Eine Amerikanerin in Berlin

Von Mandy Schielke · 03.04.2008
Eigentlich wollte Sie Anwältin werden, doch trotzdem bewarb sie sich für ein Kunstgeschichte-Stipendium in Princeton – mit Erfolg. Heute reist Elena Filipovic um die Welt und konzipiert Ausstellungen. Auch an der 5. Berlin Biennale ist sie beteiligt. Zusammen mit Adam Szymczyk, dem Leiter der Basler Kunsthalle, kuratiert sie die Veranstaltung.
Elena Filipovic geht die enge Holztreppe zum Pressebüro der Kunstwerke hinauf. Sie duftet nach Sonnencreme, dabei regnet es draußen. Die schlanke Frau trägt eine Jacke aus weißem Kunstfell und kniehohe Lederstiefel und setzt sich auf die blanke Bierbank im ersten Stock des Seitenflügels. Ihre dunkelblonden Haare fallen lang und leicht auf die Schultern. Sie blickt durch eine übergroße Achtzigerjahre-Hornbrille und zeigt auf ein Fenster auf der anderen Seite des Innenhofes:

"Dort können sie mein Apartment sehen", sagt sie. Seit ein paar Wochen wohnt sie in der kleinen Gast-Wohnung. Sowieso sei hier alles so nah beieinander. Keine 30 Schritte liegen zwischen ihrem Computer, ihrem Bett und der Kaffeebar im Innenhof. Das habe mit Großstadt nichts zu tun. Aber es ist gemütlich, sagt sie und streicht ihre Haare aus dem Gesicht. Das urbane Umfeld gebe es doch in Berlin sowieso.

"Hier leben eine Menge Bekannte von mir. Es war schon seltsam in einer neuen Stadt anzukommen und hier mehr Menschen zu kennen, als ich in irgendeiner anderen Stadt, in der ich gelebt habe – auch mehr als in L. A."

In Los Angeles ist sie aufgewachsen, als Tochter von Einwanderern. Ihre Mutter kommt aus Ecuador, ihr Vater aus dem ehemaligen Jugoslawien. Seit zehn Jahren lebt sie in Europa, zunächst in Paris dann in Brüssel. Dort wurde sie vor über einen Jahr von Adam Szymczyk besucht und gefragt, ob sie mit ihm gemeinsam die 5. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst kuratieren wolle. Sie sagte zu. Selbstverständlich.

"Es gibt eigentlich nichts, was ich tue und er nicht macht und umgekehrt. Wir erledigen alles gemeinsam."

Sie erzählt von dieser symbiotischen Zusammenarbeit, gemeinsamer Dossierlektüre und Atelierbesuchen. Wir haben Künstler eingeladen, keine Kunstwerke, erklärt sie und gestikuliert dabei heftig. 80 Prozent der Kunstwerke, die auf der Biennale zu sehen sein werden, sind extra für sie gemacht worden.

Das war eine bewusste Entscheidung, um Kunst die Möglichkeit zu geben, auch außerhalb des Kunstmarktes zu entstehen, berichtet die 35-Jährige und schürzt dabei die pomadig glänzenden Lippen. Gezeigt werden die Sachen in etablierten Häusern, wie der Neuen Nationalgalerie aber auch auf einem Grünstreifen, wo einst die Berliner Mauer stand.

"Ich kam in den frühen Neunzigern zum ersten Mal nach Berlin, 1992 – glaube ich, eine Reise mit anderen Studenten war das damals. Oh, das ist fast ein bisschen peinlich. Ich habe bei einem UNO-Krisenspiel 'United Nation Model' mitgemacht, war also Diplomatin, in dem Spiel repräsentierte ich den Jemen. So gelang mir der Gratis-Trip nach Europa."

Damals studierte das Mädchen aus Kalifornien in New York. In ihrer Freizeit organisierte sie für Freunde Führungen durchs Museum. Ausstellungen sind etwas für die Freizeit dachte Elena Filipovic damals, Anwältin vielleicht ein passender Beruf.

"Ich dachte Kuratorin – das ist so ein elitärer Beruf. Ich komme aber nun einmal überhaupt nicht aus solch einem Elternhaus. Ich dachte, ich müsste einen, ich weiß nicht, vielleicht nützlicheren Beruf ergreifen, Anwältin oder Ärztin. Aber sicherlich keine Kuratorin. Das erschien mir irgendwie zu abgehoben."

Und als alle Bewerbungen für die juristischen Fakultäten geschrieben waren, der Rettungsanker also geworfen war, probierte sie es trotzdem, einen Studienplatz für Kunstgeschichte an der Universität in Princeton zu ergattern. Mehr als ein paar Grundkurse hatte sie allerdings nicht vorzuweisen.

"Ich entschied mich dafür und schrieb einen leidenschaftlichen Brief und ein Essay an die Universität, warum sie mich unbedingt aufnehmen müssten. Ich war überzeugt von der Idee. Sie akzeptierten mich und boten mir ein Stipendium an. Ich habe irgendetwas gesagt, das sie überzeugt hat."

Sie hat Glück gehabt, sagt sie bescheiden. Immer schaffte sie es Stipendien zu bekommen. Das war auch ihre einzige Chance für eine gute Ausbildung. Denn ihre Eltern hätten das üppige Semestergeld nie aufbringen können.

Nach dem Abschluss zog sie nach Paris, verfasste zahlreiche Kunstkritiken, kuratierte Ausstellungen und recherchierte für ihre Doktorarbeit über die Ausstellungspraxis des französischen Konzeptkünstlers Marcel Duchamp – eine fast zehnjährige Arbeit, die noch in diesem Jahr ihren Abschluss finden wird.

"Nach der Biennale werde ich die erste große, umfassende Einzelausstellung von Duchamps Werk in Lateinamerika eröffnen. Zuerst im Museum für Moderne Kunst in Sao Paulo, danach wird sie in Buenos Aires zu sehen sein."

Ihre Arbeit steht an erster Stelle und die Reise durch die Welt muss weitergehen, sagt sie und schlägt die schlanken Beine übereinander - obwohl sie sich das Leben in Berlin schon noch einige Monate gefallen lassen könnte. Brasilien hat jedoch einen entscheidenden Vorteil. Endlich wieder Sonne.