Ein ausgeglichener Haushalt als surreales Szenario

Von Theo Geers, Hauptstadtstudio · 31.10.2012
Seit 1969 verschuldet sich die Bundesrepublik Deutschland immer weiter. Und auch wenn jetzt die Steuereinnahmen sprudeln, fehlt wieder Geld. Es ist nicht einmal in Ansätzen erkennbar, welche Einsparungen die Koalition im kommenden Jahr plant, kommentiert Theo Geers.
Reinschauen ins gelobte Land durften schon Theo Waigel, Hans Eichel oder auch Peer Steinbrück, betreten hat es allerdings keiner von ihnen. Das gelobte Land, von dem hier die Rede ist, ist ein Deutschland, das beim Aufstellen des Bundeshaushalts ohne neue Schulden auskommt.

Tatsächlich gab es auch unter früheren Finanzministern Haushaltsplanungen, die sich über mehrere Jahre erstreckten und an deren Ende in Konturen dieses gelobten Landes mit null Neuverschuldung schemenhaft sichtbar wurde. Allein: Leider kam immer irgendwas dazwischen. In der Regel war es die Konjunktur, später machte die Bankenkrise einen dicken Strich durch die Rechnung.

So kommt es, dass dieses gelobte Land mit null Neuverschuldung seit 1969 für Deutsche ein unbekanntes Land ist. Mehr als eine Generation kennt es nur vom Hörensagen. Doch nun sind wir diesem gelobten Land so nah wie seit langem nicht mehr, wenn man der FDP und Teilen der Union glaubt. Dann dauert es nur noch zwei Jahre bis 2014. Dann wäre das fiskalpolitische Wunder vollbracht – die Neuverschuldung bei null. Allein: Es fehlt nicht nur der der Glaube in diesen finanzpolitischen Kraftakt, sondern auch der Glaube daran, warum diese Koalition ausgerechnet in ihrer Endphase dazu die Kraft aufbringen sollte oder könnte.

Wer steigende Steuereinnahmen benutzt, um wahrscheinlich an diesem Sonntag mit dem unsäglichen Betreuungsgeld neue strukturell wirksame Dauerausgaben zu beschließen, ist da einfach nicht glaubwürdig. Und wer die Schwierigkeiten beim Haushalt 2013 sieht, auf den wirken Ansagen, 2014 könne die Neuverschuldung bei null liegen, einfach surreal. Denn für solche Schimären fehlt schlicht die Grundlage.

Die neuen Zahlen aus der Steuerschätzung geben das so erst einmal nicht her. Ab nächstes Jahr ist Schluss mit immer kräftiger sprudelnden Steuerquellen, die Steuereinnahmen pendeln sich vielmehr auf das Normalmaß einer noch mäßig wachsenden Volkswirtschaft ein. Das wahre Problem liegt zudem auf der Ausgabenseite. Es ist nicht einmal in Ansätzen erkennbar, welche Einsparungen diese Koalition im kommenden Jahr, das ein Wahljahr ist, benennen will, um dann im Jahr 2014 die gut 14 Milliarden Euro einzusparen, die bislang noch als Neuverschuldung in den Haushaltsplanungen eingestellt sind. Von den Risiken der Haushaltsplanung in Zeiten wie diesen ganz zu schweigen.

Wer dem klassischen Grundsatz der Haushaltsklarheit und der Haushaltswahrheit folgt, erkennt sehr schnell, dass ausgabenträchtige Risiken, etwa für Griechenland, am Horizont deutlich realer sind als ein ausgeglichener Haushalt mit null Neuverschuldung. Zu wünschen wäre es ja, aber das, was diese Koalition haushaltspolitisch zusammen stoppelt, läuft nur auf eins hinaus: Die Staatseinnahmen steigen weiter, aber Geld hat der Finanzminister dennoch nicht übrig.