Echo-Lokalisation

Orientierung durch Klicklaute

Ein blinder Mann ertastet mit seinem Langstock den Weg.
Ein blinder Mann ertastet mit seinem Langstock den Weg. © picture-alliance / dpa / Maurizio Gambarini
Von Stephanie Kowalewski · 19.04.2014
Fledermäuse und Delfine nutzen die Echoortung, um sich zu orientieren und sich ein Bild von ihrer Umgebung zu machen. Eine Fähigkeit, die offenbar auch blinde Menschen haben. So können sich einige Blinde mit Hilfe von Klicklauten und deren Echos relativ frei Bewegen. Ganz langsam verbreitet sich die Methode der Echoortung auch hierzulande.
"So, Pascal, ich dreh dich jetzt mal zu der Wand hin und dann klick mal" / Klick / "Hörst du die Wand?" / "Hm." / "Ok."
Pascal ist blind und besucht die LVR-Severinschule mit dem Förderschwerpunkt Sehen in Köln. Hier übt der 10-Jährige zusammen mit dem Mobilitätstrainer Klaus Mönkemeyer wie er sich mit Hilfe von Klicksonar zum Beispiel auf dem Schulhof orientieren kann.
"Was haben wir hier?" / Klick / "Nix! Das ist der Schulhof, das ist nix. Und das hier klingt nach der Wand, ne. Hm. So, dann geh mal zu der Wand hin und bleib kurz vor der Wand stehen." /Klick / "Ohne die Wand zu berühren." / Klick
Durch das Klicken kann der blinde Junge die Wand auch aus 15 Meter Entfernung hören. Unter ständigem Klicken bewegt er sich nun auf sie zu. Pascal geht zügig, stockt nicht, hebt nicht schützend oder tastend die Hände vor den Körper. Dann bleibt er stehen.
"Streck mal die Hand nach vorne." / "Da." / "Zehn Zentimeter."
Pascal hat sich mithilfe des Schalls orientiert, das sein Klicken erzeugt hat, erklärt Klaus Mönkemeyer. Er ist einer der wenigen Mobilitätstrainer in Deutschland, die Blinden diese Methode beibringen.
Mönkemeyer: "Dabei produziert er ein paar Klicklaute mit der Zunge – (Klickt) - und dieser Ton wird gegen eine Wand geworfen, zurück reflektiert und als Echo wahrgenommen. Deswegen sprechen wir auch von Echo-Lokalisation, also Dinge im Raum verorten zu können mithilfe eines selbst erzeugten Geräusches.Das heißt, wenn ich das Echo in eine weite Fläche, hier ist es der Schulhof, hinausschicke, hat es eine wesentlich längere Laufzeit bis es wieder zurückkommt, als wenn ich direkt vor einer Wand stehe."
Gutes Echo durch klaren Klang
Für ein gutes Echo, scheint es hilfreich zu sein, wenn der selbst erzeugte Ton einen klaren, hellen Klang hat, denn dann kann er gut relfektiert werden. Zwar sind die selbst erzeugten Klicks erfahrungsgemäß am besten zur Orientierung geeignet, aber es geht auch mit enem künstlich erzeugten Laut, wie etwa durch einen Klick-Frosch.
Das Echo, das die Blinden hören, wird aber nicht wie bei Sehenden im auditiven Areal des Gehirns verarbeitet, sondern es löst im Gehirn ein dem Sehen ähnliches Phänomen aus. Das konnten Neuroforscher durch Beobachtungen im Magnetresonanztomografen zeigen.
Mönkemeyer: "Da hat man herausgefunden, dass bei blinden Menschen,wenn sie ein Echo produzieren, und nur wenn sie ein Echo produzieren, im visuellen Cortex, also in dem Bereich der Hirnrinde, mit der wir normalerweise sehen, Aktivitäten nachweisbar sind."
Warum die Echoortung im visuellen Cortex verarbeitet wird ist den Forschern noch ein Rätsel. Vielleicht weil diese Hirnregion bei Blinden - vereinfacht ausgedrückt -noch genügend Kapazität bietet. Möglich ist aber auch, dass der visuelle Cortex gerenerell für die räumliche Wahrnehmung zuständig ist. Klar ist jedoch, dass seine Vernetzung besser ist, je früher die Blinden die Echo-Ortung einsetzten.
Mönkemeyer: Klick / "Wir können jetzt mal nach links rausgehen, Jason, und klick dich mal da durch die Tür." / Klick
Während Pascal die Echo-Lokalisation erst seit Kurzem übt, nutzt Jason sie schon sein Leben lang. Der Achtjährige findet durch die Klicks in Sekundenschnelle die schmale Öffnung in einem großen Tor aus Metallstäben. Er hört das, was andere sehen. Da wo ander eine offene Türe sehen, hört Jason – nichts:
"Wie zum Beispiel, wenn du siehst, dass da weit gar nichts ist."
Zu erklären ist das schwer, sagt er. So normal ist das für ihn. Wie auch sein blinder Bruder setzt Jason die Echoortung ganz selbstverständlich im Alltag ein, um sich zu orientieren.
Mechthild Conrady leitet den offenen Ganztag in der Severinschule und ist fasziniert davon, wie sich die blinden Geschwister bewegen:
"Die fahren mit Dreirädern über den Schulhof, indem sie schnalzen und klicken und brauchen nicht unsere Unterstützung. Sie haben überhaupt kein Problem, wenn sie auf Gegenstände zufahren."
Die anderen blinden Kinder fahren - wenn überhaupt – nur sehr langsam und vorsichtig. Für Jason hat die Orientierung mit Klicksonar den großen Vorteil:
"Dass man früher weiß, ob da was ist."
Denn schon etliche Meter vor einem Objekt, kann er wahrnehmen, ob ihm etwas im Weg steht, sagt Jason:
"Und wenn ich von Weitem was höre, weiß ich nicht ob da eine Wand oder ein Auto oder eine Stange oder so ist. Aber wenn ich näher komme, weiß ich es. Aber ich weiß nicht das Material."
Freiere Bewegung mit Klick-Sonar
Sehr geübte Blinde können sogar am Klang des Echos erkennen, ob der Gegenstand zum Beispiel aus Holz, Glas oder Metall ist. Das ist für Jason aber gar nicht so wichtig. Das Klicken ermöglicht ihm auch so quasi das Sehen auf Distanz. Für den unmittelbaren Nahbereich vor seinen Füßen ist weiterhin der weiße Langstock notwendig, denn Unebenheiten im Boden oder sehr niedrige Gegenstände können nicht durch ein Echo wahrgenommen werden. Dennoch können sich die blinden Menschen durch Klick-Sonar freier bewegen und einen deutlich größeren Radius abscannen, als allein mit dem Blindenstock. Selbst kleine Gegenstände wie etwa eine Wasserflasche auf einem Tisch, können mit Hilfe der Klicklaute wahrgenommen werden.
Mechthild Conrady von der Severinschule in Köln sieht nur Vorteile in der Methode:
"Sie haben viel mehr Selbstbewußtsein hier auch durchs Schulhaus zu gehen, sie gehen sehr zügig, der Horizont wird erweitert, das Raumgefühl wird größer. Es ist ein großer Vorteil für die Kinder."
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