Ein Comic rechnet mit dem Kolonialismus ab

15.04.2009
Peter van Dongens "Rampokan" ist ein mutiges Projekt. Der niederländische Autor und Zeichner erzählt von den Verheerungen der niederländischen Kolonialgeschichte in einem Comic-Roman, der sehr gekonnt traditionelle Elemente mit einer modernen Erzähltechnik verbindet.
Der "Rampokan" ist ein altes indonesisches Ritual. In der Mitte eines Platzes stehen Kisten mit ausgehungerten Tigern und Panthern, um sie herum ein Ring von Männern mit geweihten Lanzen. Die Raubtiere werden einer nach dem anderen freigelassen. Wenn die Tiere aus dem Ring auszubrechen versuchen, dann müssen die Männer sie mit ihren Lanzen töten. Sollte eine der Raubkatzen davonkommen, dann droht dem Land schweres Unglück.

In Peter van Dongens Geschichte entkommt ein Tiger beim Rampokan. Dieser umherschweifende, Unheil verkündende Tiger wird zur Generalmetapher des ganzen Comic-Romans. Das Unglück, das der geflohene Tiger symbolisiert, das trifft die Indonesier im Befreiungskampf gegen die Niederländer, in der Unversöhnlichkeit und Grausamkeit dieses Kampfes.

Im ersten "Rampokan"-Band "Java" hatte Peter van Dongen von dem jungen Niederländer Johann Knevel berichtet, der als Soldat nach Indonesien zurückkehrt. Knevel war dort groß geworden, in den Niederlanden hat er studiert, nun sucht er auf Java und Celebes nach seiner alten Heimat. Als er miterlebt, wie seine Truppe indonesische Gefangene kaltschnäuzig erschießt, desertiert er aus der Kolonialarmee. Johann Knevel schließt sich der Befreiungsbewegung an und gelangt mit einer kleinen Gruppe auf die Insel Celebes. Dort sollen sie die Versorgung der Aufständischen mit Waffen organisieren und den Kontakt zu einem untergetauchten Widerstandsführer herstellen. An diesem Punkt setzt die Handlung des zweiten "Rampokan"-Bandes "Celebes" ein.

"Celebes" ist vor allem eine Abenteuergeschichte, aber auch ein Liebesroman, eine Identitätssuche und eine Abrechnung mit dem niederländischen Kolonialismus. Die Action-Szenen sind von mystischen Bildern durchsetzt, immer wieder geistert der entkommene Rampokan-Tiger durch die Seiten. Johann Knevel sucht sein altes Kindermädchen, um über sie den Zugang zur Welt seiner Kindheit wiederzugewinnen. Seine Gruppe sucht im indonesischen Urwald nach einem einheimischen Priester, der das spirituelle Herz der Widerstandsbewegung sein soll. Knevels Truppe wird wiederum von einer Spezialeinheit der niederländischen Armee verfolgt, einer Einheit zur Bekämpfung der indonesischen "Terroristen". Diese Soldaten rotten ganze Dörfer aus, wenn sie den Verdacht haben, dass die Einheimischen mit der Widerstandsbewegung sympathisieren.

Peter van Dongen hat diese harte Geschichte im traditionellen Ligne-Claire-Stil gezeichnet, in dem Stil, den der belgische Comic-Gott Hergé geprägt hat. Van Dongen übernimmt die präzisen Konturen und die großflächige Kolorierung von Hergé, kombiniert sie aber mit modernen Einschüben, mit unkommentierten Traumsequenzen und Rätselbildern. Wie in allen guten Comic-Romanen gelingt ihm das Erzählen auf zwei sich gegenseitig kommentierenden Ebenen, im sparsam eingesetzten, eher assoziativen Text und in den ausdrucksstarken, suggestiven Bildern.

Der 1966 geborene Peter van Dongen hat 1990 seinen Erstling vorgelegt, den Band "Muizentheater" (Mäusetheater), der mit dem niederländischen Stripschapprijs für den besten Comic des Jahres ausgezeichnet wurde. Für seinen "Rampokan" hat van Dongen sich Zeit gelassen, acht Jahre lang hat er allein am ersten Band des Comic-Romans gearbeitet. Die Geschichte Indonesiens hat er durch die Erzählungen seiner chinesisch-indonesischen Mutter kennengelernt. Das Buch, das Peter van Dongen nach diesen Erzählungen geschrieben hat, gilt als einer der besten niederländischen Comics unserer Zeit.

Rezensiert von Frank Meyer

Peter van Dongen, Rampokan, Band 2: Celebes, Comic-Roman,
Avant Verlag, Berlin 2008, 88 Seiten, 17,95 Euro