Eine gewagte Wiederauferstehung der R.A.F.

Von Claudia Kramatschek · 16.06.2005
Was passiert, wenn man die Geschichte der R.A.F. mit dem Liebeskitsch einer amerikanischen Campus-Romanze kreuzt? Das kann man nachlesen in "Die Baader-Meinhof-Affäre", dem vergnüglichen Roman der amerikanischen, 1969 geborenen Autorin Erin Cosgrove. Denn darin erleben Andreas Baader und Urlike Meinhof - die einstige Denkfabrik der R.A.F. - mittels einer aberwitzigen Mischung aus Pulp, Fakten und Fiktion ihre so wundersame wie gewagte Wiederauferstehung.
Schauplatz des Romans ist eine Elite-Universität an der amerikanischen Ostküste. Dort nimmt die junge Mara - alias Meinhof - ihr Studium auf, um sich der Analyse von Serienkillern zu widmen. Schon am ersten Tag trifft sie auf den verführerischen Holden - alias Baader -, der der Schwarm aller Mädchen ist. Und auch Mara, die so jung wie naiv und voller Sehnsucht ist nach Liebe und Taten, erliegt Holdens Charme aus Machismus und Sanftnatur.

Holden aber - das Kind schwerreicher Eltern - kämpft seit seiner Jugend gegen das Establishment und für eine bessere Welt. So wundert es nicht, dass er als führender Kopf zu einer Gruppe am Germanistischen Seminar gehört, die sich mit der Geschichte der R.A.F. auseinandersetzt - und das nicht nur in der Theorie sondern auch durch Taten: Denn einmal pro Jahr organisiert diese Gruppe ein Open-Air-Passionsspiel, in dem man die wichtigsten geschichtlichen Ereignisse der R.A.F. praxisnah und lebensecht nachspielt.

Mara wird in diesem Theater die Rolle der Meinhof übernehmen - wider Holdens Willen, der Mara fernhalten will vom gefährlichen Spiel. Doch für Mara ist ihre Rolle eher ein Spiel im Spiel - um ihre Konkurrentin, Holdens ehemalige Freundin Regan, die den Part der Ensslin übernimmt, endgültig aus dem Feld zu schlagen.

Ob Mara ihr Spiel gewinnt - und ob die Gruppe tatsächlich Terroraktionen ausübt - das sei hier nicht verraten. Verraten aber sei, dass Cosgrove sich als trickreiche Erzählerin erweist: Denn zum einen maskiert sie ihren Roman als ein 'romantisches Manifest', das aufruft zum Kampf der Liebe als dem letzten politischen Kampf, der nunmehr nur noch geführt werden könne.

Zugleich aber füttert sie ihren Roman mit so witzigen wie gelehrten Exkursen zur Geschichte und Theorie der R.A.F. und spielt mit Daten und Namen - etwa, wenn Maras Professor Horst Mahler heißt oder Mara das alte Fahndungsplakat als Modeplakat missversteht...

Unter diesem literarischen Spiel aber - die Autorin liebt die Fußnote als Ort der Kommunikation mit ihrer Leserschaft - dringt durch, dass Cosgrove sich letztlich amüsiert über den wunden Punkt der R.A.F.: dass man sich als Opfer der Geschichte ausgab - wie einst die Generation der Väter, die man doch vehement bekämpfte.

Dennoch halten sich bei Cosgrove Kritik und Klamauk die Waage - einer eindeutigen Position entzieht sie sich letztlich doch. Das mag unlauter erscheinen angesichts des Themas, das in Deutschland noch immer die Gemüter bewegt. Aber für Cosgrove - wie gesagt: Jahrgang 1969 - geht es nicht um Politik, sondern um Kunst. Und das unterscheidet sie von deutschen Kollegen wie etwa Leander Scholz mit seinem Roman "Rosenfest". Wo dieser noch den Mythos als Mythos entlarven wollte, stehen bei Cosgrove Fakten und Fiktion frech nebeneinander. Gerade das aber erlaubt wundersam schräge Blicke inmitten der historischen Deutungshoheit, die dieses so deutsche Thema noch immer umlagert.

Erin Cosgrove: Die Baader-Meinhof-Affäre. Ein romantisches Manifest. Aus dem Amerikanischen von Hans Schmid. Blumenbar Verlag 2005, 334 S., 18 Euro.