Durchsuchung des Goethe-Instituts in Novosibirsk überraschend abgesagt

Johannes Ebert im Gespräch mit Joachim Scholl · 28.03.2013
Seit Tagen sorgen Behörden in Russland mit Durchsuchungen bei politischen Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen für Aufsehen. Warum die angekündigte Untersuchung des Goethe-Instituts kurzfristig abgesagt wurde, sei unklar, sagt Generalsekretär Johannes Ebert. Vielleicht sei den Fahndern aber bewusst geworden, dass die Einrichtung auf Basis zwischenstaatlicher Abkommen arbeite und damit einen anderen Status habe.
Joachim Scholl: Seit Tagen bekommen Nichtregierungsorganisationen in Russland Besuch. Überprüfungen sollen es sein, auch deutsche Stiftungen wurden durchsucht, Computer beschlagnahmt, was scharfen Protest der Bundesregierung ausgelöst hat. Scheinbar unbeeindruckt hatten die russischen Behörden angekündigt, heute das Goethe-Institut in Novosibirsk zu durchsuchen. Diese Durchsuchung wurde jetzt aber abgesagt. Am Telefon ist jetzt der Generalsekretär des Goethe-Instituts Johannes Ebert, ein besonderer Kenner Russlands auch, er war bis 2012 fünf Jahre lang Leiter der Region Osteuropa von Moskau aus. Guten Morgen, Herr Ebert!

Johannes Ebert: Guten Morgen, Herr Scholl!

Scholl: In Sibirien ist schon Nachmittag. Wann und von wem haben Sie erfahren, dass die Aktion in Novosibirsk abgeblasen wird?

Ebert: Ja, wir haben heute Morgen um 4:00 Uhr eine Mail unserer Institutsleiterin dort bekommen, dass die Untersuchung eben abgesagt worden ist. Wir waren da natürlich sehr erleichtert. Wir waren heute Morgen schon seit 7:00 Uhr im Büro und haben das dann mit großer Erleichterung gelesen.

Scholl: Wissen Sie, warum die Durchsuchung abgesagt wurde?

Ebert: Nein, das wissen wir nicht. Also, wir haben natürlich, nachdem das mit den Stiftungen passiert, gab es ja auf unterschiedlicher Ebene Bemühungen, solche Dinge zu vermeiden oder klarzumachen, dass das wirklich nicht angemessen ist. Also, Sie wissen ja, der Außenminister hat den Botschafter einbestellt und natürlich hat auch die Botschaft Moskau auf ihrer Ebene interveniert und mit dem Außenministerium gesprochen. Und wir sind natürlich auch gut vernetzt in Novosibirsk und vor Ort. Aber was letztendlich zu dieser Absage geführt hat, das können wir nicht genau nachvollziehen.

Scholl: Also, Sie wissen nicht, wer jetzt heute Nacht hier interveniert hat von der deutschen Bundesregierung, vom Außenministerium?

Ebert: Nein, wir wissen es nicht. Also, das heißt, es gibt zwei Aspekte aus meiner Sicht. Erstens wurde, wie gesagt, nach den bedauerlichen Zwischenfällen bei den Stiftungen interveniert, auf verschiedenen Ebenen, und vielleicht hat auch die konzertierte Aktion dann ein Ergebnis gehabt. Und es gibt natürlich auch, wir arbeiten natürlich auf einer anderen Basis, was vielleicht der Staatsanwaltschaft gar nicht so klar war.

Scholl: Konnten Sie denn den Russen klarmachen, dass es sich beim Goethe-Institut nicht um eine Nichtregierungsorganisation, sondern um eine staatliche Einrichtung der Bundesrepublik handelt? Hat das vielleicht gewirkt?

Ebert: Also, das Goethe-Institut ist keine staatliche Einrichtung der Bundesregierung, sondern ist ein eingetragener Verein, der in einem Rahmenvertrag mit dem bundesdeutschen Außenministerium die operative Kultur- und Bildungsarbeit im Ausland macht. Wir sind keine Bundeseinrichtung. Aber wir sind – und da haben Sie recht –, wir arbeiten auf der Basis von zwischenstaatlichen Abkommen, also auf der Basis eines Kulturabkommens zwischen Russland und Deutschland und auf der Basis eines Abkommens über die Einrichtung von Kulturinstituten, das ebenfalls zwischen Russland und Deutschland geschlossen wurde. Das heißt, wir haben einen anderen Status. Und vielleicht ist das tatsächlich durch die Intervention erst den Behörden dort klargeworden.

