Ein moderner Gefühlsmanager

07.03.2012
Schon Friedrich II. von Preußen wusste, dass es nicht reicht, über die Körper der Untertanen zu herrschen. Die Geschichtsschreibung berichtet, dass Friedrich jedoch nicht sanft mit seinen Untertanen umging. Ute Frevert analysiert in ihrem Buch das Herrschaftsverständnis Friedrichs.
Bei der Literatur zum Friedrich-Jubiläum ist es wie in der Tafelrunde Friedrichs des Großen: Das Terrain scheint nahezu fest in männlicher Hand. Unter dem knappen Dutzend der wichtigeren Bücher (insgesamt sind es weit über fünfzig) fand sich bis vor wenigen Wochen keines von einer Autorin. Warum die andere Hälfte der Historikerzunft nicht zur Feder greift, darüber kann man nur spekulieren.

Natürlich gibt es Beiträge von Autorinnen zu den "weichen Themen", zur Seidenindustrie oder zu Friedrichs Ehe, aber eine Gesamtschau, eine größer angelegte Biografie, fehlt. Ob es an der borussophilen Tradition liegt, in der die Kerle schon immer unter sich blieben oder daran, dass zum Preußenkönig scheinbar alles gesagt ist? Ein plausibler Grund für diese auffällige Friedrich-Abstinenz lässt sich nicht erkennen.

Das ist mit Ute Freverts Buch schlagartig anders. Es gehört zweifellos zu den interessantesten und originellsten Veröffentlichungen zum Friedrich-Jahr. Der Titel, "Gefühlspolitik", klingt nach einem "weichen" Thema. Doch es geht nicht um Friedrichs Charakter, darum, ob er am Ende doch eine empfindsame Seite hatte oder ein eiskalter Misanthrop war. Es geht nicht um den König "privat", dessen "wahre Gefühle" keiner kennt, weil er als absoluter Monarch die Kunst der Verstellung beherrscht. Es geht um des Königs Strategie, die Herzen seiner Untertanen zu erobern.

Verkündet hat Friedrich dieses Programm - von der Forschung bisher eher überlesen - schon bei Regierungsantritt: "Ein König, dessen ganze Staatskunst darauf hinausläuft, dass man ihn fürchtet", werde "Herr von Sklaven" sein. "Ein Fürst hingegen, dem es wirklich gegeben ward, Liebe zu erwecken, wird wirklich Herr über die Herzen sein."

Friedrich wusste also, dass Zwang nicht genügt, um zu regieren, dass Furcht kein ausreichendes Mittel war, Preußen nach vorne zu bringen. Untertanen waren bei Laune zu halten, damit sie fleißiger arbeiteten und auch in aussichtslosen Schlachten bei der Stange blieben. Gefühle waren es, auf die es ankam, positive Gefühle.
Wie er diese Gefühle erzeugte, welche Register er dafür zog, und wie das beim Volk ankam, das zeichnet die Historikerin Ute Frevert nach. Er präsentierte sich als Landesvater, der sich um Wohl und Wehe sorgte, wenn er alljährlich monatelang durchs Land reiste und den Beamten auf die Finger sah, wenn er einzelne gegen die Justiz verteidigte, vor seinem Volk den Hut zog, sich an die Spitze der Armee stellte und seine Soldaten duzte.

Allesamt Gesten, für die er geliebt werden wollte, die aber nicht etwa einem aufgeklärten Hang zur Menschenfreundlichkeit entsprangen. Es waren, wie Frevert schlüssig nachweist, loyalitätsstiftende Maßnahmen, denen Vernunft und Kalkül zugrunde lagen. Ein moderner Gefühlsmanager also, der Affekte über das Bild, das er von sich vermittelte, bis ins Detail steuerte. Dass sich aus passiver Untertanenliebe am Ende (gegen die monarchische Absicht) aktiver Bürgersinn entwickelte, deutet sie an.

Gut lesbar geschrieben bezieht das Buch seine Anschaulichkeit aus den Vergleichen mit medienpolitischen Strategien heutiger Politik, mit Spin Doktoren und Wahlkampfmanagern. Dadurch regt es die Vorstellungskraft heutiger Leser an. Doch es hält trefflich die Balance zwischen Aktualisierung und Historie. Friedrich mutiert keinesfalls zu einem "Demokraten" im Entwicklungsstadium. Friedrich bleibt, der er ist: ein absoluter Herrscher mit intellektuellem Potenzial von hohen Graden.

Besprochen von Edelgard Abenstein

Ute Frevert: Gefühlspolitik. Friedrich II. als Herr über die Herzen?
Wallstein Verlag, Göttingen 2012
152 Seiten, 16,90 Euro
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