Eine neue Generation von Streichinstrumenten

Carbon gegen Holz

Den Hals eines Cellos beim Instrumentenbauer
Den Hals eines Cellos beim Instrumentenbauer © picture alliance / dpa / Hendrik Schmidt
Von Antje Grajetzky · 19.06.2015
Der Instrumentenbau braucht das besondere Holz: sogenanntes Klangholz. Doch Holz ist schwer zu verarbeiten. Carbon könnte eine Alternative sein. Im Örtchen Werther am Rande des Teutoburger Waldes ist ein Geigenbauer begeistert vom Carbon, kennt aber auch die Tücken.
Vom verschlafenen Busbahnhof aus durchqueren wir das beschauliche Städtchen und gelangen in ein kleines Gewerbegebiet. In einer unscheinbaren Halle hat die Firma mezzo-forte ihr Domizil. Wir gehen zunächst in den Anspielraum:
"Kommt ein bisschen wenig von selber, sobald man mehr zieht, geht's... Holz – wenn ich mich auf das reduziere was das Cello von sich aus macht, ist immer noch ein Unterklang da ...Hier muss ich den Unterklang herstellen, von sich aus macht das Cello nicht so viel Unterklang, für ein Serieninstrument ist das völlig adäquat."
Die Cellistin Katja Denzler probiert Carbon gegen Holz:
"Ich habe ausprobiert die Ausgeglichenheit, ob da 'ne gute Ausgeglichenheit zwischen den Saiten ist. Dabei ist es immer am schwierigsten beim Cello: die D-Saite. Die D-Saite ist häufig matt und fällt ab gegenüber der A-Saite, die zwar auch die klarere und hellere ist. Aber man hat häufig Melodien, die von der A-Saite auf die D-Saite und wieder zurückgehen und da darf es nicht so sein, dass sie sich nicht auf 'ne gewisse Art von Glanz bringen lassen auf der D-Saite. Das ist hier nicht überproportional anders als bei nem Holzinstrument."
"Wenn ich jetzt als Lehrerin spreche, ist es für jemanden, der das kauft und der es im Amateurbereich spielen will, ist es fast optimal geeignet, weil es absolut ausgeglichen ist, es ist leicht zu spielen, es passiert ungefähr auf jeder Saite dasselbe. Es würde den Ansprüchen sehr entgegenkommen, weil es schwierig für den Laien ist, wenn ein Instrument sehr unausgeglichen ist."
Ganz tolle Schallleitungseigenschaften
Zu haben ist ein Carboncello für circa 4.000 Euro bei der Firma mezzo-forte. Der Inhaber Jörg Kleinalstede hat vor zwölf Jahren zunächst damit begonnen Instrumente aus Fernost aufzukaufen, zu veredeln und wieder zu verkaufen. Als die Konkurrenz auf diesem Markt zu groß wurde, beschloss er andere Wege zu suchen, experimentierte mit dem Bau von E-Geigen sowie mit Plexiglas als Werkstoff und kam dann schließlich zur Kohlefaser: "Weil es ganz tolle Eigenschaften hat. Es hat ganz tolle Schallleitungseigenschaften, es ist stabil, es ist optisch ansprechend, erfüllt also erstmal alles, was man braucht, um für den Instrumentenbau verwertbar zu sein."
"Das ist der Grundstoff. Total weich, man kann sein Cello selber nähen hier. Hier sind die Fasern so einzeln und das ist so verwoben mit bestimmter Stärke, mit bestimmter Schlagzahl und damit entsteht dieses feine Muster, wie bei einem Teppich. Wir haben diese Schnittmuster und dann haben wir dann hier diese elektrische Schere., Mit der Grundfaser muss man sehr vorsichtig sein, ganz im Gegensatz zum fertigen Produkt dann."