Scholl: Drei Goethe-Institute gibt es in Russland, in Moskau, Sankt Petersburg und eben Novosibirsk. Weiß man, wissen Sie eigentlich, warum ausgerechnet das sibirische Haus überprüft werden sollte? Gab es da irgendwelche Hinweise, Anhaltspunkte?

Ebert: Also, wir wissen es nicht genau. Das Goethe-Institut in Novosibirsk ist unser jüngstes Institut, es wurde erst 2009 gegründet. Das liegt mir auch sehr am Herzen, weil ich damals als Regionalleiter sehr diese Gründung vorangetrieben habe. Und wie gesagt, es ist das jüngste Institut und der Status ist vielleicht noch am wenigsten im Bewusstsein. Das könnte einer der Gründe sein.

Scholl: Was heißt diese Absage, Herr Ebert, jetzt für das Goethe-Institut allgemein? Lässt man Sie jetzt in Russland in Ruhe oder war das nur vorläufig?

Ebert: Also, ehrlich gesagt war ich eigentlich überrascht, dass wir überhaupt untersucht werden sollten, aufgrund der Gründe, die ich genannt habe, weil wir einfach einen anderen Status haben. Und ich hoffe natürlich, dass wir jetzt keine Probleme mehr bekommen. Also, ich bin relativ zuversichtlich, dass das jetzt stabil bleibt.

Scholl: Das Goethe-Institut in Novosibirsk bekommt keinen Besuch von russischen Behörden. Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit dem Generalsekretär Johannes Ebert. Wie stellt sich das Goethe-Institut jetzt aber in diesen angespannten politischen Kontext? Seit Tagen werden Nichtregierungsorganisationen durchsucht, die Konrad-Adenauer-Stiftung hat es ebenso getroffen wie die Friedrich-Ebert-Stiftung, Sie haben es erwähnt, Herr Ebert, alles auf der Grundlage eines sehr fadenscheinigen Antiagentengesetzes. Ja, sind Sie mit dem Goethe-Institut jetzt fein raus?

Ebert: Na ja, also, das würde ich so nicht sehen, weil, in dem Agentengesetz, wie Sie es jetzt nennen, geht es ja vor allem um russische NGOs, um russische Nichtregierungsorganisationen. Und das sind natürlich unsere Partner. Also, teilweise haben wir die gleichen Partner wie die Stiftungen, wie zum Beispiel die Memorial, diese große Nichtregierungsorganisation. Das heißt für uns, wir stehen da, obwohl wir jetzt nicht untersucht worden sind, natürlich genauso in diesem Kontext wie die anderen Organisationen und für uns ist es sehr wichtig, dass die Nichtregierungsorganisationen da frei arbeiten können. Weil, das ist die Grundlage der Zivilgesellschaft in Russland und wir sehen das natürlich schon mit Sorge, wie viele Nichtregierungsorganisationen jetzt untersucht werden, und sehen da schon also eine gewisse … einen Versuch, einzuschüchtern und die Zivilgesellschaft auch in gewissem Maße einzuschränken. Ich glaube, umso wichtiger ist es, dass Organisationen wie wir und auch die Stiftungen vor Ort sind und mit den Kolleginnen und Kollegen der Nichtregierungsorganisationen eng zusammenarbeiten. Also, wir haben wirklich sehr viele Kontakte im Kulturbereich zu Nichtregierungsorganisationen und hoffen, dass es denen gut geht, dass jetzt nicht Schaden angerichtet wird.

Scholl: Aber wie weit dürfen Sie sich denn hier solidarisch erklären, so als gewissermaßen kulturpolitische deutsche Diplomaten?

Ebert: Na ja, wir sind keine Diplomaten. Wir sind …

Scholl: Ich meinte gewissermaßen!

