Edward St. Aubyn: "Dunbar und seine Töchter"

Geld, Gier und Verrat

Buchcover Edward St. Aubyn: "Dunbar und seine Töchter" Roman
Bei Edward St. Aubyn wurde aus "König Lear" ein Medienmogul. © Knaus Verlag / picture alliance / dpa / Maurizio Gambarini
Von Gabriele von Arnim · 24.01.2018
Zwei Töchter wollen an die Macht und die Millionen ihres Vaters. In die Quere kommt ihnen dabei jedoch die dritte Tochter. - Edward St. Aubyn hat mit "Dunbar und seine Töchter" Shakespeares "König Lear" neu interpretiert.
Aus Anlass des 400. Todestages von William Shakespeare im Jahre 2016 hat die Hogarth Press in London - einst gegründet von Virginia und Leonard Woolf - acht Schriftstellerinnen und Schriftsteller gebeten, eines der Shakespeare-Dramen in einem zeitgenössischen Roman neu zu erzählen. Edward St. Aubyn hat King Lear gewählt. Jetzt liegt das Werk auch auf Deutsch vor, unter dem Titel "Dunbar und seine Töchter".
Dunbar heißt unser Lear und hat einen gigantischen Medienkonzern aufgebaut. Hat weltweit mit allen fiesen Methoden operiert, die wohl üblich sind, wenn Unternehmen allein als Geldspuckmaschinen funktionieren sollen. Hat meisterhaft gedroht, intrigiert, mit Haifischmaul Firmen geschnappt und geschluckt und dabei Menschen in den Ruin und Börsenwerte in die Höhe getrieben. Und auf einmal findet sich dieser Mann in einer psychiatrischen Anstalt wieder. Eingewiesen von seinen beiden älteren Töchtern. Auf Anraten seines langjährigen Leibarztes, den die skandalösen Erbinnen reichlich dafür entlohnt haben.

Sadistische Teufelinnen

Edward St. Aubyn hat sich mit Verve und kenntnisreich in die Welt der Geldgier, des Verrats und auch des Mordes um des schnöden Mammons willen hineingeschrieben. Zwei Töchter (und manche andere in ihrer Umgebung) wollen an die Macht und an die Millionen, und St. Aubyn hat wahre Schätzchen der Widerlichkeit erschaffen: Hassende, zynische, nymphomanische, sadistische Teufelinnen, die so grenzenlos sind in ihrer Gewissenlosigkeit, dass sie fast zur Parodie entarten. Aber zugleich doch in vielem so real erscheinen, dass man lesend schaudert.
Und dann gibt es, wir sind ja bei Shakespeare, natürlich noch die dritte Tochter, die gute, die für Anstand steht. Florence heißt sie hier (wir sollen wohl an die wohltätige Florence Nightingale denken) und wurde einst vom Vater weitgehend enterbt, weil sie sich erdreistet hatte, nicht in die Firma, sondern ihren eigenen Weg zu gehen. Doch sie hat genug Geld von ihrer Mutter geerbt, um Dunbar weiter lieben zu können. Als sie nun von der Entführung des Vaters hört, macht sie sich sorgenvoll auf die Suche nach ihm, der - inzwischen der Klinik entkommen - mutterseelenallein durch schneeverwehte Berge irrt.

Märchenhafte Läuterung

Die Schwestern machen Jagd auf den Alten. Natürlich haben zwischendrin ein paar Leute die Seiten gewechselt und Informationen hierhin und dorthin weiter gegeben. Der Roman schwelgt wonnevoll in Verrat und Opportunismus und erzählt zugleich fast amüsiert von Florence' verzeihender Güte und bannend von Dunbars märchenhafter Läuterung. Der alte Medienmogul mutiert zum Menschen. Halluzinierend in Eiseskälte und Einsamkeit begreift er auf einmal, was er im Leben versäumt hat, wie er Florence nicht erkannt und schon gar nicht anerkannt hat, wie unfassbar er am Leben vorbeigeschritten ist, um auf dem Vulkan der Macht zu tanzen.
Das sind großartig lodernde Szenen zwischen tränenreicher Erleuchtung und schauerlich fantastischer Geistesverwirrung - geschrieben mit einer ekstatischen Wucht, die mitreißt – mal in die Wirklichkeit, mal in den Wahn. Und auf beiden Wegen folgt man St. Aubyn mit Vergnügen.

Edward St. Aubyn: "Dunbar und seine Töchter"
Aus dem Englischen von Nikolaus Hansen
Knaus Verlag, München 2018
254 Seiten, 20 Euro