Eine bittere, aber gerechte Niederlage

Moderation: Korbinian Frenzel · 29.06.2012
Die deutsche Abwehr sah beim Halbfinalspiel gegen Italien nicht gut aus, meint Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. Er glaube aber, dass die noch junge Mannschaft irgendwann die gleiche Sicherheit und Abgezocktheit haben wird wie die Italiener.
Korbinian Frenzel: Der Traum vom Finale, er ist ausgeträumt. Gestern hat Deutschland 2:1 verloren im Halbfinale gegen Italien. Die Azzurri sind es also, die am Sonntag auf Spanien treffen, Deutschland hat es einmal mehr nicht geschafft. Wir ziehen jetzt Fußball-Bilanz wie schon bei anderen Deutschland-Spielen mit prominenten Stimmen. Am Telefon ist Jürgen Trittin, der Fraktionschef der Grünen im Bundestag. Guten Morgen!

Jürgen Trittin: Guten Morgen!

Frenzel: Herr Trittin, wie sehr haben Sie sich gestern geärgert?

Trittin: Na es ist bitter, aber man muss zugeben: Es ist leistungsgerecht gewesen.

Frenzel: Reden wir mal über die Einzelheiten des Spiels, reden wir mal über die deutsche Abwehr. Die sah nicht besonders glücklich aus gegen Balotelli.

Trittin: Ja gut! "Spiegel online" titelte heute "Die Zeugen Balotellis" und hat das damit richtig auf den Punkt gebracht. Beim ersten Tor: Wie kann man jemanden, der von drei Leuten umstellt ist, so flanken lassen. Und auch beim zweiten sah die Abwehr nicht gut aus. Das heißt, wenn man hinten den Laden nicht zumacht und vorne die Chancen nicht verwertet, die man sich erspielt, dann ist das sehr schwierig. Aber es zeigt: Wenn man so spielt wie die Deutschen, dann muss man eine sehr sichere Abwehr haben.

Frenzel: Das heißt, es war gestern eine verdiente Niederlage?

Trittin: Ich würde nicht sagen "verdient". Ich habe gesagt, "bitter, aber leistungsgerecht". Man kann daraus nur lernen!

Frenzel: Sie kennen das Spiel aus der Politik ja bestens. Es braucht, wenn es schief läuft, immer einen Verantwortlichen. Suchen wir den mal. War es Jogi Löw mit seiner Aufstellung?

Trittin: Ach, wir haben ja irgendwie 80 Millionen Nationaltrainer. Bisher hat er sehr klug eingewechselt. Ich glaube, dass das Konzept, was hinter der Start-Elf stand, mit Kroos und Podolski, eines war, was am Ende nicht funktioniert hat und wo er ja in der Halbzeit dann auch praktische Selbstkritik geleistet hat.

Frenzel: Sie spielen ja schönen Fußball, unsere Jungs. Seit der WM 2006 begeistern sie. Aber am Ende gewinnen sie einfach nicht. Ist das der Fußball-Gott, oder ist das doch ein strukturelles Problem?

Trittin: Ich glaube, das ist eine junge Mannschaft, die muss weiter zusammenwachsen und die wird irgendwann auch die Sicherheit und Abgezocktheit haben, die heute Italien auszeichnen.

Frenzel: Italien, das Stichwort, ist ja einer dieser Zocker - nicht nur auf dem Fußballfeld, wie wir gestern gesehen haben, wie wir bis heute in die Morgenstunden gesehen haben, sondern auch beim EU-Gipfel in Brüssel. Italien und Spanien haben da gemeinsam durchgesetzt, dass es Soforthilfen geben wird, dass die Regeln der Euro-Rettung etwas gelockert werden. War das gestern nicht nur eine Niederlage für Jogi Löw, sondern auch für Angela Merkel?

Trittin: Ja man kann auf dem politischen Feld auch sagen, 2:1 gegen Deutschland. Banken kriegen künftig direkt Geld aus dem ESM, das ist richtig, aber wollte die Bundesregierung immer verhindern. Und es gibt auch die Möglichkeit für Länder wie Italien, wenn sie sich so verhalten wie alle anderen, nämlich ihre Regeln des europäischen Semesters zu erfüllen, Geld zu bekommen. Das ist eindeutig eine Niederlage für die Linie der Bundeskanzlerin.

Frenzel: Kommen wir noch mal zurück auf den Sport. Am Sonntag steht das Finale, Spanien-Italien. Nach dem Spiel gestern - müssen wir von einem anderen Favoriten ausgehen als vorher?

Trittin: Ich glaube, dass da zwei aufeinandertreffen, und die Hürde für Spanien ist sehr hoch, es hat noch nie jemand in Folge die Europameisterschaft gewonnen, und die Italiener sind gut aufgestellt.

Frenzel: Jürgen Trittin, Fraktionschef der Grünen im Bundestag. Herzlichen Dank für das Gespräch.

Trittin: Danke!

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