"Ein Preis für Mut"

Jakob von Uexküll im Gespräch mit Katrin Heise · 06.12.2010
Der Alternative Nobelpreis, der heute im schwedischen Parlament verliehen wird, will ein Preis für die ganze Welt sein, nicht nur für die Industriestaaten. Offen kritisiert der Gründer der Auszeichnung, Jakob von Uexküll, die "echten Nobelpreise". So hält er es für weltfremd, dass bis heute vom Nobel-Komittee kein Solarforscher ausgezeichnet worden ist.
Katrin Heise: Die Alternativen Nobelpreise werden heute in Stockholm vergeben, zum 30. Mal werden sie vergeben. Ins Leben gerufen hat diese Auszeichnung vor genau 30 Jahren der deutsch-schwedische Publizist Jakob von Uexküll. Und ihn begrüße ich jetzt am Telefon, einen schönen guten Tag wünsche ich Ihnen, Herr Uexküll!

Jakob von Uexküll: Guten Tag!

Heise: Es werden in diesem Jahr zwei Kämpfer für Menschenrechte und Umweltschutz ausgezeichnet: Erwin Kräutler und der Nigerianer Nnimmo Bassey. Gehören diese Aktivitäten immer mehr zusammen, Menschenrechte und Umweltschutz, muss man die zusammen denken?

von Uexküll: Ich glaube, ja. Das war sicherlich immer so, aber mehr und mehr, wenn man sich das Klimaproblem ansieht, also wenn wir das nicht lösen, dann verhungern die Menschen, um das ganz klipp und klar zu sagen. Ohne eine gesunde Umwelt können Menschen natürlich nicht überleben, deswegen ist das Recht auf eine stabile, auf eine gesunde Umwelt eigentlich das erste Menschenrecht.

Heise: Was wird sich für die diesjährigen Preisträger, für deren Arbeit ändern? Welchen Anschub gibt die Auszeichnung? Welche Erfahrung haben Sie da?

von Uexküll: Nun, das variiert natürlich von Fall zu Fall. Es gibt natürlich Länder, wo die Preisträger gefährdet sind, also akut gefährdet sind, auch ihr Leben, ihre Freiheit gefährdet. Und da haben wir ja in der Vergangenheit gesehen, dass also dieser Preis sogar Leben retten kann. Er kann also Menschen vor Gefängnis, vor Verfolgung schützen. Eine Preisträgerin, deren Schwester schon einem politischen Mord zum Opfer fiel, aus Lateinamerika, wurde dann bei der Rückkehr vom Polizeichef …, now you are untouchable, jetzt bist du so international bekannt, jetzt werden die nicht mehr wagen, dich umzubringen.

Heise: Schauen wir mal auf die Anfänge des Right Livelihood Awards: Sie regten 1980 einen Nobelpreis für Ökologie und Entwicklung an, die Idee wurde damals abgelehnt. Hat man den Zusammenhang damals eben einfach noch nicht erkennen können, noch nicht gesehen?

von Uexküll: Nun, die Nobelstiftung stand wohl unter dem großen Druck, den Ökonomiepreis einzuführen, und dann nachher wollten sie dann einfach keine weiteren Nobelpreise einführen. Aber durch den Ökonomiepreis war natürlich das Prinzip gebrochen, dass Nobelpreise nur von Alfred Nobel kommen, und Alfred Nobel konnte natürlich zu seiner Zeit auch nicht die Entwicklungen der sogenannten Dritten Welt voraussehen, die dortigen Probleme. Deswegen hat man gesagt, also wenn schon neue Preise, dann sollten wir einen Preis haben, der für die große Mehrheit der Menschen aus der sogenannten globalen Welt, also der Dritten Welt auch relevant ist. Denn die naturwissenschaftlichen Nobelpreise, die gehen ja praktisch nur an Personen aus den Industriestaaten.

Heise: Sie wollten damals mit diesem Vorschlag, den Sie gemacht haben, auch den Friedensnobelpreis ergänzen, habe ich gelesen. Was hat Sie denn am Friedensnobelpreis gestört?

von Uexküll: Ja, es gibt einige gute Jahre und es gibt natürlich dann Jahre, wo man also erhebliche Fehlgriffe gehabt hat. Der ging ja damals unter anderem an Kissinger und da waren natürlich viele, die sagten, also das ist nun nicht echter Frieden; und dann eben den schon erwähnten Zusammenhang mit der Umwelt, deswegen haben wir ja die Kenianerin Wangari Maathai ausgezeichnet, und 20 Jahre später hat sie dann den Friedensnobelpreis bekommen. Das heißt also, auch da gab es seitdem eine Entwicklung, und unser Preis hat natürlich auch zum Teil da Diskussionen angespornt, die sicherlich auch zu dieser Entwicklung beigetragen haben. Bei den naturwissenschaftlichen Preisen merkt man das eigentlich weniger, vielleicht beim Ökonomiepreis, im letzten Jahr hatten sie eine gute Preisträgerin, aber wenn Sie sehen, dass also kein Physiknobelpreis je an einen Solarenergieforscher gegangen ist, dann hat man schon das Gefühl, die leben in einer anderen Welt.

