Ein ehrenhafter Ganove

24.07.2008
Im Mittelpunkt des neuen Romans von Andrew Vachss steht ein junger Berufskrimineller, der nach Überfällen den Fluchtwagen fährt. Als er sich in die Freundin des Anführers verliebt, spitzt sich die Handlung zu. Der Amerikaner Vachss vertritt in seinem zweiten Beruf als Rechtsanwalt Kinder und Jugendliche - meist kostenlos und mitfinanziert durch seine Bücher.
Den Thriller-Fans dürfte er ein Begriff sein, der amerikanische Schriftsteller Andrew Vachss. Seine Kriminalromane wurden in 17 Sprachen übersetzt und international mit Preisen ausgezeichnet, 1989 sein Roman "Kata" mit dem Deutschen Krimi Preis. 16 Romane von Vachss sind in Deutschland erschienen, alle aus der Sicht von Kriminellen erzählt.

Andrew Vachss weiß, wovon er spricht: Er ist Rechtsanwalt, er ermittelte für das FBI, arbeitete als Sozialarbeiter und leitete eine Haftanstalt für gewalttätige Jugendliche.

Nun ist Vachss´ neuer Roman "Der Fahrer" in Deutschland erschienen. Hinter dem Titel "Der Fahrer" verbirgt sich Eddie, der Ich-Erzähler, ein Berufskrimineller, der darauf spezialisiert ist, bei einem Überfall den Fluchtwagen zu fahren. Eddie ist jung, sehr jung. Seine Eltern kennt er nicht, seine Kindheit hat er in Heimen verbracht. Schon als Kind ist Eddie besessen von der Idee, sich einfach in ein Auto zu setzen und wegzufahren. Als Jugendlicher knackt er Autos, wird mehrmals verhaftet, und mit Anfang 20 beginnt er seine kriminelle Karriere als professioneller Fluchtfahrer.

Eddie verliebt sich in Vonda, die junge Freundin des Anführers der Gang, für die er als Fluchtfahrer arbeitet. Vonda berichtet Eddie, dass sie in der Gang als Sexsklavin brutal misshandelt werde. Eddie fasst den Entschluss, Vonda zu befreien und das größte aller Tabus zu brechen: Eddie entschließt sich, zwei der Gang-Mitglieder zu töten, um Vonda von ihren Qualen zu erlösen. Was passiert, sei nicht verraten, aber es gibt einen Schlüsselsatz in "Der Fahrer": "Blut ist kein Weg." Ein "betörendes Buch", wie die "New York Times" schrieb in bester "Film noir"-Tradition, bis zur allerletzten Zeile.

Wie immer in den Romanen von Andrew Vachss stehen auch in diesem Roman Kinder bzw. kindliche Seelen im Vordergrund, die als Opfer in das Räderwerk aus Gewalt und Verbrechen geraten sind. Auch in seinem Berufs- und Privatleben hat Vacchs ausschließlich damit zu tun. Als Rechtsanwalt vertritt er grundsätzlich nur Kinder und Jugendliche, - meist kostenlos, mitfinanziert durch die Romane -, und Vachss betreibt seit vielen Jahren Aufklärungskampagnen gegen sexuellen Kindesmissbrauch. Er hat erreicht, dass in den USA neue Gesetze zum Schutz von Kindern erlassen worden sind.

Trotz der inhaltlich heftigen Themen erwartet den Leser keine gewalttätig brutale Lektüre, - im Gegenteil, und das ist das Wunderbare an Vachss. Wenn Vachss Gewalt beschreibt, dann deutet er nur an, teilt kurz das Notwendigste mit, damit der Leser informiert ist, mehr nicht: Die literarische Sprache seiner Romane ist immer gefiltert durch die Sprache seiner Helden, und das sind zwar immer Kriminelle, aber gleichzeitig eben auch Gutmenschen, ehrenhafte Ganoven mit Ethos und Moral, oft ehrenhafter als der Rest der Gesellschaft.

"Der Fahrer" ist stille, feine, liebenswerte, zarte Literatur, in der nicht Action oder Gewalt im Vordergrund stehen. Wir erleben die Welt des jungen Helden Eddie, der eigentlich glücklich ist: Er darf Autos fahren und lebt davon, - eine Form amerikanischer Outlaw-Idylle, die kollidiert mit einem Road-Movie á la "Denn sie wissen nicht, was sie tun". Spannung und ein Showdown sind also garantiert, aber in erster Linie bleibt "Der Fahrer" meditative Literatur, Zen-Literatur, die, dank des Übersetzers Georg Schmidt, ihre ruhige Authentizität bewahrt, "…, glatt wie Wasser über Felsen im Fluss". Meisterliche Krimiliteratur!

Rezensiert von Lutz Bunk

Andrew Vachss: "Der Fahrer".
Rowohlt Taschenbuch Verlag 2008, Hamburg,
223 Seiten, 8.95 €.
Übersetzt von Georg Schmidt.