Effektive Finanz-Aufsicht ist "Gütesiegel"

Manfred Weber im Gespräch mit Christopher Ricke · 02.04.2009
Mit Blick auf den G20-Gipfel in London hat der Bundesverband Deutscher Banken die Forderung nach einer umfassenden Finanzmarktaufsicht unterstützt. Es sei richtig, dass künftig kein Finanzplatz, Marktteilnehmer oder Finanzprodukt mehr unbeaufsichtigt sein dürfe, sagte Hauptgeschäftsführer Manfred Weber.
Christopher Ricke: Die Staats- und Regierungschefs der großen 20 beraten in London über eine Reform des Weltfinanzsystems, und das werden schwierige Gespräche. Umstritten ist unter anderem die von Deutschland und Frankreich vehement geforderte strengere Regulierung der Finanzmärkte. Die Bundeskanzlerin, Angela Merkel, und der französische Präsident, Nicolas Sarkozy, haben noch mal nachgelegt. Sie haben sehr deutlich gesagt, dass sie bindende Beschlüsse anstreben.
Bringen wir diese politischen Gespräche direkt in die Alltagswelt der Finanziers und der Banker: mit Manfred Weber, dem Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Banken. Guten Morgen, Herr Weber.

Manfred Weber: Guten Morgen, Herr Ricke.

Ricke: Sind Sie denn ganz bei der Kanzlerin? Wollen auch Sie diese strengen Regelungen, oder hätten Sie es gerne etwas lockerer?

Weber: Nein, wir haben es noch nie gerne etwas lockerer gehabt. Eine effektive Finanzmarktaufsicht, eine effektive Bankenaufsicht, so unser altes Credo, ist geradezu ein Gütesiegel für den Finanzplatz. Das heißt nicht, dass man überziehen soll mit der Regulierung, mit der Bürokratie, aber laxe Aufsicht, lockere Aufsicht kann nicht die Devise sein, auch nicht im internationalen Maßstab.

Ricke: Lax und locker wird das in den USA oder in London niemand nennen, aber dort spricht man von etwas mehr Freiheit. Glauben Sie, dass sich Deutschland und Frankreich durchsetzen werden können?

Weber: Ich bin hier durchaus nach wie vor optimistisch. Es hat ja im Vorfeld des Gipfels sowohl in Großbritannien wie auch in den USA durchaus Stimmen, namhafte Stimmen bis hin zum amerikanischen Präsidenten gegeben, die sich eigentlich die Maxime zu eigen gemacht haben, die auch von der Bundesregierung ausgegeben worden ist, nämlich dass es künftig keinen Marktteilnehmer, keinen Finanzmarkt und kein Finanzprodukt mehr geben soll, das nicht angemessen beaufsichtigt ist. Ich glaube, das ist der richtige Grundsatz. Den gilt es umzusetzen - da ist auch noch viel Detailarbeit erforderlich -, aber der muss auf dem G20-Gipfel Unterstützung finden.

Ricke: Heißt das auch, die Sümpfe in den Steueroasen endgültig trockenlegen?

Weber: Da soll man die Dinge etwas auseinanderhalten. Ich verstehe die politische Motivation, die Finanzmarktkrise dazu zu nutzen, das Problem der Steueroasen zu lösen. Ich unterstütze das auch. Steuerhinterziehung ist nicht akzeptabel, egal wo sie passiert, in welcher Form sie oder von wem sie passiert. Es gilt also auch für das Inland. Ein bisschen aus dem Blick geraten ist die weit verbreitete Schwarzarbeit. Das aber nur am Rande.
Ansonsten haben die Steueroasen vielleicht auch am Rande mit der Finanzmarktkrise zu tun. Sie sind jedenfalls kein elementarer Bestandteil. Aber noch einmal: Steuergerechtigkeit setzt voraus, dass man Steuergesetze auch breit durchhält und dass man nicht diese Möglichkeiten bietet, wenn sie denn genutzt werden sollten. Also gehen wir ruhig dagegen vor, in angemessener Weise, und das schließt für mich auch den angemessenen Ton ein.

Ricke: Wie haben Sie das denn Ihren Kollegen erklärt, die ja doch ganz gerne auch zahlreiche Filialen in den Steueroasen betreiben?

