Ein Patriot gegen Hitler

Von Christian Berndt · 01.07.2007
Er war einer der ganz wenigen aus dem engsten Verschwörerkreis des 20. Juli 1944, der die Verfolgung durch die Nationalsozialisten überlebt hat: Fabian von Schlabrendorff. Nur durch Zufall entging er der Hinrichtung.
"Wir geben Nachrichten des drahtlosen Dienstes: Mordanschlag gegen den Führer! Der Führer ist unverletzt."

Als am Abend des 20. Juli 1944 deutlich wird, dass der Staatsstreich gegen Adolf Hitler gescheitert ist, wartet auf die meisten Verschwörer der sichere Tod. Einer aber, der zum engsten Kreis des militärischen Widerstands zählt, überlebt wie durch ein Wunder: Fabian von Schlabrendorff. Der konservative Offizier versteht den Widerstand als patriotische Pflicht, wie er 1967 bei einer Gedenkfeier zum 20. Juli erklärt:

"Das Vaterland ist es gewesen, für das die Männer des Widerstandes ihr Leben zu opfern bereit waren. Fürs Vaterland zu wirken, sind auch wir gerufen. Es ist das gleiche, für das jene gestorben sind."

Am 1. Juli 1907 wird Schlabrendorff in eine uralte preußische Adelsfamilie geboren. Als Student hat er für die Republik von Weimar wenig übrig, noch weniger aber für den Nationalsozialismus. Nach dem Jurastudium kommt er ins preußische Innenministerium. Hier bekommt er Kontakt zu national-konservativen Kreisen, die Ende der 30er Jahre den Staatsstreich planen: Sie wollen Hitlers Kriegsabsichten durchkreuzen, weil sie um Deutschlands Machtstellung fürchten. Schlabrendorff wird nach London entsandt, um die englische Regierung zu einer harten Haltung gegenüber Hitler zu bewegen:

"Ich darf vielleicht erwähnen, dass ich im Juli 1939 mit Churchill ein Gespräch in England gehabt habe über den Nationalsozialismus und die außenpolitischen Gefahren, die von Hitler drohten. Ich erinnere mich noch, dass ich das Gespräch gegenüber Winston Churchill einleitete mit den Worten: Ich bin kein Nationalsozialist, aber ich bin ein Patriot. Churchill antwortete darauf: Ich auch."

Bei Kriegsbeginn 1939 meldet sich Schlabrendorff freiwillig. 1941 holt ihn Henning von Tresckow, Generalstabsoffizier der Heeresgruppe Mitte, zu sich. Tresckow ist der Kopf des militärischen Widerstandes, und in Schlabrendorff findet er nicht nur seinen engsten Berater, sondern auch einen Offizier, der entschlossen zum Attentat bereit ist. Schlabrendorff ist schockiert angesichts des Massenmordes an den Juden. Aber der entscheidende Antrieb zum Staatsstreich ist die drohende Niederlage. Wolfgang Benz, Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung Berlin, zu den Motiven der Verschwörer.

"Überwindung von Versailles, Expansion des Deutschen Reiches. Solang haben die Militärs gerne Hitler mitgetragen. Es spricht schon sehr viel dafür, dass der erfolgreiche Hitler kein Gegenstand von Attentatsplänen war, sondern dass die militärische, die konservative Widerstandsbewegung erst so richtig in Gang kam, als vieles verloren war und man weniges retten wollte."

Am 13. März 1943 gelingt es Schlabrendorff, eine Bombe in Hitlers Flugzeug zu schmuggeln. Aber der Sprengstoff zündet nicht. Auch am Staatsstreich des 20. Juli 1944 ist Schlabrendorff beteiligt. Nachdem das Attentat gescheitert ist, kommt er vor den Volksgerichtshof. Dass er überlebt, verdankt er einem Bombenangriff, der ausgerechnet am Tag seiner Verhandlung den Gerichtspräsidenten Roland Freisler tötet. Nach dem Krieg sieht sich Schlabrendorff Anfeindungen ausgesetzt, denn für die Mehrheit der Deutschen bleibt der Staatsstreich Verrat. Erst in den 60er Jahren beginnt ein Umdenken. Es ist bemerkenswert, dass Schlabrendorff schon damals die einseitige Ehrung nur des militärischen Widerstandes kritisiert.

"Ich möchte dem Argwohn Ausdruck geben, dass der Westen Deutschlands seine Haltung gegenüber der westlichen Welt dadurch unterstreichen möchte, dass er den 20. Juli zu einem Staatsfeiertag macht. Er verkennt dabei, dass auch die Kommunisten Erhebliches gegen den Nationalsozialismus geleistet haben."

Schlabrendorff ist als Jurist auch in der Nachkriegszeit erfolgreich. 1967 wird er zum Richter ans Bundesverfassungsgericht gewählt. In seiner Amtszeit wird das Recht zum Widerstand ins Grundgesetz aufgenommen. Für den lange angefeindeten Widerstandskämpfer war es, wie er vor seinem Tod am 3. September 1980 geäußert hat, eine Genugtuung.