Ein Insider berichtet

13.06.2007
Der US-Amerikaner Joshua Key war Soldat im Irakkrieg. Sieben Monate lang beteiligte er sich an Folter und Mord. In "Ich bin ein Deserteur" wirft er einen Blick zurück auf seinen Einsatz und erhebt schwere Vorwürfe gegen seine Vorgesetzten.
Traut man den offiziellen Erfolgsmeldungen des amerikanischen Militärs, dann sind bisher 93.000 Terroristen im Irak getötet worden. Interviews dazu mit den US-Soldaten selbst sind hingegen verboten. Sein Schweigen gebrochen hat nun aber doch einer von ihnen, denn er ist desertiert und hat in Kanada Asyl beantragt: Joshua Key heißt er, und seine Geschichte hat er in einem Buch mit dem schlichten Titel "Ich bin ein Deserteur" zusammengefasst.

Joshua Key, Dienstrang Obergefreiter, war sieben Monate im Irak. Während dieser Zeit hat er nicht einen einzigen Terroristen gesehen. Keys Auftrag bestand darin, Gebäude zu bewachen und vor allem Hausdurchsuchungen durchzuführen, 200 insgesamt. Dabei wurden regelmäßig die durchsuchten Wohnungen verwüstet und auch geplündert, das heißt, Key hat wie seine Kameraden auch gestohlen, Bargeld, Sonnenbrillen, Schmuck und so weiter. Regelmäßig verhaftet wurden ausschließlich Minderjährige unter 16 Jahren oder auch geistig Behinderte zum Beispiel und verfrachtet in Gefängnisse wie Abu-Ghraib. Und Key hat mehr als einmal erlebt, dass Kinder bewusst erschossen wurden. Dabei handelte es sich nicht um sogenannte Übergriffe der Truppe, sondern Key wie seine Kameraden handelten auf Befehl, die Truppe wurde angehalten, so brutal wie möglich vorzugehen. Protest dagegen war undenkbar - allein wer einen Offizier auch nur anspricht, wird mit Streichung des Urlaubs oder mit Abzug vom Sold bestraft. Die Soldaten lernen bei der Ausbildung, dass jeder Muslim - in der Armee "Sandnigger" genannt - automatisch auch ein Terrorist sei und dass auch Kinder potenzielle Terroristen seien. Die Truppe handelt nach der Maxime: erst schießen, dann fragen. Jeder GI, so berichtet Key, kenne den Spruch: "Nimm einen Kinderspielplatz, füll ihn voll mit Kindern, wirf ein bisschen Napalm drauf, und grill dir dann n paar Rippchen." Pauschal gesagt, die Genfer Konvention scheint im Irakkrieg nicht zu existieren, Folter und ähnliches gehören zur Tagesordnung.

Key beschreibt das Auftreten der amerikanischen Truppen mit harten Worten, die Soldaten benähmen sich selbst wie "Terroristen", wie "Monster", als seien sie eine "Kraft des Bösen".

"Ich bin ein Deserteur" ist einzigartiges Zeitdokument, und es ist ein sehr menschliches, persönliches, aufrüttelndes Buch. Keys Erlebnisse im Irak machen nur ein Drittel des Buches aus. Im ersten Drittel lernt der Leser zunächst den Menschen Joshua Key kennen, dessen Kindheit in einer Bush-treuen Familie, und im letzten Drittel schildert Key seine Flucht nach Kanada mit Frau und drei Kindern. Keys Asylantrag wurde abgelehnt, das Berufungsverfahren läuft, wird er an die USA ausgeliefert, droht ihm die Todesstrafe.

Ein Kritiker hat geschrieben: "Ich bin ein Deserteur" sei ein Buch, das irgendwann einmal - wenn die Kriegsverbrechen des Irakkrieges aufgearbeitet sein werden - als Vorlage für einen Film wie "Apokalypse Now" dienen wird.

Rezensiert von Lutz Bunk

Joshua Key (Co-Autor: Lawrence Hill): Ich bin ein Deserteur. Mein Leben im Irakkrieg und meine Flucht aus der Armee
Übersetzt von Anne Emmert
Hoffmann und Campe Verlag 2007
255 Seiten, 19,95 Euro