Ein Herz für sanfte Riesen

Von Irene Meichsner · 26.12.2010
Wie ein Abenteuerroman in Fortsetzung wurde das Leben der amerikanischen Primatologin Dian Fossey skizziert, umtriebig im Einsatz für die Berggorillas Ruandas. Dieser Einsatz kostete sie das Leben: Am zweiten Weihnachtstag 1985 wurde sie in ihrem Forschungscamp in Ruanda ermordet.
Jörg Hess: "Dian Fossey war eine kontroverse Persönlichkeit. Sie war eine schwierige Persönlichkeit. Sie war auf der anderen Seite eine herzliche Persönlichkeit, dann, wenn sie mit jemandem zu Gang kam."

Der Baseler Zoologe Jörg Hess lernte Dian Fossey in ihrer Gorilla-Forschungsstation "Karisoke" im Nebelwald von Ruanda kennen. So rücksichtslos und unberechenbar die "einsame Frau des Waldes", wie die Afrikaner sie nannten, auch sein konnte - den Tieren näherte sie sich stets mit größtem Feingefühl. 1963, während einer privaten Safari, hatte sie im Kongo zum ersten Mal wilde Berggorillas gesehen.

"Plötzlich war die Luft erfüllt von einer Reihe schriller Schreie, gefolgt von dem rhythmischen Rondo scharfen Pok-pik-Brustgetrommels", schrieb Fossey 1983 in ihrem autobiografischen Bestseller "Gorillas im Nebel": "Wir lugten durch das Dickicht. Ich war ganz betroffen von der physischen Großartigkeit der riesigen, kohlschwarzen Körper vor den blassgrünen Farbschattierungen des dichten Laubwerks."

Seitdem träumte die Amerikanerin von einem Leben in Afrika. Hier forschte auch der berühmte Paläontologe Louis Leakey. Er suchte nach Fossilien von Urmenschen und hatte bereits Jane Goodall für eine Feldstudie mit Schimpansen angeheuert. Fossey kannte Leakey von ihrer Afrikareise. Und als sie ihn 1966 bei einem Vortrag in Louisville im US-Staat Kentucky wiedertraf, engagierte er die 34-Jährige als sein "Gorilla-Mädchen". Fossey kündigte ihren Job als Beschäftigungstherapeutin in einer Kinderklinik in Louisville und stürzte sich in das Abenteuer.

Ganz auf sich gestellt, verbrachte sie zunächst einige Monate in Kabara im Kongo, wo der Amerikaner George Schaller zum ersten Mal Gorillas in der Wildnis beobachtet hatte. Als sie in die Wirren des Bürgerkriegs geriet, kam sie nur knapp mit dem Leben davon. 1967 gründete sie dann im Bergregenwald von Ruanda auf rund 3000 Metern Höhe ihr eigenes Forschungs-Camp. Sie folgte den Gorillas in das unwegsame Gelände, studierte ihr Verhalten, ihre Familienstrukturen und Fressgewohnheiten, zählte ihre Bestände, lernte mit ihnen zu kommunizieren.

Dian Fossey war von der Sanftmut und Intelligenz der majestätischen, vermeintlich bösartigen Tiere fasziniert. Kurz vor ihrer Abreise nach Cambridge in England, wo sie ihr Zoologiestudium nachholen wollte, berührte ein Gorilla, den sie "Peanuts" getauft hatte, zärtlich ihre Hand.

Dian Fossey: "Soweit ich weiß, war dies das erste Mal, dass ein wilder Gorilla so dicht daran war, mit einem menschlichen Wesen 'Händchen zu halten'. Ich musste vor freudiger Erregung weinen."

Fosseys Arbeit wurde lange von der National Geographic Society finanziert. Sie spielte und schmuste mit den Berggorillas. Manche Forscher warfen ihr mangelnde Distanz und "Anthropomorphismus" vor – eine für unzulässig erachtete Übertragung menschlicher Gefühle auf das Tier. Jörg Hess hingegen meint, dass auch diese emotionale Seite zum Gesamtbild einer Gorillafamilie gehört.

"Ich sag das, weil ich hundertprozentig davon überzeugt bin, dass Wesen, die uns so nahe stehen, uns eben auch auf diesem Gebiet ungeheuer viel mitzuteilen haben."

Die Düsternis des Nebelwalds verstärkte Fosseys Neigung zu Stimmungsschwankungen. Sie mied die Afrikaner – und setzte sich leidenschaftlich für den Schutz der Gorillas ein. Wilderer, die gefangen genommen wurden, hat sie bedroht und geschlagen.

"Wir hatten uns im Nationalpark in Ruanda zu Oberaufsehern gemacht", erinnerte sich Alan Goodall, einer ihrer ehemaligen Studenten: "Es war, als wäre Ruanda unser privates Reich geworden, in dem wir den anderen gegenüber keine Verantwortung trugen."

Fossey forderte die Regierung von Ruanda auf, Wildhütern zu erlauben, flüchtende Wilderer zu erschießen. Am Ende hatte sie so viele Feinde, dass ihr gewaltsamer Tod auch Weggefährten nicht mehr überraschte. Kurz vor ihrem 54. Geburtstag wurde Fossey tot aufgefunden. Der Mörder war am 26. Dezember 1985 in ihre Hütte eingedrungen, hatte ihr mit ihrer eigenen Machete den Schädel gespalten. Die genauen Umstände wurden nie geklärt. Nach ihrem Tod wurde der Wildpark in Ruanda behutsam für Touristen geöffnet. Heute scheint das Überleben der Berggorillas vorerst gesichert zu sein. Das ist auch Dian Fossey zu verdanken, die ihr Herz an die sanften Riesen verlor.