"Ein Traum in Erdbeerfolie"

22.04.2009
Überlebenskünstler im Szene-Underground in Ostberlin lebten in einer wilden Parallelwelt, in der Mode stets auch Freiheit bedeutete. Inmitten der grauen DDR-Welt lebten die Macher von "Allerleirauh" und "Chic Charmant und Dauerhaft" ihren bunten Traum. Regisseur Marco Wilms lässt mit viel dokumentarischem Material und Interviews der Protagonisten von damals diese Zeit wieder aufleben.
/Deutschland 2009. Regie: Marco Wilms. Mitwirkende: Frank Schäfer, Sabine von Oettingen, Robert Paris, Angelika Kroker, Klaus Ehrlich, Helga Paris, Jürgen Breski, Frieda von Wild, Jürgen Hohmuth. Länge: 82 Minuten.

Marco Willms liefert mit seinem Dokumentarfilm eine so interessante wie vergnügliche Fußnote zu den Mauerfall-Feierlichkeiten dieses Jahres, denn er beschreibt als Insider die bunte Welt der Modemacher und kreativen Überlebenskünstler Ostberlins aus einer kenntnisreichen Innenansicht.

Marco Wills war damals selbst Model beim Modeinstitut der DDR, als die ersten wilden Shows der Avantgarde-Modetheater "Chic Charmant und Dauerhaft" und "Allerleirauh" über den Laufsteg ging. Sie machten die Sehnsucht nach dem Ausbruch aus grauer Konformität zum Programm, die Modelle und die Frisuren konnten gar nicht exzentrisch genug sein, um als Rebellion wahrgenommen zu werden.

Dieses tolle Lebensgefühl der Jugend wieder zu finden, macht sich Marco Wills auf zu den Mitstreitern der Jugend. Mit viel dokumentarischem Material, in Interviews und mit sich selbst als Filmobjekt zeigt er, das dieses parallele Leben nicht nur möglich war in der DDR, sondern eine Strahlkraft entwickelte, die bis heute anhält.

Der Verlust all dessen wird schmerzlich empfunden, das erzählen Interviewpartner wie die Designerin Sabine von Oettingen, die wirklich Kleider aus Erdbeerfolie schneiderte, der als Schamhaar-Friseur medienbekannte Frank Schäfer und Robert Paris, Muse der Fotografen und Hauptdarsteller im Mode-theater "Allerleihrau". In der Wohnung seiner Mutter Helga Paris, einer bekannten Fotografin, fand die erste dieser Aufführungen statt. Geld spielte damals keine Rolle, das Leben der Rebellen war mit wenigem abgesichert, so dass sie alle Kraft in ihre Kreativität stecken konnten, die DDR war zumindest für sie auch eine Spaßgesellschaft.

Etwas wehmütig und doch mit Tatkraft kommen sie jetzt wieder zusammen, um noch einmal Modetheater, eine Art Retro-Revival-Modenschau in der Wohnung des Regisseurs zu machen, eine heute eher komische Veranstaltung. Doch ihr Blick zurück ist ohne Zorn und immer noch der Blick von Unangepassten, die ihre Leben auch heute außerhalb normierter Wege führen und für die Mode niemals Uniformität bedeutet, sondern immer Freiheit. Diese Behauptung zumindest macht neben allem Vergnügen auch nachdenklich.

Filmhomepage "Ein Traum in Erdbeerfolie"