Einigung im Tarifstreit

Endlich Frieden bei der Bahn − dank der Schlichter

Die Schlichter Matthias Platzeck (2.v.r.) und Bodo Ramelow (2.v.l.), kommentieren in Berlin mit Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber (rechts) und GDL-Chef Claus Weselsky (links) das Verhandlungsergebnis.
Nach der Schlichtung: GDL-Chef Claus Weselsky (l.), Bodo Ramelow, Matthias Platzeck und Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber in Berlin am 1. Juli 2015. © dpa / picture alliance / Wolfgang Kumm
Von Dieter Nürnberger · 01.07.2015
Der harte Kampf zwischen Deutscher Bahn und der GdL ist beendet: Beide Seiten mussten nachgeben und haben dafür etwas bekommen. Die Lösung des Dauerkonflikts nach neun Streiks ist den Schlichtern Ramelow und Platzeck zu verdanken, meint Dieter Nürnberger.
Natürlich ist es eine gute Nachricht, wenn ein Dauerkonflikt endlich beigelegt ist. Die Feriensaison in Deutschland hat vielerorts schon begonnen − und weitere Streiks bei der Deutschen Bahn wären für Millionen von Fahrgästen mehr als nur ärgerlich gewesen. Doch stellt sich die Frage, warum die Einigung so lange gedauert hat. Sie wäre früher möglich gewesen, wenn die Bundesregierung mit ihren Plänen für ein Tarifeinheitsgesetz nicht eine Einigung erschwert hätte. Fast ein Jahr lang schwelte der Konflikt − neun Mal legten die Lokführer die Arbeit nieder, insgesamt 420 Streikstunden und Millionenverluste für die Bahn und somit auch für die Wirtschaft, die auf rollende Züge angewiesen ist.
Dank gebührt heute vor allem den beiden Schlichtern. Es waren die Richtigen, die beide Kontrahenten jeweils vorschlugen: Bodo Ramelow, der linke Ministerpräsident von Thüringen und Matthias Platzeck, SPD, der stets diplomatische Ex-Regierungschef von Brandenburg. Beide schafften es, das äußerst angespannte Verhältnis zwischen GDL-Chef Claus Weselsky und Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber zu entkrampfen. Beide Seiten mussten nachgeben und haben dafür auch etwas bekommen.
Die Bahn allerdings etwas weniger. Unterm Strich ist es für den Staatskonzern ein Erfolg, dass die Belegschaft nicht weiter gespalten wird, denn für die GDL und die konkurrierende, mitgliederstärkere Eisen- und Verkehrsgewerkschaft EVG wurden nun doch identische Tarifverträge ausgehandelt, das gilt vor allem für die Entgelt- und Arbeitszeitregelungen. Doch muss die Bahn künftig eben mit beiden Gewerkschaften mehr denn je einzeln verhandeln.
Die GDL bleibt ein eigenständiger Verhandlungspartner
GDL-Chef Weselsky konnte hingegen vor allem seinen Vertretungsanspruch durchsetzen und sogar zementieren. Denn das bereits vom Parlament beschlossene Tarifeinheitsgesetz der Bundesregierung soll zumindest bis 2020 im Bahnkonzern keine Auswirkungen haben. Die GDL wird neben der EVG ein eigenständiger Tarifpartner bleiben, sie vertritt somit alle ihre Mitglieder unabhängig von der Berufsgruppe und den jeweiligen Kräfteverhältnissen der Gewerkschaften im Konzern. Da jedoch der heute präsentierte Abschluss so gut wie identisch mit dem schon vor Wochen abgeschlossenen Tarifvertrag mit der EVG ist, kann sich Weselsky nicht als der bessere oder durchsetzungsstärkere Gewerkschaftsboss profilieren. Die eher besonnen agierende EVG war letztlich genauso erfolgreich.
Womit wir beim dritten Akteur wären, der allerdings gar nicht mit am Verhandlungstisch saß. Die Bundesregierung hat mit ihrem umstrittenen und juristisch vom Bundesverfassungsgericht längst noch nicht abgesegneten Tarifeinheitsgesetz leider eine frühere Einigung unmöglich gemacht. Die Existenz von kleineren oder Spartengewerkschaften in Frage zu stellen − unter solchen Vorzeichen lässt sich nicht gut verhandeln. Ganz im Gegenteil: Nur so konnte GDL-Chef Claus Weselsky zum Bürgerschreck aufsteigen, obwohl er nicht anderes tat, als die Interessen seiner Gewerkschaft zu vertreten, wenn auch etwas rücksichtsloser als sonst.
Nun also Tarif-Frieden bei der Bahn − dank der Schlichter. Und trotz eines umstrittenen Gesetzes.
Mehr zum Thema