Elfenbeinküste

Afrikanischer Alltag

Ein Geschäft für Lebensmittel und alltägliche Waren in der Provinzhauptstadt Duekoue im Westen der Elfenbeinküste.
Ein Geschäft in Duekoue im Westen der Elfenbeinküste - auch das ist afrikanischer Alltag. © dpa / picture alliance / Mika Schmidt
Von Anette Selg · 27.03.2014
Marguerite Abouet ist eine Comic-Autorin, die die afrikanische Normalität schildert - jenseits von Kriegen, Krankheit und Elend. Ihre in 12 Sprachen übersetzten "Aya"-Comics haben sich über 300.000 Mal verkauft Nun ist eine sechsteilige Reihe im Berliner Verlag Reprodukt erschienen.
Marguerite Abouet kocht Kaffee, in der Küche ihres Hauses im Pariser Osten. Hier lebt sie mit ihrem siebenjährigen Sohn Jules. Die zierliche Frau um die 40 hat einen schwarzen Pagenkopf, sie trägt einen hellen Pullover und eine helle Hose. Die Comic-Autorin lacht viel beim Reden und unterstreicht ihre Geschichten mit lebhaften Gesten.
Geboren ist Marguerite Abouet an der Elfenbeinküste. Doch Mitte der 80er-Jahre kommt die damals 12-Jährige nach Paris, zu einem Onkel, der dort als Arzt lebt. Auch wenn es Abouets Familie nicht schlecht geht, verspricht das Leben in Frankreich doch bessere Chancen für die Tochter. Als der Onkel nach Afrika zurückkehrt, bleibt Marguerite in Frankreich, als Kindermädchen bei einer Pariser Familie.
"Damals war ich 16, eigentlich selbst noch ein Kind. Nach der Schule kümmerte ich mich um die Drillinge Edouard, Antoine und Pauline, die damals gerade sechs Monate alt waren. Aber ich hatte mein eigenes Zimmer unter dem Dach und darüber war ich wirklich froh. Ein alter Fernseher stand darin, der dann irgendwann, mitten in der Nacht, explodiert ist.
Danach konnte ich nicht mehr fernsehen, und ich hatte auch kein Geld fürs Kino oder um Auszugehen - und da fing ich an zu schreiben. Nicht aus Leidenschaft, weil ich das schon immer wollte. Für mich war Schreiben eine Therapie. Um nicht verrückt zu werden in diesen vier Wänden."
Marguerite Abouet fängt an, ihre afrikanischen Kindheitserinnerungen aufzuschreiben. Sie sind die Grundlage ihrer Comic-Bände über das Mädchen Aya, einem klugen, etwas ernsten Mädchen, das mit seiner Familie, seinen Freundinnen, in der westafrikanischen Republik Elfenbeinküste aufwächst. Die farbenfrohen, sehr detailreichen Comic-Bilder stammen von dem französischen Illustrator Clément Oubrerie, mit dem Marguerite Abouet bis vor einigen Jahren zusammenlebte und der der Vater ihres Sohnes ist.
Als der erste Aya-Band im Herbst 2005 in Frankreich erscheint, arbeitet Marguerite Abouet noch als Rechtsanwaltsgehilfin in einer Pariser Kanzlei.
"Es war ein grandioser Anfang. 'Aya', mein erster Comic, erschien im Gallimard-Verlag. Das war schon super. Dann wurde das Buch auf dem Comic-Festival in Angouleme als bestes Debüt ausgezeichnet, und die französischen FNAC-Buchhandlungen haben 'Aya' zu ihrem Lieblingsbuch gewählt.
Das war unglaublich - und ich habe mich wirklich gefragt, weshalb so eine kleine Geschichte aus einem unbekannten afrikanischen Ort solches Aufsehen erregt? Und irgendwann hab ich verstanden, dass so eine Geschichte eben noch nie erzählt wurde. Weder als Roman, noch als Comic noch als Film."
"Von den alltäglichen Freuden und Nöten der Menschen"
Marguerite Abouets Comic spielt Ende der 70er-Jahre in Youpougon, einem Stadtteil von Abidjan - der damaligen Hauptstadt der Elfenbeinküste. In Youpougon ist auch die Autorin geboren und aufgewachsen. Doch Marguerite Abouets Bücher werden überall auf der Welt verstanden.
"Die Themen in meinem Comic sind Themen von Heute: Ein junges Mädchen wird schwanger, ein anderes kämpft um eine gute Ausbildung. Ich erzähle vom Tabu der Homosexualität. Ich versuche wirklich, den afrikanischen Alltag zu schildern, abseits der großen Worte, der großen Politik. Stattdessen erzähle ich von den alltäglichen Freuden und Nöten der Menschen in Afrika."
Marguerite Abouets Talent zum Geschichtenerzählen liegt in der Familie.
"Das hab' ich von meinem Großvater, vom Vater meiner Mutter. Er erzählte uns immer Geschichten, wenn wir in den Ferien zu Besuch im Dorf waren. Jeden Abend rief der Großvater uns zusammen, machte ein großes Feuer und erzählte uns Legenden und Märchen.
Ich war damals ein ziemlich wildes Kind und konnte nicht still sitzen. Da nahm er mich mit in den Wald und sagte zu mir: Die Toten sind gar nicht tot. Sie sind in den Bäumen, im Wasser, im Wind, der vorübergeht. Du musst lernen, zu den Blättern zu sprechen, zu den Schmetterlingen."
Jetzt muss die Comic-Zeichnerin los, sie hat einen Termin bei einem französischen Fernsehsender. Es geht um die Verfilmung einer ihrer afrikanischen Kindergeschichten.
"Ich treffe den Produzenten, um halb drei, gemeinsam mit dem Illustrator Mathieu Sapin. Es soll eine Serie für die ganz Kleinen werden. Ich werde allerdings nur zustimmen, wenn ich bei der filmischen Umsetzung das letzte Wort behalte.
Vor allem möchte ich, dass meine Heldin im Fernsehen genauso frech und wild sein darf wie in meiner Geschichte. Wenn sie in der Fernsehserie ihre Seele verliert, dann interessiert mich das Angebot nicht."
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