Heise: Das heißt, Ihre Kritik, die Sie damals übten, gilt eigentlich teilweise noch heute, wenn nicht Sie selber oder beziehungsweise der von Ihnen gestiftete Preis da schon für so ein bisschen Bewegung gesorgt hat?

von Uexküll: Ich würde sagen, ja. Damals hat der Chef der Nobelstiftung mir geschrieben, also er sei natürlich nicht glücklich, dass dieser Preis als Alternativer Nobelpreis bekannt ist, aber er sieht, dass er für sehr wichtige Zwecke vergeben wird und die Preisträger von sehr hoher Qualität sind. Also dieser Dialog damals war eigentlich mit der Nobelstiftung sogar einfacher als heute.

Heise: Boten aus der Zukunft soll der Preis ehren, Menschen, die eben beispielhafte Antworten zu den dringendsten Fragen unserer Zeit finden und sie erfolgreich umsetzen oder umzusetzen versuchen. Nach 30 Jahren, wie sehr hat sich das Ihrer Meinung nach ja tatsächlich auch bewahrheitet, welcher Geehrte hat Sie auch zum Beispiel besonders beeindruckt?

von Uexküll: Nun es ist natürlich ein Preis für Mut, es ist ein Preis für praktische Arbeit, nicht für Theorien, die weit zurückliegen. Und das sind ja Menschen, die mitten im Leben stehen, mitten in der Arbeit. Deswegen muss ich sagen, das sind natürlich sehr viele erstaunliche Erfolge gewesen. Was mich natürlich besonders freut und beeindruckt, ist, wenn der Preis dann plötzlich Türen öffnen kann, wenn ich von einer armen Bauernorganisation aus Kolumbien, die damals Frieden schufen in der Region, wo sie wohnten, wo also ein langer Bürgerkrieg herrschte, und die nachher sagten, ja wir sind ja nur arme Bauern. Also, bevor wir den Preis bekamen, wenn wir irgendein Anliegen hatten in der Hauptstadt, wir wollten zu irgendeinem Ministerium vorsprechen, wir kamen ja nicht mal am Pförtner vorbei. Aber nachdem wir den Preis bekommen haben, da stand der Minister selbst vor der Tür, um uns zu empfangen. Es sind natürlich auch solche Erfolge, für die ich den Preis geschaffen habe, und es freut mich natürlich, wenn das dann auch klappt.

Heise: Im Programm von Deutschlandradio Kultur hören Sie Jakob von Uexküll, er hat den Alternativen Nobelpreis ins Leben gerufen, heute wird der zum 30. Mal vergeben. Herr Uexküll, wenn man den Right Livelihood Award übersetzt, so richtig übersetzt, heißt das so viel wie Auszeichnung für die richtige Lebensführung. Kann es die eigentlich geben, die richtige Lebensführung?

von Uexküll: Ja, also da geht es um verantwortungsvolle Lebenshaltung. Es ist eben ein Preis nicht nur für Theorien, sondern für den ganzen Preisträger, für den ganzen Menschen. Wir wollen also Menschen auszeichnen, die wirklich also, wie man auf englisch sagt, talk, die nicht nur reden, sondern diesen Weg auch begehen. Und dazu gehört natürlich, dass man also verantwortungsvoll mit der Erde umgeht, dass man leicht auf der Erde lebt, nicht mehr nimmt als einen fairen Anteil der natürlichen Ressourcen. Das ist, was damit gemeint ist.

Heise: Und wenn man Ihnen dann Weltverbesserungspathos nachsagt, damit können Sie leben?

von Uexküll: Na ja also, ich meine, Weltverbesserung ist natürlich überheblich. Ich meine, ich sehe mich da als Katalysator, also die Weltverbesserer sind unsere Preisträger.

