Ein Stich für die Katz

Von Stephanie Kowalewski · 27.12.2009
Viele Menschen setzten auf die positive Wirklung der Akupunktur – und das nicht nur für sich selbst. Tierbesitzer lassen inzwischen auch ihre vierbeinigen Lieblinge nadeln. Das ist zwar noch nicht sehr weit verbreitet, doch die Nachfrage nach der alternativen Behandlungsmethode steigt.
"So jetzt kommt eine Nadel ins Knie. Das ist der Punkt Gallenblase 34. Ja, ja mein Schatz. Das ist der Meisterpunkt der Bänder und Gelenke, weil sie eben ihre Probleme überwiegend im Gelenksbereich hat."

Zitternd steht der elf Monate alte Zwergspitz Isis auf dem Behandlungstisch, während sich Kirstin Huter vorsichtig durch das extrem dichte Fell des kleinen Hundes wühlt. Die Tierärztin und ausgebildete Akupunkteurin tastet den gesamten Körper ab, sucht nach schmerzhaften Stellen und Blockaden. Dann sticht sie die sterilen Einwegnadeln in den Tierkörper. Isis ist mit Fehlstellungen der Knie- und Hüftgelenke geboren worden, berichtet Besitzerin Simone Bujak, sodass der junge Hund nur mit Mühe laufen kann und unter Schmerzen leidet.

"Das einzige, was man sonst hätte machen können, wären Schmerzmittel geben, aber die gehen auf die Organe und von daher kam das für uns gar nicht in Frage."

Stattdessen setzt die junge Züchterin auf Akupunktur, um bei ihrem Hund die Schmerzen zu lindern und seine Entwicklung zu fördern.

"So, das ist jetzt der Punkt Niere drei. Der ist im Sprunggelenk."

Je nach Beschwerden setzt die Tierärztin zwischen fünf und zehn Nadeln in Beine, Pfoten, in Rücken, Bauch oder auch in den Kopf. Die nur 0,3 Millimeter dicken Akupunkturnadeln sind übrigens die gleichen, wie sie bei Menschen benutzt werden. Auch die Akupunkturpunkte samt der Meridiane, die als Energiebahnen im Körper gelten, sind bei den Menschen abgeguckt.

"In der westlichen Welt ist es so, dass man praktisch die menschlichen Akupunkturkarten auf das Tier übertragen hat. Insofern haben wir eben auch sehr genaue Meridiankarten vom Tier."

Meist setzt die Tierärztin die Nadeln bei Hunden und Katzen. Hin und wieder ist auch mal eine Ratte oder ein Kaninchen dabei.

"Die Hälfte der Patienten sind Lahmheitspatienten die zum Beispiel Arthrosen haben. Ich hab Akupunktur schon eingesetzt bei chronischen Magen-Darm-Problemen, ich hatte eine Katze mit Asthma, die ist unter Akupunktur wunderbar gewesen, brauchte kein Cortison mehr. Wir haben aber auch ganz viele Rückenpatienten, die also sonst regelmäßig unter Schmerzmitteln gestanden haben. Und dann werden die halt unter Akupunktur meist so, dass man meistens die Schmerzmittel auch absetzten kann."

Hundedame Isis ist inzwischen ganz ruhig geworden. Nach etwa 15 Minuten entfernt Kirstin Huter nun die Nadeln aus dem zierlichen Körper. Die Besitzerin Simone Bujak kommt bereits seit einem halben Jahr alle paar Wochen in die Tierarztpraxis und zahlt jedes Mal zwischen 30 und knapp 60 Euro. Gut angelegtes Geld, findet sie.

"Das hilft unheimlich gut. Sie kann viel besser laufen als vorher. Ich bin sehr zufrieden."

Wie genau die Akupunktur bei den Tieren wirkt, weiß niemand so genau.

"Letztendlich sind sie in der Humanmedizin ja auch nicht viel weiter. Man kann sagen, bestimmte Akupunkturpunkte reizen zum Beispiel Nerven oder bestimmte Akupunkturpunkte lösen die Ausschüttung von bestimmten Hormonen aus. Aber bei vielen Punkten weiß man gar nicht hundertprozentig, warum sie funktionieren. Aber Tatsache ist, dass sie es tun."

Bei der Akupunktur von Menschen wird die positive Wirkung der chinesischen Nadeln häufig auch mit psychologischen Effekten der Behandlung erklärt, zum Beispiel indem der Patient an die Besserung seiner Beschwerden glaube. Das könne bei Tieren getrost ausgeschlossen werden, betont Kirstin Huter. Das war es auch, was den Landwirt Heinz-Josef Nießen überzeugte, der auf seinem Hof am Niederrhein 120 Kühe hält.

"Ich war erst etwas skeptisch. So eine kleine Nadel an so einer großen Kuh, das würde wahrscheinlich nicht so eine Wirkung haben, aber ich war sehr überrascht festzustellen, dass es doch eine sehr gute Wirkung hatte."

Seit gut einem Jahr behandelt seine Frau Patricia die großen braun-weißen Kühe mit den kleinen Nadeln, um ihnen die Geburt zu erleichtern, die Fruchtbarkeit zu erhöhen oder den Durchfall zu stoppen.

"Anfangs traute man sich nicht ran. Es sind zwar nur kleine Nadeln, aber man hatte schon Hemmungen, diese Nadel in ein Tier reinzudrücken. Man wusste ja nicht, tut man dem Tier weh oder nicht. Und auch diese Technik war natürlich auch was ganz unbekanntes. Und nachher war es kein Problem mehr."

Patricia Nießen hat das Akupunktieren ihrer Kühe auf Lehrgängen der Landwirtschaftskammer Rheinland gelernt. Hier erfuhr sie, wie sie die Akupunkturpunkte finden kann, und welche sie stechen muss, wenn die Kuh lahmt oder kalbt. Die Landwirtin fährt mit dem Finger etwa eine handbreit neben der Wirbelsäule entlang und sucht den passenden Einstichpunkt.

"Diese Punkte fühlt man ganz deutlich, weil hier sogenannte Kuhlen oder Löcher sind. Insofern ist es relativ einfach diese Punkte zu finden und dann Nadel für Nadel zu setzten. So."

Die zierliche Bäuerin weiß, dass die meisten Landwirte das Nadeln der Kühe eher belächeln. Spielerei, sagen sie, zu zeitaufwändig und damit zu teuer. Tierärztin Kirsten Huter hält dagegen:

"Was ist denn billiger? Das Antibiotikum oder die Hormonbehandlung, die sie bei ihren Tieren gemacht haben oder eben eine Nadel, die zehn Cent kostet?"

Und außerdem dauert das Akupunktieren einer Kuh nur wenige Minuten, sagt Patricia Nießen. Auf ihrem Hof jedenfalls gehören die Nadeln inzwischen ganz selbstverständlich zum Alltag. Der Erfolg gibt ihr Recht, meint inzwischen auch ihr Mann.

"Da merkt man schon sehr schnell, wenn man akupunktiert hat, dass die Geburt schneller von statten geht, der Muttermund und alles weitet sich schneller durchs akupunktieren. Es ist auch nicht so, dass unser Tierarzt überflüssig wäre, aber ich denke schon, dass wir den Tierarzt im ein oder anderen Fall auch einsparen können, ja."