Ebert: Wir arbeiten relativ frei in Russland und wir arbeiten … Ich glaube, die größte Solidarität, die man zeigen kann, ist durch Kooperation. Und da haben wir ganz viele Projekte, wir haben ja im Moment ein Deutschland-Jahr, wo große Kulturprojekte stattfinden, wo ein riesiger Publikumszuspruch da ist. Man darf ja nicht denken, dass Russland ein Monolith ist und jetzt alle irgendwie gegen Deutschland sind oder gegen die Zivilgesellschaft sind, sondern es gibt ein Riesenpublikum, eine Riesennachfrage für Aktionen deutscher Organisationen in Zusammenarbeit mit russischen Organisationen, und ich glaube, das ist sehr wichtig, dass man da aktiv bleibt und auch ganz deutlich sagt, wir arbeiten mit russischen Nichtregierungsorganisationen weiter zusammen und machen starke Projekte.

Scholl: Aber muss man jetzt in dieser Situation nicht doch auch in den Goethe-Instituten sich zusammensetzen und sagen, wir müssen jetzt neu überlegen, was wir machen, was wir nicht machen, was wir vielleicht auch sozusagen an Provokation auslösen könnten?

Ebert: Wie soll ich das sagen … Wir arbeiten eng mit unseren Partnern zusammen, entwickeln die Projekte auch gemeinsam. Das heißt, es wird natürlich diskutiert, wie diese Situation auf uns einwirken kann, aber wie gesagt, ich habe die Erfahrung gemacht, dass wir sehr frei arbeiten können, dass wir auch kritische Themen aufnehmen können. Und ich würde sagen, dass wir das auch weiterhin tun können. Wobei Kulturinstitute natürlich über die Kultur einen anderen Zugang haben zu politischen Diskussionen, und dieser Zugang ist weiterhin ganz, ganz besonders wichtig.

Scholl: Sie haben fünf Jahre lang von Moskau aus die gesamte Region bis nach Zentralasien für das Goethe-Institut vertreten, bis 2012, und ja doch diese immer regressivere, autoritärere russische Regierungshaltung hat sich ja schon abgezeichnet in den letzten Jahren. Wie ist man in den Goethe-Instituten damit eigentlich umgegangen?

Ebert: Wir haben das natürlich beobachtet, wir haben das natürlich diskutiert, aber wir haben dennoch weiterhin Themen, die uns wichtig waren gesellschaftlich, die auch für die Zukunft unserer Länder waren, Journalismus, Umwelt, also wirklich gesellschaftliche Themen weiterhin offen bearbeitet. Und das ist, glaube ich, sehr wichtig. Und ich möchte es noch mal wiederholen: Die Kooperation stärkt die NGOs. Ich glaube, das war auch die wichtige Politik, die das Goethe-Institut und auch die Stiftungen durchgeführt haben.

Scholl: Sie als Russland-Kenner, Herr Ebert, diese Durchsuchungen, die stiften ja doch irgendwie viel Verdruss, diplomatischen, politischen Verdruss international auch. Wird denn diese Welle des Misstrauens vonseiten der russischen Behörden wieder abebben, wird man in Russland zur Vernunft kommen, dass es so nicht geht? Was meinen Sie?

Ebert: Also, Sie haben das richtig ausgedrückt, das Wort Misstrauen. Das hat uns auch am stärksten getroffen, als diese Untersuchung angekündigt worden ist. Die Stiftungen, die Goethe-Institute, andere Organisationen sind seit 20 Jahren im Land, sie sind eng verknüpft mit den russischen Strukturen, sowohl staatliche als auch Nichtregierungsorganisationen. Und dieses Misstrauen hat uns schon, ja, ein bisschen gekränkt, sage ich mal. Und ich hoffe, ich hoffe, man kann es nicht garantieren, aber ich hoffe, dass dieses Misstrauen auch wieder abnimmt und dass die deutsch-russischen Beziehungen auch darunter nicht Schaden leiden. Im Moment ist das natürlich alles sehr aufgeheizt, ich habe die große Hoffnung, dass da wieder Vernunft einkehrt.

Scholl: Die russischen Goethe-Institute können vorerst aufatmen, die anderen Institutionen weniger. Das war Johannes Ebert, Generalsekretär des Goethe-Instituts. Ich danke Ihnen für das Gespräch!

Ebert: Herzlichen Dank!


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