Ein schlankes, effizientes Unternehmen

Von Jürgen König, Hauptstadtstudio-Kulturkorrespondent · 05.07.2011
Auf charmante Weise vermittelt das Goethe-Institut die hiesige Kultur nicht autoritär, sondern kooperativ. Daneben ist es längst ein Akteur deutscher Bildungspolitik geworden. Zu seinem Jubiläum steht es glänzend da.
Wie sehr sich das Goethe-Institut im Laufe der Jahre verändert hat, zeigte sich zu Beginn der Demonstrationen in Ägypten: Kurz entschlossen und ohne großen bürokratischen Vorlauf baute das Goethe-Institut Kairo eigene Räumlichkeiten zur "Tahrir-Lounge" um und bot damit jungen Ägypterinnen und Ägyptern einen Treffpunkt für regelmäßige Diskussionen und Streitgespräche über die Demokratisierung ihres Landes.

Kurzfilme, die junge Leute über die Ereignisse am Tahrir-Platz, auch über ihre eigenen Erfahrungen im Ägypten Hosni Mubaraks in aller Eile gedreht hatten, wurden flugs zu einer Reihe zusammengestellt, wurden in Kairo gezeigt, waren inzwischen auch schon in Deutschland zu sehen – das sind beeindruckende Beispiele moderner, auswärtiger Kulturpolitik. Aus dem reinen Sprachvermittler ist längst auch ein politischer Akteur geworden, ganz im Sinne Willy Brandts, der einst die auswärtige Kulturarbeit zur "dritten Säule der deutschen Außenpolitik" erklärt hatte.

Lange Zeit als schwerfälliger Großapparat angesehen, hat spätestens die Strukturreform Klaus-Dieter Lehmanns, der das Haus seit 2008 führt, aus dem Goethe-Institut ein vergleichsweise schlankes, effizientes Unternehmen gemacht. Statt alles und jedes von der "allwissenden" und "allmächtigen" Zentrale in München entscheiden zu lassen, wurde die Verantwortung für das Jahresbudget dezentralisiert und dadurch der Handlungsspielraum für jeden einzelnen Institutsleiter erheblich vergrößert: Nicht zuletzt auch deshalb konnten die Eigeneinnahmen der Häuser erhöht werden, mehr als ein Drittel seines Gesamtetats von 334 Millionen Euro verdient das Goethe-Institut inzwischen selbst. Neue Formen der Budgetierung wurden eingeführt, die Verwaltungskosten erheblich gesenkt, sie machen nur noch 21 Prozent des Goethe-Etats aus. Nicht zuletzt wegen dieses "umfassenden Konzepts zur Zukunftssicherung" bekam das Goethe-Institut nach Jahren stetig zurückgehender Zuschüsse wieder mehr Geld vom Auswärtigen Amt: gut 223 Millionen Euro jährlich für 150 Institute und elf Verbindungsbüros in 92 Ländern.

Gegründet 1951, als Nachfolgeorganisation der "Deutschen Akademie", einer kulturpolitischen Vereinigung zur Förderung und Verbreitung deutscher Kultur im Ausland aus dem Jahr 1925, ging es beim Goethe-Institut zunächst nur darum, ausländische Deutschlehrer auszubilden. In Bad Reichenhall, Murnau und Kochel wird unterrichtet – Nachkriegsdeutschland zeigt sich von seiner kleinstädtisch-heiteren Seite. Später übernimmt das Goethe-Institut die ehemaligen Auslandseinrichtungen der "Deutschen Akademie", organisiert Deutschunterricht, Lehrerfortbildung und ein begleitendes Kulturprogramm.

Die Studentenrevolte 1968 hinterlässt auch im Goethe-Institut ihre Spuren, aus den "Begleitprogrammen" wird eine wirkliche Programmarbeit, die Kultur nicht mehr als das "Wahre, Gute, Schöne" versteht, sondern als Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen und politischen Themen der Zeit. Um ein modernes Bild Deutschlands zu vermitteln, wird zunehmend die künstlerische Avantgarde ins Ausland geschickt; ein Rahmenvertrag mit dem Auswärtigen Amt weist 1976 dem Goethe-Institut konkrete Aufgaben zu und schreibt seine Unabhängigkeit fest. Nach 1989 kommt es vor allem in Osteuropa zu zahlreichen Institutsgründungen – in manchen Ländern wird das Goethe-Institut zu einem wichtigen Part der Zivilgesellschaft, in Weißrussland etwa ist es heute eine der wenigen Anlaufstellen für Oppositionelle.

Der Berliner Fotograf Andreas Rost, der auf Einladung des Goethe-Instituts mit afghanischen Kollegen Workshops in Kabul durchführt, oder auch der junge Regisseur Kai Tuchmann, der in Ramallah mit sechs Jugendlichen und einer palästinensischen Zirkusschule ein Programm über ihre als hoffnungslos angesehene Lage erarbeitet – mit solchen Projekten wird auf sehr charmante Weise "deutsche Kultur" vermittelt, nicht autoritär, sondern kooperativ - mit reichen Erfahrungen für beide Seiten. Neben alledem ist das Goethe-Institut mit seinen vielen Sprachkursen, in denen Zuwanderer, zum Beispiel die hierzulande so oft herbeigesehnten Fachkräfte, auf eine mögliche Zeit in Deutschland vorbereitet werden - mit alledem ist das Goethe-Institut längst auch ein Akteur deutscher Bildungspolitik geworden. Wahrlich: Das Goethe-Institut steht an seinem 60. Geburtstag glänzend da.


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