Weber: Da muss man zwei Dinge auseinanderhalten. Sie können nicht eine sogenannte Steueroase automatisch mit Steuerhinterziehung gleichsetzen. Es gibt teilweise durchaus andere gute Gründe - zu den Steueroasen wurde ja auch die Schweiz, wurde Luxemburg gezählt -, dass sie dort Bankverbindungen für Kunden unterhalten. Das fängt mit ganz normalen Wirtschaftsbeziehungen dieser Unternehmen an, und hier sollte man nicht alle pauschal unter den Generalverdacht der Steuerhinterziehung stellen.

Ricke: Jetzt schauen wir alle nach London, auf den Weltfinanzgipfel, aber die Probleme, die gibt es natürlich allerorten und da sind auch die Banken ein bisschen in der Pflicht. Die Banken kriegen jetzt klare Regeln, die Banken werden von Risiken abgeschirmt, es gibt Bürgschaften, der Steuerzahler übernimmt Risiken, und dennoch gibt es nach wie vor die Angst, dass das Schmiermittel des Welthandels, also der Kredit, doch wieder nicht zurückgezahlt wird, und es gibt eine zögerliche Vergabe und man hat schon den Eindruck, dass die Banken auf der Bremse stehen. Wird der G20-Gipfel in London jetzt auch ein Startschuss sein für eine neue Kreditkultur der Banken?

Weber: Wir brauchen eine neue Kreditkultur in etwas anderer Hinsicht, nämlich insofern, als die Risiken genauer als in der Vergangenheit in den Blick genommen werden. Das war ja mit ein Teil der Ursachen der Finanzmarktkrise, Herr Ricke, dass dies eben nicht geschehen ist. Und Risiko – auch das muss man in aller Deutlichkeit sagen – hat dann auch seinen Preis. Wir sind bisher in Deutschland hier noch ganz gut durch die Krise gekommen, was die Kreditvergabe angeht. Die verlässlichen Zahlen kommen hier von der Deutschen Bundesbank. Wir haben noch bis zum vierten Quartal letzten Jahres eine Ausweitung von neuen acht Prozent in den einzelnen Monaten gehabt. Das ist angesichts des scharfen Wirtschaftseinbruchs, den wir erleben mussten, der ja auch mit einer rückläufigen Nachfrage nach Krediten einhergeht, eine beachtlich hohe Zahl. Im Übrigen: die privaten Banken liegen hier eindeutig an der Spitze mit elf Prozent.
Es ist in einzelnen Teilbereichen schwierig geworden, zum Beispiel was langfristige Kredite angeht. Das hängt damit zusammen, dass uns Banken auch langfristiges Geld nicht mehr so zufließt wie in der Vergangenheit. Einige institutionelle Investoren kaufen dafür lieber Bundesanleihen. Da muss sich noch etwas normalisieren. Aber wir haben keine allgemeine Kreditklemme. Das ist ein Problem beispielsweise im Vereinigten Königreich, beispielsweise in den USA, und ich denke, wir müssen alles tun, dass wir in Deutschland nicht dort hinkommen.

Ricke: Im Prinzip ist das Geld zurzeit ja billig und während der G20-Gipfel in London tagt, wird die Europäische Zentralbank heute um 13:45 Uhr ihre Zinsentscheidung vorlegen. Gehen Sie davon aus, dass auch mit Rücksicht auf die politischen Gespräche wenig passieren wird?

Weber: Das würde ich gerne der Europäischen Zentralbank überlassen. Ich glaube, sie braucht da meine öffentlichen Ratschläge jedenfalls nicht. Sie hat bisher sehr gute Arbeit geleistet. Da ist auch noch Pulver vorhanden, wenn zinspolitisch nachgelegt werden muss. Es hat in der letzten Zeit ja durchaus Andeutungen gegeben, dass wir in der nächsten Zeit noch mal mit einem Zinsschritt rechnen können. Es sieht schon etwas schwieriger aus in Amerika wieder und in den Vereinigten Staaten, wo man mit den Notenbankzinsen praktisch fast an der Null-Linie angekommen ist und man sich andere Maßnahmen überlegt, die allenfalls zu rechtfertigen sind vor dem Hintergrund der außergewöhnlichen Schwierigkeiten, nämlich zum Beispiel eine direkte Staatsfinanzierung. Wir dürfen ja auch nicht aus dem Blick verlieren: Alles, was wir heute machen, hat längerfristige Auswirkungen und wir müssen aufpassen, dass wir nicht in das Problem der Inflation hineinlaufen, und wir müssen aufpassen, dass die Staatsverschuldung nicht Überhand nimmt.

Ricke: Manfred Weber, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Banken. Vielen Dank, Herr Weber.

Weber: Ich danke Ihnen.