"Elser" ist ein Film der zwei Zeit-Sprünge. Erstens: die Ausführung des Attentats; seine schnelle Ergreifung. Zweitens: zurück ins Jahr 1932. Elsers emotionale Sturm- und Drangzeit; die einfachen Verhältnisse im Elternhaus, das Sommerbad im Bodensee, seine unglückliche Beziehung zur verheirateten Elsa (Katharina Schüttler), politische Hoffnungskeime durch das Sympathisieren mit kommunistischen Querköpfen. Und rundherum die gesellschaftlichen Veränderungen. Aus Nachbarn werden Gegner. Kleine Kinder entwickeln sich zum gut "trainierten" höhnischen Mob: Der ganz gewöhnliche Faschismus in Bewegung. Elser wird immer wieder verhört, gefoltert. Man kann und will sich nicht vorstellen, dass er Einzeltäter war.
Bedenkenswerter "Unterhaltungsfilm"
"Elser", der neue Film, geht in seiner Emotionalität unter die Haut, weil Oliver Hirschbiegel nicht mit Klischee-Nazis hantiert und einem läppischen Gut-Böse-Duell mit bekanntem Ausgang, sondern behutsam die Personen differenziert porträtiert: Der entsetzte jungen Mann, die brutalen hohen Herrschaften, die die Macht besitzen. Und ihren "Job" ausüben. Burghart Klaußner, einer unser besten "Nebendarsteller" ("Das weiße Band"; "Goethe!"), besitzt als Kripo-Chef Nebe spürbar innere Zweifel und drückt dies phänomenal in simplen Gesten, Blicken und Kleinstbewegungen aus, während Johann von Bülow ("Im Labyrinth des Schweigens") als SS-Müller mit cholerischen Gewaltausbrüchen den primitiven Uniform-Menschen darstellt. Zwei erstklassige Stichwortgeber für ihn:
Christian Friedel. Dem 34-jährigen Magdeburger Schauspieler ("Amour Fou"; "Russendisko") gelingt als Georg Elser die Balance zwischen jungenhafter Unschuld und aufwachendem Untertan meisterhaft, indem er seinen Elser nicht zum Helden dirigiert, sondern zum normalen Denker und vorausschauenden Zeitgenossen. Er ist jemand, der seine "Heimat" als bedroht empfindet und sich zum Handeln verpflichtet fühlt: "Ich war ein freier Mensch. Wenn der Mensch nicht frei ist, stirbt alles".
Der 57-jährige Hamburger Regisseur Oliver Hirschbiegel - mit "Das Experiment" (2001) und "Der Untergang" (2004/mit dem unvergesslichen "Bruno Ganz-Hitler") in bester Film-Erinnerung, zuletzt mit "Diana" (2013), leider voll daneben - hat einen bedenkenswerten, beeindruckenden "Unterhaltungsfilm" geschaffen, der auch für das Schulkino von erheblichem Interesse sein sollte.

"Elser"
Regie: Oliver Hirschbiegel
Deutschland 2014, 110 Minuten

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