Ein Antikentraum in Technicolor

Von Katja Nicodemus · 08.11.2011
Als Monument des Monumentalfilms wird "Quo Vadis?" in die Filmgeschichte eingehen. Die Großproduktion mit Peter Ustinov als wahnsinnigem römischen Kaiser Nero ist außerdem einer der ersten Hollywood-Filme mit eigenem Merchandising.
Dies ist der Film, der uns daran erinnert, zu welcher Monumentalität sich der Monumentalfilm einmal aufschwingen konnte: "Quo Vadis" von Mervyn LeRoy. Ein Kinofilm, der es dem gerade aufkommenden Fernsehen richtig zeigen wollte. Ein kolossaler Antikentraum in Technicolor, aus historischen Fakten, überbordender Kulissenfantasie, römischen Sandalen, und schweißglänzenden Legionären. Eine Großproduktion, mit beispiellosem Aufwand in Roms Cinecittà gedreht: 35.000 Statisten, 29 Hauptdarsteller, 110 Sprechrollen, 250 Pferde, 85 Tauben, 63 Löwen, 7 Stiere, 2 Geparden. Und im Zentrum: Peter Ustinov als gottgleicher Kaiser Nero mit verweichlichten Zügen und leiernder Stimme.

"Quo Vadis" nach dem gleichnamigen Bestseller von Henryk Sienkiewicz spielt im Jahr 64 nach Christi Geburt. Nach seiner Rückkehr von einem siegreichen Feldzug verliebt sich der römische Feldherr Marcus Vinicius in die schöne Sklavin Lygia. Wie sich herausstellt ist sie heimliche Christin. Robert Taylor und die damals noch fast unbekannte Deborah Kerr spielen dieses Paar, das schon bei seiner ersten Begegnung schnurstracks zu den emanzipatorischen Fragen der Antike vordringt:

" Marcus Vicinius: "Ich wollte du wärst eine Sklavin wie ich dachte. Ich hätte ein königliches Lösegeld geboten für eine Königstochter."
Lygia: "Und mich auf euer Gut nach Sizilien geschickt? Mit all den anderen?"
Marcus Vicinius: "Auf einem eigenen Schiff!"
Lygia: "Welch eine Art für einen Eroberer, eine Frau zu gewinnen. Sie zu kaufen wie ein willenloses Stück Vieh. Was für eine trügerische Sicherheit müsst Ihr in Herz und Seele haben. In eurer Männlichkeit, Marcus Vinicius!""Quo Vadis", am 8. November 1951 in den amerikanischen Kinos angelaufen, wurde zu einem Welterfolg und ist ein Historienfilm mit doppeltem Gesicht. Er blickt durch das alte Rom in die Gegenwart der Vereinigten Staaten, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg neu finden mussten. Und er stellt die Frage nach den Wegen und Mitteln einer Supermacht.

Der Triumphzug, mit dem Marcus Vinicius' Legionen zu Beginn in Rom einziehen, ist eine Demonstration der Unbesiegbarkeit. Gefeiert wird ein martialisch auftretendes Militär, die große Geste, ein Volk als Beherrscher des Planeten. Im Laufe der dreistündigen Handlung wird die Invasionspolitik des Imperiums jedoch immer kritischer beleuchtet:

"Vinicius: "Eroberung, was ist denn Eroberung? Der einzige Weg, um die Welt unter einer Macht zu vereinen und zu zivilisieren. Das geht nicht ohne Blutvergießen!"
Lygia: "Nein! Es gibt einen edleren und doch machtvollen Weg, das zu erreichen. Ohne Blutvergießen und ohne Krieg. Ohne Sklaven und Gefangene, die mit Ketten an euren Triumphwagen gefesselt sind."

Krieg oder Diplomatie? Unterjochung oder friedliches Zusammenleben? Angesichts der Kultur- und Religionskämpfe unserer Zeit bekommt das Drehbuch von "Quo Vadis" eine überraschend aktuelle Ebene. Doch das Monumentalwerk steht auch auf zeitlose Weise für sich selbst: Mit seinem großartigen Christen- und Erlösungskitsch, mit seinem Ausstattungswahn, mit seinen Palastschranzen von shakespearischer Perfidie und mit Peter Ustinovs Nero, einer Herrscher-Figur, die zur ewigen Fratze der Dekadenz geworden ist:

"Petronius: "Ihr seid die Sonne an ihrem Himmel, hat die Sonne ein Leben für sich?"
Nero: "Die Sonne hat die Nacht, aber ich soll immer scheinen, jeden Tag, jede Stunde. Und für wen? Für diesen Pöbel! Für diesen faulen, stinkenden Pöbel.""

Es bleibt nicht aus, dass ein so größenwahnsinnig daher kommender Historienfilm wie "Quo Vadis" nach sechzig Jahren auch Momente unfreiwilliger Komik entwickelt. So scheint es, als sei der Hollywood-Schönling Robert Taylor im Legionärsröckchen und mit Brustpanzer von einem Kostümball in den Film gespült worden. Auch ein Kurzauftritt von Jesus wirkt ein wenig deplaziert. Aber es gibt auch eine ganz eigenständige Drehbuchironie. Etwa wenn Vinicius herausfindet, dass er eine der von seinem Kaiser verfolgten Christinnen liebt:

"Petronius: "Mein armer Markus, das ist wohl eine Komödie, du hast das Ei in einem Christennest aufgestöbert! Sie ist Christin." -
Marcus Vicinius: "Christen? Sind das die, die so einen toten Zimmermann anbeten?""

Auch in kommerzieller Hinsicht schrieb "Quo Vadis" Kinogeschichte. Zum ersten Mal wurden bei einer Großproduktion offensive Nebengeschäfte betrieben: Als der Film herauskam, verkaufte man Boxershorts mit einem Muster aus römischen Speeren, Quo-Vadis-Pyjamas und -Tapeten, römische Haarteile, und - angesichts des auf der Leinwand brennenden Roms - sogar Feuerversicherungen.
"Quo Vadis?" oder übersetzt: "Wohin gehst du?" Das Hollywood des Monumentalkinos wusste schon damals genau wo der Hase lang läuft.

"Quo Vadis" - Warner Brothers, 167 Minuten, 2 DVDs inklusive der Dokumentation: "Am Anfang: 'Quo Vadis' und die Genesis eines biblischen Epos.
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