Ein bestimmtes Gefühl von Stadt

Von Adolf Stock · 15.05.2007
Auf den Bildern von Kermit Berg ist die Entfernung zwischen New York, London und Berlin nur ein Katzensprung. Der amerikanische Fotokünstler verschränkt seine Reisebilder zum Beispiel von U-Bahnen digital ineinander. Berlin widmet Berg eine Retrospektive am Potsdamer Platz und im Ephraim-Palais.
Kermit Berg: "Als ich in den Neunzigern in Berlin wohnte, da habe ich die Berliner U Bahn entdeckt, und das war ganz, ganz anders eine Erfahrung für mich, weil in den Staaten, wenn wir U-Bahn hatten überhaupt, waren sie schwarz und verfallen und spät und laut und unangenehm insgesamt. Und hier hatten wir, in dieser Zeit dann natürlich eine U-Bahn, die ganz anders und im Gegenteil schön und ruhig war, und dann bin ich in diese Art und Weise von Verkehr ein bisschen verliebt geworden, und ich hatte keine Ahnung warum."

Umsteigen bitte!Der Aufforderung ist leicht nachzukommen, wenn man in Kermit Bergs Ausstellungen geht. Auf seinen Bildern ist die Distanz zwischen New York, London und Berlin nur ein Katzensprung. Die eigentliche Reise beginnt im Kopf des Künstlers und auf seinem Computer in New York, wo die vielen Reisebilder digital gespeichert sind. Kunst als grobe Mischung von Traum und Wirklichkeit. Gibt es das Graffito an der Wand wirklich oder hat es Kermit Berg erst später ins Bild gefügt?

"Ich arbeite jetzt mit Einzelbildern, die digital sozusagen gestapelt worden sind, und dann darf ich jede Ebene manipulieren, wie ich will und dann durchbrechen sozusagen durch diese verschiedenen Ebenen, und dann kriege ich am Ende einen Effekt, den ich haben will, und das ist immer teilweise weicher und teilweise schärfer vom Fokus, als was andere Fotografen heutzutage machen, aber das ist eine andere Stimme, die ich finden will."

Kermit Berg wurde 1951 in der Nähe von Chicago geboren. Seit den 90er Jahren beschäftigt er sich mit digitaler Fotokunst, die er ständig weiterentwickelt. Die 80 ausgestellten Bilder wurden zum Glück nicht chronologisch gehängt, sie wurden stattdessen thematisch locker gruppiert und lassen so unglaublich viele Assoziationen zu. Aber die künstlerische Entwicklung von Kermit Berg bleibt dennoch leicht nachvollziehbar.

Ausstellungskurator Andreas Teltow: "Bei seinen früheren Stadtbildern, die so aus der Mitte der 90er Jahre stammen, sieht man ja noch mehr Stadt an sich als Collage verarbeitet, als Materialbild könnte man beinahe sagen, und später, in den späteren Bildern kommt er immer mehr zur Abstraktion also fast zu ästhetischen und poetischen Lösungen."

Das Panorama "Umsteigen bitte" ist 20 Meter lang. Die Installation hat Kermit Berg eigens für den ovalen Raum im Zentrum der Ausstellung geschaffen. Es ist ein subtiler Fotoroman, eine Endlos-Collage, die in der New Yorker U-Bahn beginnt, plötzlich nach Berlin und London führt, um dann erneut in Manhattan und am Potsdamer Platz zu enden. Die urbane Geisterfahrt steht im spannungsreichen Kontrast zu der Rokoko- Pracht der Ausstellungsräume.

Kermit Berg: "Es gibt in Deutschland eine ganz berühmte Schule von Fotografen, die sehr exakte Bilder schaffen auf eine wunderbare Art und Weise, aber ich will anders arbeiten. Ich arbeite in Mappen und bleibe normalerweise bei einem Thema, und das ist in eine Art visionelle Tagebücher. Und jetzt arbeite ich mehr mit Einzelbildern oder im Endeffekt sehen sie wie Einzelbilder aus, aber es gibt immer ein Thema dabei, entweder von Farben oder von etwas anderem, was immer ziemlich formell ist."

Mit seinen neueren Bildern wird Kermit Berg zum Landschaftsmaler am falschen Ort. Er sucht die Schönheit in der Bewegung und hält sie fest. Die Bilder aus den neueren Mappen sind subtile Einzelgänger, Bilder eines urbanen Tagebuchs mit der Aura von Einsamkeit.

Ausstellungskurator Andreas Teltow: "Die ganzen technischen Mechanismen sind ja immer dabei, also es geht ja hauptsächlich um Verkehrsmittel. "Urban Transfer" heißt ja der Unter¬titel der Ausstellung auch noch, und das kommt da alles. Die ganze Technik der Stadt, und sie wird natürlich in den späteren Bildern immer abstrakter, da sieht man nur noch Details am Schluss, das ist dann weniger Dokument, das ist dann ein ästhetischer Ausdruck eines bestimmten Gefühls von Stadt."

Seit heute sind die riesigen Banner in den Potsdamer Platz Arkaden zu sehen. 20 Prozent der dort gezeigten Bilder sind ein Vorgriff auf künftige Arbeiten. Die Installation ist ein grandioser Hinweis auf die Ausstellung im Ephraim Palais, die morgen Abend eröffnet wird. Und vielleicht sind die Banner auch ein Zeichen, das Kermit Berg zu neuen Ufern führt, zu urbanen Installationen in monumentalen Räumen, jenseits des Kommerz.

Service:
Die Ausstellung Metropolis: Umsteigen bitte! wird in Berlin an zwei Orten gezeigt. Ab 15.5.2007 sind die riesigen Banner mit den Fotos von Kermit Berg im Erdgeschoss der Potsdamer Platz Arkaden zu sehen. Am Abend des 16. Mai 2007 wird im Ephraim-Palais, das zum Berliner Stadtmuseum gehört, die eigentliche Ausstellungmit 80 digitalen Collagen und Bildern eröffnet. Es sind Fotos eines ungewöhnlichen Künstlers, der die Metropolen bereist und den Mythos der Großstadt neu und eigenwillig belebt. Berlin widmet dem New Yorker Bilderpoet seine erste umfassende Retrospektive.