Einsturz im "goldenen Haus" Neros in Rom

Von Thomas Migge · 07.04.2010
Auf dem Areal des legendären "goldenen Hauses" des Kaisers Nero in Rom sind antike Gewölbe aus der Zeit Kaiser Trajans (98-117) eingebrochen. Zwar blieben die Prachträume des Nero verschont. Dennoch sorgt der Einsturz für viel Interesse und vor allem Kritik.
Zu sehen ist ein Saal der noch heute erhaltenen Räumlichkeiten. Einer hoher Saal mit Resten von Fresken und einer riesigen Gewölbedecke.

Wie durch einen Zauber entsteht der antike Raum wieder in altem Glanz, mit prächtigen Wandmalereien. Der Film wird von Kinomusik begleitet.

Der Betrachter wird – virtuell - durch die gesamte Villenanlage geführt: Säle, Korridore, Prunkhallen und Gärten, ein eigener See mit einem Palastschiff und eine riesengroße Skulptur, die einen nackten Mann zeigt: Kaiser Nero in martialischer Haltung.

Es folgt ein Blick aus der Luft auf die gesamte Anlage. Dann verschwindet plötzlich der Privatsee und auf dem Gelände erhebt sich das Kolosseum. Die Domus Aurea, das Goldene Haus, dass sich Kaiser Nero mitten in der antiken Stadt errichten ließ, dort, wo er zahllose Wohnhäuser hat abbrennen lassen, ersteht dank modernster 3-D-Technik aus ihren Ruinen.

Gewaltige Ruinen, die nur zu einem Teil zu besichtigen sind. Und das auch erst seit kurzer Zeit. Lange waren die unterirdisch gelegenen Gebäudereste der Domus Aurea geschlossen. Wegen Restaurierungsarbeiten, hieß es.

Jetzt ist ein Teil der Anlage erneut geschlossen.

Henner von Hesberg ist Direktor des deutschen archäologischen Instituts in Rom. Er erklärt, was in der Domus Aurea geschehen ist:

""Man muss sich klar machen, dass die Domus Aurea auf antiken Gewölben gebaut ist und sich aus einer unendlichen Fülle von Sälen zusammensetzt, und dass diese Domus für die Thermen des Trajan erweitert wurde, um für diese Anlage eine entsprechende Grundlage zu bieten"."

Ein Teil dieser vertrackten Anlage aus der Zeit Nero und Trajans stürzte jetzt ein. Rund 60 Quadratmeter der einstmals gigantischen Anlage fielen in sich zusammen. Unbeschädigt blieben Mosaiken und Wandmalereien. Doch der Einsturz erregt viel Interesse und vor allem Kritik.

Henner von Hesberg äußert sich diplomatisch:

""Es wird sehr viel getan, unter Umständen wird nicht immer das Richtige getan. Das ist das Problem"."

Ein großes Problem, denn Kulturminister Sandro Bondi reformiert sein Haus und genau das wird von den meisten Archäologen Roms heftig kritisiert. Im Zentrum der Kritik stehen sogenannte "Kommissare" und das Unternehmen Ales Cultura Spa. Ein Unternehmen, das im Grunde als Privatunternehmen staatliche Aufgaben übernimmt, für die es eigentlich im Ministerium Fachpersonal gibt, Archäologen nämlich. Doch der Kulturminister will sich bei der Pflege und Restaurierung der antiken Güter Roms nicht mehr auf die Archäologen verlassen. So werden von der Ales Kommissare ernannt, die in vielen Fällen von Archäologie gar keine Ahnung, sondern - unglaublich aber wahr - zum Beispiel aus dem Management von McDonald oder aus dem Zivilschutz kommen.

Die Ales, und auch das erstaunt, wurde im Januar geschaffen. An der Öffentlichkeit vorbei. Klammheimlich hat man den Eindruck. Dass die Existenz der Ales erst jetzt öffentlich wurde und dass sie bereits seit Wochen Verantwortlichkeiten des Kulturministeriums übernommen hat, liegt daran, klagt der Kunsthistoriker und ehemalige Berater von Kulturminister Bondi Salvatore Settis, dass man die Ales heimlich geschaffen hat, komplett am Parlament und einer parlamentarischen Entscheidung vorbei:

""Das ist schwer zu akzeptieren. Da wird per Dekret eine Gesellschaft geschaffen, die im staatlichen Kulturwesen weitreichende Verantwortlichkeiten übernimmt, die sogenannte kommissarische Verwalter ernennt, die, unabhängig vom Ministerium und vom Parlament, Entscheidungen treffen können. Das ist wirklich erschreckend"."

Die Ales verfügt über ein vom Kulturministerium bereitgestelltes Vermögen von rund 250 Millionen Euro. Sie hat die Möglichkeit, mit Hilfe ihrer kommissarischen Verwalter, die Verantwortlichkeiten von Museumsdirektoren und den für Grabungsstätten und antike Ruinen zuständigen Archäologen zu beschneiden. Die Kommissare, und genau das ist im Fall der Domus Aurea geschehen, bestellen nach Belieben und erstaunlich häufig Gutachten, die teuer bezahlt werden. Diese Gutachten enthalten, so Roms Archäologen aus der Altertümerverwaltung, Resultate, die längst bekannt sind. Zum Beispiel, dass die Statik der Domus Aurea aber auch des Palatins dringend in Ordnung gebracht werden muss. Anstatt konkret staatliche Gelder für dringende Arbeiten einzusetzen, fließen diese Gelder in die Gutachten.

Eine Archäologin der Altertümerbehörde, die aus Angst vor beruflichen Disziplinarmaßnahmen namentlich nicht genannt werden will, spricht in diesem Zusammenhang von einer, "lukrativen Geldverteilungsmaschine für die Freunde von Freunden". Eine Einschätzung, die, schaut man sich den Fall der Domus Aurea an, der Tatsache zu entsprechen scheint. Mit unabsehbaren Folgen für die antiken Monumente Roms.