Heise: Eine schwedische Politikerin hat mal gesagt, der Nobelpreis sei der Preis des letzten Jahrhunderts, und der Alternative Nobelpreis der fürs neue Jahrtausend. Es kann doch eigentlich kein größeres Lob geben für den von Ihnen gestifteten Preis. Wie erklären Sie sich eigentlich den Prestigegewinn, denn am Anfang sind Sie ja doch eher belächelt worden?

von Uexküll: Das kam dann aber doch sehr schnell. Nach fünf Jahren wurden wir eingeladen, den Preis im schwedischen Parlament zu verleihen. Von einer Koalition aus Abgeordneten sämtlicher Parteien. Man braucht fünf Jahre, bis man anerkannt wird. Aber sicherlich ist das natürlich auch mit der Entwicklung der Welt seitdem zu begründen. Die Probleme, auf die ich damals hingewiesen habe, die sind ja nicht besser geworden. Und dann also die Tatsache, die, ich erwähnte das schon mit Wangari Maathai, die dann später den Friedensnobelpreis bekam. Wir haben jetzt erlebt, es gibt im Irak dann einen Preis für Zukunftsenergie, Zayed Future Energy Award. Und die haben natürlich dann mit viel Geld in der ganzen Welt nach Preisträgern gesucht. Und da haben wir natürlich auch mit Freude festgestellt, dass die beiden ersten Preisträger, die ausgezeichnet sind, sind beides auch Alternative-Nobelpreis-Träger. Das heißt also, die haben dann auch ein globales Netzwerk aufgebaut, die sind sehr demokratisch, jeder kann jeden vorschlagen außer sich selbst, und ich glaube, das spricht immer mehr und mehr Menschen an.

Heise: Sie beraten ja Politiker weltweit in Sachen Zukunft. Hat sich das Denken, was dem Alternativen Nobelpreis zugrunde liegt, eigentlich schon in den Köpfen da tatsächlich auch festgesetzt?

von Uexküll: Ja, ich hab ja dann den Weltzukunftsrat gegründet, weil ich sah also die sogenannten Best Policies, die Beispiele der Preisträger, ihre Arbeit muss man irgendwie auch dann gesetzlich verankern, wenn das wirklich haltbar sein soll. Und da merkt man bei vielen Politikern in vielen Ländern eine große Offenheit, ein großes Interesse, aber sie haben natürlich auch Angst: Werden die Bürger das mitmachen, wie komme ich von hier bis dort? Also man akzeptiert die Kritik, man hat die Vision, wo man hin will, aber das Problem ist eben diese ganze praktische Arbeit: Wie sorge ich dafür, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen die richtigen Anreize schaffen und nicht die falschen, wie sorge ich dafür, dass die Alternativen Nobelpreisträger jetzt der neue Mainstream werden, dass sie die Richtung anzeigen? Denn wir leben ja noch in einer Welt, wo die alten Strukturen noch sehr mächtig sind, die ja zum Teil auch durch die sehr engen Kategorien der alten Nobelpreise auch repräsentiert werden.

Heise: Ja, und wir leben in einer Welt eben, wo die Politiker auch nicht oben drüber schweben, sondern natürlich auch Abhängigkeiten haben, Abhängigkeiten zum Beispiel von der Wirtschaft. Da ist das vielleicht auch gar nicht so einfach umzusetzen …

von Uexküll: Ja. Aber auch da gibt es dann ein Umdenken. Ich sage immer, man kann gar nicht mehr von der Wirtschaft reden: Da hat man die Zukunftsverweigerer, die Besitzstandsbewahrer, die sehr mächtig sind, natürlich viel Geld verdient haben auf Kosten von Um- und Nachwelt und dieses dann in die Lobbyarbeit stecken. Aber es gibt ja durchaus auch zukunftsdenkende und vorwärtsdenkende Wirtschaftsunternehmer, wir haben ja sogar einige ausgezeichnet, den ägyptischen Unternehmer Ibrahim Abouleish mit seiner international sehr erfolgreichen Firma Sekem zum Beispiel.

Heise: Jetzt freuen Sie sich erst mal auf die heutige Verleihung.

von Uexküll: Ja, das ist natürlich ein Meilenstein, also wir sind ja nicht nur in 30 Jahre, sondern wir sind also auch 25 Jahre im schwedischen Parlament. Und dazu brauchen wir die Unterstützung sämtlicher Parteien von rechts bis links. Das ist natürlich auch nicht mehr ganz einfach, aber auch das haben wir geschafft.

Heise: Dann wünsche ich Ihnen weiterhin viel Erfolg! Jakob von Uexküll, Stifter des Alternativen Nobelpreises, des Right Livelihood Awards. Danke schön für dieses Gespräch!

von Uexküll: Ja, vielen Dank!

Heise: Übrigens im Deutschlandradio Kultur können Sie morgen im "Radiofeuilleton" den heute geehrten Bischof Kräutler hören.
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