Ein Jahr Papst

Der neue Nationalheld Argentiniens

Von Victoria Eglau · 13.03.2014
Überrascht waren die Argentinier, als vor einem Jahr einer der ihren zum Papst gewählt wurde. Jetzt ist Franziskus daheim so was wie ein Popstar, lächelt von den Titelseiten der Magazine und wird von Politikern um Rat gefragt.
"Oh, oh, Bergoglio. Hay papa argentino. Y se va a llamar Francisco. Hay sorpresa ..."
So verblüfft wie dieser Fernsehreporter in Rom waren heute vor einem Jahr die meisten Argentinier. Dass Kardinal Jorge Bergoglio zum Papst gewählt werden würde, hatte kaum jemand erwartet. Doch rasch verwandelte sich die Überraschung bei den meisten in Euphorie und Stolz.
"Die Argentinier neigen zu Triumphgefühlen: Wir haben Messi, den besten Fußballspieler der Welt, Maxima, die Königin von Holland, und den Papst. Das ist eine Sache des Nationalstolzes. Sogar Leute, die Bergoglio früher kritisiert hatten, wollten plötzlich ein Foto mit Franziskus."
- sagt der Journalist Washington Uranga. Aber, Triumph hin oder her, viele argentinische Katholiken erfüllt es einfach mit Freude, dass nun einer der ihren Kirchenoberhaupt ist und dass der Lateinamerikaner Franziskus weltweit auf so große Sympathie stößt.
Papstsein macht heiterer
Die Titelseite des Nachrichtenmagazins Noticias zeigt in dieser Woche einen ernsten, geradezu verdrossen dreinblickenden Jorge Bergoglio, und daneben das Foto eines strahlenden Franziskus'. Die Metamorphose steht in fetten Lettern darunter. Der Titel spiegelt wider, was viele Argentinier denken: Der Papst wirke in Rom viel heiterer als zu seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires. Abraham Skorka, Rabbiner und persönlicher Freund von Franziskus:
"Es scheint, als hätte ihm sein Amt neue Energie verliehen. Sein Lächeln ist authentisch, wie alles an ihm. Der Papst ist zutiefst davon überzeugt, dass er eine positive Botschaft an die Menschheit aussenden muss, eine Botschaft der Hoffnung! Und dafür ist ein Lächeln nötig."
Abraham Skorka hat den Papst bereits drei Mal im Vatikan besucht – zuletzt im Januar gemeinsam mit anderen Vertretern der jüdischen Gemeinschaft Argentiniens. In Franziskus' erstem Amtsjahr sind unzählige seiner Landsleute nach Rom gepilgert: neben katholischen Geistlichen und Gläubigen eben auch Angehörige anderer Religionen, sowie Sportler, Gewerkschafter und, vor allem, Politiker.
"Das neue Gewicht der Katholischen Kirche in der argentinischen Gesellschaft ist unbestreitbar. Politiker aller Couleur, vor allem der Regierung, registrieren aufmerksam, was die Kirche zu sagen hat."
- meint der Direktor der katholischen Zeitschrift Criterio, José Maria Poirier. Bereits in Buenos Aires pflegte Jorge Bergoglio viele Kontakte zu Politikern – sein Verhältnis zu Präsidentin Cristina Kirchner und deren Vorgänger und Ehemann Nestor Kirchner war jedoch distanziert. Die Regierung störten die Predigten des Erzbischofs, in denen dieser gesellschaftliche Übel wie Armut und Korruption anprangerte.
Der Papst als Politikberater
Bergoglios Wahl zum Papst ließ Kirchner auf einen Kurs der Annäherung umschwenken. Nächsten Montag wird Franziskus sie zu einer Privataudienz empfangen – bereits das dritte Treffen zwischen Papst und Präsidentin. Der Journalist und Bergoglio-Kenner Washington Uranga:
"Mir ist zu Ohren gekommen, dass Franziskus gerne sagt: Passt auf die Präsidentin auf, betet für die Präsidentin, wenn sich argentinische Oppositionspolitiker bei ihm über Cristina Kirchner beklagen. Er reagiert verärgert auf Versuche, ihn in die argentinische Innenpolitik einzuspannen."
Ein Besuch des Papstes in seiner Heimat ist daher auch erst nach der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr geplant, voraussichtlich 2016. Hugo Portillo, ein junger Priesteramtsanwärter, hat Franziskus bei dessen letztem Südamerika-Besuch gesehen. Vom Auftritt des Papstes beim Weltjugendtreffen in Brasilien ist er noch immer beeindruckt:
"Als wir ihn dort gesehen haben, wirkte Franziskus geradezu erleuchtet!"
Dass Franziskus' Besuch ein rauschendes Fest wird, darf also erwartet werden.
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