Ein Hoch auf die egoistischen Großindustriellen

Von Tobias Wenzel · 14.08.2012
Die Autorin Ayn Rand gilt bis heute vielen Politikern und Ökonomen als Vorbild - dabei ist sie schon seit 20 Jahren tot. Die gebürtige Russin machte in ihrem berühmtesten Werk "Atlas Shrugged" Großindustrielle zu Helden, Gutmenschen zu Widersachern.
"Andere Menschen haben ein Herz. Sie sind mitfühlend. Sie können nicht ihr ganzes Leben in den Dienst von Metallen und Lokomotiven stellen. [...] Du hast noch nie das Geringste empfunden."
Das wirft James Taggart, Präsident einer kriselnden amerikanischen Eisenbahngesellschaft, seiner Schwester und Vizepräsidentin Dagny Taggart vor. Und die gibt auch noch zu, gefühllos zu sein. Allerdings ist nicht er, der Menschlichkeit einfordernde Unternehmer, der Held in Ayn Rands 1957 veröffentlichtem Roman "Atlas Shrugged", dt. "Der Streik", sondern die rational und egoistisch handelnde Dagny.

Ihre Schöpferin, Ayn Rand, wurde 1905 in Sankt Petersburg als Tochter deutschstämmiger Juden geboren, erlebte, wie ihre Eltern im Zuge der russischen Revolutionen enteignet wurden, emigrierte 1926 in die USA, arbeitete als Drehbuchautorin in Hollywood, bevor sie Romane schrieb und zur Bestsellerautorin wurde. Ihre heutige Gesamtauflage wird auf 25 Millionen Exemplare geschätzt. In Deutschland fast unbekannt, ist Ayn Rand in den USA ein Polit-Star.

Ihr Hauptwerk "Atlas Shrugged" gilt vielen US-Ökonomen wie auch Ex-Notenbank-Chef Alan Greenspan als die Bibel oder die philosophische Rechtfertigung des Kapitalismus. In ihrem 1200 Seiten starken ebenso zähen wie literarisch unbedeutenden Roman wälzt die Autorin ihre philosophische Theorie des Objektivismus aus. Die Helden des Romans sind die egoistischen Macher, die eigennützigen Großindustriellen, die Kraft des Verstandes die Welt voranbringen. Die Buhmänner sind die Figuren mit kommunistischen Ideen, Gutmenschen, Zauderer, Bürokraten, irrationale Figuren des Mittelmaßes, vermeintliche Sozialschmarotzer, die allesamt dem Untergang der Welt zuarbeiten.

In diesem Sinne erscheinen der ungebremste Kapitalismus und der rationale Egoismus als moralisch gut. Und so bezeichnen noch heute viele Wirtschaftsleute und Politiker in den USA die 1982 verstorbene Ayn Rand als ihr großes Vorbild.