Elite ist nicht gleich Leistung

27.12.2005
Der Darmstädter Soziologe Michael Hartmann glaubt, dass in Deutschland die Zugehörigkeit zu einer Elite in Politik und Wirtschaft wenig mit Leistung, sondern vor allem mit sozialer Herkunft zu tun hat.
Hartmann wörtlich:

"Es hat sich seit den 70er Jahren überhaupt nichts verändert. Es stammen nach wie vor über 80 Prozent der Vorstandsvorsitzenden aus den oberen dreieinhalb Prozent der Bevölkerung."

Wolle man eine sozial gerechte Elite, müsse man bereits im vorschulischen und im schulischen Bereich mit der Förderung beginnen. Hier müsse sich Deutschland an den skandinavischen PISA-Gewinnern orientieren. "Man sollte davon absehen, durch eine relativ frühe Aufteilung eines Jahrgangs, Begabungsreserven schlicht und einfach zu verschleudern", sagte Hartmann.

"Im Alter von elf Jahren werden 60 Prozent eines Jahrgangs ausgesteuert, weil die restlichen 40 Prozent nur die Chance haben, überhaupt jemals auf eine Hochschule zu kommen."

Die von Ex-Bundesbildungsministerin Bulmahn angestoßene Exzellenzinitiative beurteilte Hartmann skeptisch. "Da ist sehr viel mit heißer Nadel gestrickt worden", sagte er. Das Exzellenz-Etikett sage nur wenig über die Leistungen aus, die an der jeweiligen Universität erbracht würden. Außerdem sei es "gefährlich", den bereits vorhandenen Wettbewerb der Hochschulen um schnellere Publikationen von außen durch weitere Motivationen anzuheizen, sagte Hartmann in Anspielung auf den Wissenschafts-Skandal um den koreanischen Genom-Forscher Hwang Woo-Suk.

Zudem warnte Hartmann vor einer Elitenförderung im deutschen Bildungssystem. Nicht jede Hochschule, die finanziell besser ausgestattet sei, bringe bessere Leistungen hervor, sagte Hartmann im Deutschlandradio Kultur. Das würden die Universitäten im reichen Baden-Württemberg beweisen. Für das deutsche Bildungssystem sei ein "sehr hohes Niveau in der Breite typisch", betonte er.

Wörtlich sagte Hartmann:

"Derzeit läuft man durch die Fixierung auf die Spitzenleistung einzelner Universitäten Gefahr, zwar unter den Top 50 der besten Universitäten zwei oder drei mehr zu haben, dafür aber in der Breite enorm an Qualität zu verlieren."