Ein Jahr Cannabis-Gesetz

Trotz Rezept keinen Stoff

Eine Apothekentüte Cannabis auf einem Rezept.
Seit einem Jahr gibt es Cannabis auf Rezept © imago / STPP
Von Ernst Ludwig von Aster · 10.03.2018
Seit dem 10. März 2017 können Patienten in der Apotheke Cannabis kaufen, sofern der Arzt ein Rezept dafür ausstellt. Soweit die Theorie. Die Praxis sieht anders aus.
Maximilian Plenert ist einer von 13.000 Patienten, die vom Arzt ein Rezept für Cannabis bekommen haben.
"ADHS ist meine Diagnose. Und ich setze da jetzt seit vielen Jahren offiziell Cannabis ein. Früher musste man ja wirklich wegen seiner Therapie einen Antrag stellen, um diese überhaupt beziehen zu können. Von diesem Wahnsinn sind wir ja inzwischen Gott sei Dank weg."
Der 34-Jährige stapft die Wendeltreppe nach oben, zu seinem Büro. Das Cannabis gegen sein Hyperaktivitäts-Syndrom hilft, hat ihm schon vor Jahren ein Arzt bescheinigt. Da galt die Pflanze noch als Rauschmittel. Die Bundesopiumstelle erteilte eine Ausnahmegenehmigung. Plenert wurde einer von knapp 1000 Patienten mit einer offiziellen Lizenz zum Cannabisgebrauch. Seit einem Jahr aber gibt es Cannabis für alle Kranken auf Rezept.
"Auch ich habe dann einen Kassenarzt gefunden, der sich bereit erklärt hat, mir Cannabis zu verschrieben. Und dann ging der eigentliche Knackpunkt los: die Kostenerstattung."
Cannabis-Patient Plenert muss selbst bezahlen© Grenzgänger
Der Physiker greift in den Rucksack, zieht einen Stapel Unterlagen heraus. Schriftverkehr rund ums Rezept. Mit seiner Krankenkasse. Plenert hat einen Antrag gestellt, der wurde abgelehnt. Plenert legte Widerspruch ein.
"Dann hat es wieder sechs Monate gedauert, bis die Krankenkasse reagiert hat. Und dann hat der sogenannte Widerspruchsausschuß sich das nochmal angeguckt. Und kam zu Erkenntnis, dass sie immer noch nicht zahlen."

"Die Krankenkassen zahlen in 50 Prozent der Fälle nicht"

Genervt schüttelt Plenert den Kopf. Früher mit der Ausnahmegenehmigung musste er selber für seine Cannabis-Blüten in der Apotheke zahlen. Bis zu 500 Euro pro Monat waren da fällig. Heute hat er ein Rezept in der Tasche. Und muss immer noch selber zahlen. Allerdings erheblich mehr als früher.
Wenige Kilometer weiter, in einer Apotheke am Berliner Alexanderplatz, öffnet Peter Waßmuth einen schweren Safe. Geht in die Knie. Und greift zu einer kleinen, blauen Plastikdose: Pedanios 22/1, Sativa, 22 Prozent THC und unter ein Prozent Canabidiol - legaler Medizinalhanf. Die blauen Dosen kommen aus Kanada. Der Apotheker stellt sie zurück. Greift zu einer gelben Dose.
"Das sind die holländischen Sorten von der Firma Bedrocan, das hat auch 22 Prozent THC, in den Fünf-Gramm Dosen."
Seit fünf Jahren versorgt Waßmuth Kunden mit Cannabispräparaten. Anfänglich waren es nur eine Handvoll Patienten, wie Maximilian Plenert, die im Besitz einer Ausnahmegenehmigung waren.
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Seit einem Jahr gibt es Cannabis auf Rezept© Grenzgänger
Heute hat er Dutzende Kunden in seiner Datei. Es sind viele Schmerzpatienten, einige leiden an Multipler Sklerorse, andere an den Folgen von Krebserkrankungen. Aber der legale Stoff ist knapp.
"Das ist jetzt nicht so, dass ich jetzt anrufen kann beim Großhändler und sage, ich brauche irgendwie hundert Gramm Bedrocan, schick mir das Mal. Da schlagen die die Hände überm Kopf zusammen."
Auf dem Bildschirm erscheint das Cannabis-Angebot der Großhändler. 15 Positionen zeigt Waßmuths Orderliste. Bestellen kann er aber nur zwei bis drei Präparate. Der Markt ist leergefegt. Die Lieferungen aus dem Ausland stocken. Der Preis für die fünf Gramm Dosen ist im Einkauf stabil. Bloß im Verkauf hat er sich fast verdoppelt.

Der Markt ist leergefegt

"Vorher waren es bei uns 67,50 Euro und durch die Gesetzesänderung und die Verordnung sind es jetzt beim Bedrocan 113,05 Euro."
Denn seit der Legalisierung als Rezepturarzneimittel gilt automatisch eine Preisverordnung des Bundeswirtschaftsministeriums. Und die macht das Cannabis aus der Apotheke teuer.
Maximilian Plenert trifft sich regelmäßig mit anderen Patienten. 50 Prozent von ihnen, so schätzt er, bekommen eine Kostenübernahme.
"Damit man einen Anspruch auf diese Leistung hat, muss man eine 'schwerwiegende Erkrankung' haben. Was nun aber eine schwerwiegende Erkankung ist, ist nirgendwo festgelegt."
Ursprünglich stand einmal die Formulierung "schwerwiegend chronisch krank" im Gesetzesentwurf. Dann hätte Plenert als ADHS-Patienten seine sogenannte "Chronikerbescheinigung" weitergeholfen. Doch das Wort "chronisch" wurde gestrichen. So bleibt Plenert jetzt nur der Weg zum Spzialgericht.
Bis sein Fall entschieden wird, muss er weiter selber zahlen. Nur dass ihn seine Therapie jetzt doppelt soviel kostet als früher: mehr als 1000 Euro im Monat.
"Das Gesetz hat eigentlich dafür gesorgt, dass der Druck zugenommen hat, jetzt entweder selbst anzubauen oder sich auf dem Schwarzmarkt zu bedienen."
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