Ein Ozean wunderbarer Worte

Von Blanka Weber · 28.08.2013
Er liebt die deutsche Literatur und trotzt der Zensur seines Heimatlandes: Der iranische Autor Mahmoud Hosseini Zad ist einer der diesjährigen Preisträger der Goethe-Medaille - und einer der bedeutendsten Übersetzer ins Persische. Neben ihm wurde der griechische Autor Petros Markaris sowie der indische Verleger Naveen Kishore ausgezeichnet.
Besser kann es nicht passen, sagte Klaus-Dieter Lehmann, Präsident des Goethe-Institutes. Es ist 12.00 Uhr, in Weimar läuten die Glocken. Der erste Preisträger wird ausgezeichnet. 12.00 Uhr am 28. August 1749 ist Johann Wolfgang Goethe geboren worden.

Der iranische Übersetzer Mahmoud Hosseini Zad ist einer der diesjährigen Preisträger:

"Guten Tag und grüß Gott. Ich habe heute das Gefühl ein Taucher zu sein. Das ist wirklich wie ein Ozean von wunderbaren Worten und ich bin ein Taucher heute. Danke."

Er gilt als einer der bedeutendsten Übersetzer zeitgenössischer deutschsprachiger Literatur ins Persische. Judith Hermann, Ingo Schulze, Peter Schramm – um nur einige zu nennen. Als 20-Jähriger kam Mahmoud Hosseini Zad nach München, um dort zu studieren. Zuvor hatte er im Iran, ein Architektur und VWL-Studium abgebrochen. Sein erster Roman, den er auf Deutsch las. Wie war das? Der Autor erinnert sich:

"Es ist genau 47 Jahre her, trotzdem habe ich sowohl den Umschlag des Romans wie auch die Handlung noch klar vor Augen: 'Ein gewisser Y.' von Barbara Nowak. Später habe ich nie nachgeschaut, ob sie eine bekannte oder unbekannte, gute oder schlechte Autorin war. Die Erfahrung beschäftigte mich zu sehr, habe ich mit meinem damaligen, sehr bescheidenen Deutsch alles verstanden und zwar richtig?"

Er wollte mehr, mehr wissen. Mehr lernen. Mehr Sprache:

"Goethe. Rilke. Thomas Mann. Brecht, Dürenmatt, Böll, Lenz, später Timm, Schulze, Hermann und weiter."

Zu den Übersetzungen kommen eigene Werke, Theaterstücke und Erzählungen. Noch gibt es nicht für alles Publikationsgenehmigungen. Mit Zensur, sagt er am Vorabend auf einem Podium, sei es so eine Sache. Es gibt sie, eine Kontrollbehörde, die alles einmal unter die Lupe nimmt, was Künstler produzieren: Bilder, Filme, einfach alles.

"Aber wir haben ein Glück und das ist überhaupt ein Glück der menschlichen Geschichte. Die Diktatoren sind dumm und das ist wirklich ein Vorteil für Menschen und das ist genau wie im Iran. Wir haben keine Bestimmungen da, das ist beliebig. Und wenn Sie Glück haben, dann haben Sie einen Beamten, der keine Ahnung hat. Wenn Sie Unglück haben, dann haben Sie einen Beamten, der schlau ist."

Der griechisch-deutschen Tangente widmet sich Petros Markaris. Der auffallende Mann mit weißem, schütteren Haar gilt als einer der klaren Worte, auch was die Dissonanzen bei der Globalisierung betrifft. Seine Laudatorin, Christiane Schlötzer, beschreibt ihn so:

"Auf die Spur kommt man diesem Mann, der stets in Bewegung scheint, am besten, wenn man sich auf seine Fersen begibt. Beispielsweise mit der Lektüre seines Stadtführers quer durch Athen. Ich bezweifle, dass ein anderer Autor einer anderen europäischen Hauptstadt in jüngster Zeit ein so liebevolles und lehrreiches Porträt geschenkt hat."

Petros Markaris ist Querdenker. Ein Mann mit armenisch-griechischem Elternhaus, der im Sprachgewirr Istanbuls aufgewachsen ist, dort als Kind Sprachen schätzen lernte, das Jiddisch der Sefarden, Ladino, Türkisch und Griechisch. Er sei, so formulierte es die Laudatorin, da zu Hause, wo Welten von Widersprüchen vorhanden sind.

Markaris schreibt unter anderem Kriminalromane. Erfolgreich lässt er einen Kommissar ermitteln, blickt auf Underdogs, auf Zuwanderer und immer wieder auf den Schnittpunkt der Welten, auf alles, was Vielfalt schafft:

"Ich glaube, es gibt einen krassen Unterschied zwischen Globalisierung und Kultur. Kultur das ist doch die Diversität, das andere. Man kann das nicht zusammen bringen. Es geht nicht."

Und vielleicht auch nicht mit Blick auf Europa. Immerhin: Zehn Prozent aller Griechen sprechen deutsch. Und umgekehrt? In einem seiner Romane wird – zumindest fiktiv – die griechische Drachme wieder eingeführt. Wie hält man eine Krise aus, fragt er und antwortet: Nur mit Kultur.

Der indische Preisträger Naveen Kishore gehört zu jenen, die einst aus ihrer Liebe zur Literatur einen Beruf machten. Heute blickt er auf 60 Lizenzen zurück, die er von deutschen Verlagen erworben hat. Weltweit übersetzt und publiziert er mit dem Verlagshaus Seagull Books Autoren wie Ingeborg Bachmann, Peter Handke und Hans Magnus Enzensberger auf Englisch.

"Schreiben heißt, sich zu vertiefen, zu hoffen. Schreiben heißt, sich auf eine Reise zu begeben. Ohne Ankunft, ohne Ziel. Einfach umherziehen. Gehen. Die Staubspuren als Lebenszeichen."

Einen Makel habe er, erklärt Naveen Kishore, er wolle am liebsten alles machen. Teil des Prozesses sein. Im Verlegeralltag ist er es: Der ursprünglich kleine indische Verlag muss sich auch gegen Global Player behaupten. Seine Arbeit beschreibt er als instinktiv, oft improvisiert, auf jeden Fall persönlich und meist mit hohen Risiken verbunden.

Ich bin ein Mann des Wortes, sagt er von sich selbst:

"I’m an man…"

Für mich sind Worte das, was am meisten bedeutet.