"Der Herstellung ist und bleibt aufwändig. Da ist einfach viel Handarbeit dabei, das wird immer Handarbeit sein egal ob wir fünf, zehn oder hundert Instrumente am Tag produzieren."
Deshalb werden die Carboninstrumente zukünftig auch nicht günstiger zu haben sein.
"Das sind jetzt diese Formen, wo das dann reingelegt wird. Das ist jetzt zum Beispiel 'ne Deckenform, 'ne Geigendeckenform. Verschiedene Matten reingelegt, geklebt und dann unter Vakuum mit Kunstharz durchflutet."
"Und das ist das dann, was tatsächlich die Festigkeit gibt und wo dann nach 24 Stunden so ein Teil herauskommt."
Das klingt noch ganz nach Plastik und sieht auch nicht schön aus. Die fertigen Instrumente zeigen die glänzende schwarz-graue Struktur der Kohlefaser. Die Oberfläche hat durchaus schick. Geige und Cello werden nicht aus Boden, Zargen und Decke zusammengesetzt, sondern Boden und Zargen werden als eine Form gepresst, auf die dann die Decke gesetzt wird. So fehlen der Überstand über den Zargen und die charakteristischen Ecken.
"Vom Spielerischen her ist es eher angenehm, weil man besser drum kommt. Hier ist mehr ausgeschnitten als beim herkömmlichen Cello, man hat diese Ecken nicht, die machen vielen Menschen immer wieder zu schaffen, weil man diese Zargeneckchen in den Knien hat oder auf der Innenseite der Beine hat. man kann ... sich auch gut damit bewegen ohne dass man da irgendwo anstößt und das Gefühl hat: das piekst."
Die Carboninstrumente, Violine wie Cello, haben keine Feinstimmer, denn die Wirbel sind mit Gewinde gearbeitet, so dass mit ihnen problemlos gestimmt werden kann.
Ein Griffbrett aus einem ganz neuen Werkstoff
"Da kann man Jemandem der nicht das Stimmen gewöhnt ist, sehr viel schneller beibringen zu stimmen als mit den herkömmlichen Wirbeln, die einfach unbrauchbar sind fürs Stimmen. Über die Feinstimmer hat man das Problem, dass man immer anspielen, absetzten, wieder neu anspielen muss und darum das Zusammenspielen der Saiten sehr viel schwerer hörbar machen kann. ... Also das ist natürlich schon mal grandios."
Auch das Griffbrett ist aus einem neuen Werkstoff.
"Das ist ein Kunststoff der mit Holzfasern versetzt ist. Der einzige Unterschied zum Ebenholz ist, dass es sich nicht verzieht. Unabhängig von der einwirkenden Temperatur oder der einwirkenden Luftfeuchtigkeit."
Weiterhin aus Holz werden der Steg und der Stimmstock gefertigt.
"Offensichtlich sind diese beiden zentralen Elemente im Werkstoff unersetzlich, das heißt es funktioniert einfach nur mit Holz. Wir haben es mit Kohlefaser probiert, es geht nicht."
Die Kunden von Jörg Kleinalstede kommen sowohl aus dem Amateur- als auch dem Profibereich. Letztere schätzen das Carboninstrument als Zweitinstrument für die Reise. Es ist so unempfindlich, dass es im Flugzeug keinen Sitzplatz benötigt, sondern als Gepäck aufgegeben werden kann. Ein Halsbruch sei so gut wie ausgeschlossen und kleine Kratzer könne man mit Autopolitur beseitigen. Und Dellen?
"Da ne Delle rein zu machen ist wirklich ne Kunst."
Robust, unempfindlich gegen Temperaturschwankungen, nahezu wasserfest.
- "Und es klingt ja nicht schlecht."
- "Man kann auch schon verschiedene Farben machen, gar keine Frage."
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"Es hat kein supergroßes Spektrum an Ausdruck, aber es hat eins. Man kann schon verschiedene Klangfarben machen."

Es gibt auch Einzelanfertigungen, aber
"Der Sprung zum Meisterinstrument ist nicht das, wo wir hinwollen."
Es ist es wohl weniger eine Frage von entweder Holz oder Carbon, sondern vielmehr: Carbon ist auch eine Möglichkeit.
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