Ein Piep und die Einkaufskasse weiß Bescheid

Von Irene Meichsner · 07.10.2012
Um Produktinformationen an der Kasse automatisch zu erfassen, erfanden die beiden Amerikaner Joseph Woodland und Bernard Silver 1948 den Barcode. Sie waren ihrer Zeit weit voraus, erst 1973 wurde das Patent umgesetzt.
"Sie müssen darauf achten, dass es erst mal diesen Ton gibt, das ist ein Zeichen, dass es gut durchgeht, dass es gebongt wird. Und wenn der Strichcode fehlerhaft ist, da muss dann irgendwas – dann haben Sie ein anderes Geräusch. Sie müssen praktisch auf das Geräusch achten."

Verkäuferinnen wie Karin Wende schieben ihre Waren heute einfach über ein Lesegerät, statt wie früher jeden Preis einzeln einzutippen. Der schwarz-weiße Strichcode auf dem Etikett enthält die wesentlichen Informationen über den Händler, die Warengruppe und den Preis. Martin Wölker, Dortmunder Unternehmensberater für Fragen der Logistik, spricht von einer "Brot- und Buttertechnologie" im Bereich der automatischen Identifikation:

"Ist relativ einfach. Man hat Striche. Die Striche sind in einer bestimmten Systematik angeordnet. Ein Lichtstrahl wird ausgesendet, typischerweise ein Laserstrahl, der sehr schön fokussiert ist. Es gibt eine Reflektion. Die Reflektion wird gemessen. Und klar: Auf den schwarzen Flächen habe ich eine andere Reflektion als auf den weißen Flächen. Und aus diesen Reflektionen können Informationen rekonstruiert werden."

1948, als die Idee für den Strichcode-Scanner geboren wurde, gab es noch keine Lasertechnik. Der 24-jährige Bernard Silver, der eben erst am Drexel Institute of Technology in Philadelphia sein Ingenieurstudium abgeschlossen hatte, hörte zufällig, wie der Leiter einer lokalen Lebensmittelkette einen der Professoren fragte, ob er nicht ein Verfahren entwickeln könne, mit dem sich Produktinformationen an der Kasse automatisch erfassen ließen. Der Professor winkte ab. Doch Silver und sein 27-jähriger Freund und Studienkollege Norman Joseph Woodland machten sich ans Werk. Sie experimentierten zunächst mit Tinte und UV-Licht. Schließlich sei ihm der Morsecode eingefallen, erzählte Woodland später:

"Ich habe einfach dessen Punkte und Striche nach unten verlängert und daraus enger und weiter auseinanderliegende Linien gemacht."

Am 7. Oktober 1952 erhielten Woodland und Silver ein Patent auf ein von ihnen erdachtes Gerät, das "Gegenstände anhand der Reflexion von Linien automatisch klassifizieren" sollte, wie es in der Patentschrift hieß. In Woodlands Wohnzimmer bauten sie das erste, schreibtischgroße Lesegerät. Es bestand im Wesentlichen aus einer 500-Watt-Birne als Lichtquelle und einer speziellen Elektronenröhre, die imstande war, Lichtsignale durch Verstärkung eines elektrischen Signals zu detektieren. Weil sich niemand ernsthaft für die Technik interessierte, verkauften die Erfinder 1962 ihr Patent. Silver kam ein Jahr später bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Erst Ende der 1960er Jahre dachte der Handel erneut über ein automatisches Waren-Identifikationssystem nach, von dem man sich - neben Erleichterungen an der Kasse - auch Vorteile bei der Lagerhaltung und Logistik versprach. Die großen amerikanischen Lebensmittel-Händler entwickelten Leitlinien für einen universellen Code. 1973 einigte man sich auf das heute weltweit anerkannte Balkenmuster mit den geraden Strichen - englisch "Barcode" genannt.

Ein Jahr später, am 26. Juni 1974, wurde in einem Supermarkt im US-Staat Ohio mit einem Päckchen Kaugummi zum ersten Mal eine Ware von einem Barcodescanner erfasst. In Deutschland druckte am 1. Juli 1977 der Wuppertaler Gewürzhändler Wichartz erstmals einen Strichcode auf ein Produkt. Heute beherrscht der Strichcode den globalen Warenfluss.

Doch seine Tage sind möglicherweise gezählt. In den letzten Jahren wurden neue Codes geschaffen. Umstritten, aber auf dem Vormarsch ist die so genannte RFID-Technologie, die Radiofrequenz-Identifikation. Dabei werden die herkömmlichen Strichcodes durch winzige Chips mit einer Antenne ersetzt, die jederzeit von Lesegeräten per Funk angesteuert werden können. Man kann auf den Chips mehr Informationen speichern. Jeder enthält eine welt¬weit einmalige Num¬mer. Kritiker fürchten, dass sich über solche Funkchips jedes gekaufte Produkt mit dem Käufer verknüpfen ließe, womit es theoretisch möglich wird, Konsum- und Bewegungsprofile zu erstellen. Auch Peter Schaar, Bundesbeauftragter für Datenschutz, äußerte sich besorgt:

"Problematisch bei der RFID-Technik ist, dass die RFID-Chips ihre Geheimnisse üblicherweise auch dann preisgeben, wenn der Betroffene nichts davon merkt."