Durban war ein "Appeasement-Angebot an die USA"

Christoph Bals im Gespräch mit Ute Welty · 10.12.2011
Der zunächst vorgelegte Abschlusstext von Durban sei eine Katastrophe gewesen, meint der Klimaschützer Christoph Bals. Hoffnung auf "kleine Ergebnisse" bestehe noch, aber die Strategie der Weltgemeinschaft gegen den Temperaturanstieg sei nicht zu erkennen.
Ute Welty: Die Klimakonferenz in Durban ist in die Verlängerung gegangen. Eigentlich hätte die Konferenz schon gestern Abend zu Ende sein sollen, aber man hat sich nicht auf ein Abschlussdokument einigen können. Die EU verlangt ein Mandat für ein rechtsverbindliches Abkommen für alle Staaten. Die USA, China und Indien aber lehnen einen solchen Fahrplan ab. An der Klimakonferenz nimmt auch Christoph Bals teil, Geschäftsführer der Umweltorganisation Germanwatch. Guten Morgen, Herr Bals!

Christoph Bals: Ja, guten Morgen!

Welty: Sie selbst haben sich vor der Konferenz einigermaßen hoffnungsvoll geäußert. Wie enttäuscht sind sie inzwischen?

Bals: Nun, im Moment ist noch nicht die Zeit, enttäuscht zu sein, sondern abzuwarten, wie jetzt die Abschlussverhandlungen hier verlaufen. Der Text, den wir gestern Abend gesehen haben, war eine Katastrophe. Das war ein Appeasement-Angebot an die USA, wo man sich auf dem niedrigsten gemeinsamen Nenner zunächst verständigen wollte. Es haben dann die allermeisten Staaten, ungefähr 150 Staaten, zu erkennen gegeben, dass das für sie zu niedrige Ambition ist. Es wurde dann ein besserer Text vorgelegt, der aber immer noch nicht ausreichend ist, um eine Strategie zu bekommen, um tatsächlich unter dem viel gepriesenen Zwei-Grad-Limit, dass der globale Temperaturanstieg auf weniger als zwei Grad begrenzt wird, um da drunter bleiben zu können. Von dem her können wir auch mit einem solchen Ergebnis nicht zufrieden sein, wenn es denn so käme.

Welty: Ja, die Stimmen mehren sich ja, die sagen, besser kein Ergebnis als ein fauler Kompromiss. Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang eben jenen Vorschlag der Südafrikaner? Ist das mehr Ergebnis oder mehr fauler Kompromiss?

Bals: Nun, wir werden hier eine ganze Reihe von kleinen Ergebnissen erreichen, die alle sinnvoll sind, aber die nicht die große Strategie bedeuten, um wirklich im Klimaschutz angemessen darauf zu reagieren. Von dem her kann man sehr gut den Punkt vertreten: Man könnte das auch scheitern lassen. Aber dann braucht man eine Exit-Strategie, dass man sagt: Wie kann im nächsten Jahr der Klimaschutz besser organsiert werden, einerseits auf diesen Konferenzen, aber eben im Wesentlichen auch zusätzlich zu diesen Konferenzen? Nur, wenn man eine solche Exit-Strategie hat, kann man auch sagen, man lässt so einen Klimagipfel scheitern. Dazu gibt es verschiedene Vorschläge, wie das aussehen kann, aber hier muss auch eine kritische Masse von Staaten sich darauf verständigen, und das wird man sehen, ob das in den nächsten Stunden passiert.

Welty: Hätte man nicht schon längst damit beginnen müssen, darüber nachzudenken? Denn spätestens seit den Klimakonferenzen in Kopenhagen und Cancún weiß man ja, dass diese Konferenzen ausgesprochen schwierig sind.

Bals: Ja, man hat immer noch die Illusion gehabt, man könne die USA ein Stück weit bewegen, obwohl klar war, dass die USA nicht mehr handlungsfähig sind im internationalen Klimaschutz. Das liegt nicht in erster Linie an der Regierung, sondern es liegt daran, dass man mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit in den USA ein solches internationales Abkommen ratifizieren müsste. Man hat ja nicht einmal ein nationales Klimagesetz zuhause durchgebracht. Das heißt, es ist sogar in Frage, ob man dieses relativ schwache Ziel – 17-Prozent-Reduktionsziel –, das man sich gesetzt hat, ob man das erreichen wird. Vor dem Hintergrund ist es illusorisch, auf die USA zu warten, und die anderen hier in einem konsensgetriebenen Prozess können nicht einfach an den USA vorbeigehen, von daher muss man dringend über diese Alternativen nachdenken.

Welty: Wenn Sie die USA und deren Wirtschaftsinteressen ansprechen: Inwieweit haben Sie als Umweltorganisation überhaupt die Möglichkeit, da etwas dagegenzusetzen, Einfluss auszuüben auf den Verlauf einer solchen Konferenz?

Bals: Nun, wir haben erstaunliche Möglichkeiten, weil wir anders als viele oder als alle Regierungen, die immer nur in den Verhandlungen mit den Regierungen zusammen sind und die offiziellen Statements bekommen, fast in jeder der Delegationen, der wichtigen Delegationen, ganz engen Zugang dazu haben, bestens vernetzt sind und damit viele Informationen haben, die die Delegationen nicht haben. Von dem her können wir sehr konstruktiv den Prozess mit vorantreiben, viele Ideen mit verbreiten, Initiativen, die von einigen vorbereitet werden mit anderen Teilen, um Dinge konstruktiv voranzutreiben. Aber natürlich können wir an den großen Interessenslagen der allerentscheidensten Akteure nichts verändern.

Welty: Was sagt eigentlich Ihr Klima-Gewissen, wenn Sie ihren Flug nach Durban auf die Rechnung setzen und die Tatsache, dass man sich bisher eben nicht auf ein Ergebnis hat einigen können?

Bals: Nun, auf der einen Seite sind durch diese Klimagipfel und auch jetzt hier durch die Beschlüsse, die jetzt hier vermutlich gefasst werden, ein vieltausendfaches von dem an Treibhausgasen verringert worden gegenüber dem, was durch die Flüge dabei erzeugt worden ist. Zum anderen machen wir es als Germanwatch so, dass wir die Flüge konsequent ausgleichen, indem wir bei Atmosfair, das ist der konsequenteste Anbieter von solchen Ausgleichsmaßnahmen, damit in gleichem Ausmaß Klimaschutzprojekte finanzieren, um die Treibhausgase wieder zu verringern, die wir durch die Flüge ausstoßen.

Welty: Und für wann ist Ihr Rückflug gebucht und wird sich das decken mit dem Ende der Konferenz?

Bals: Mein Rückflug ist für heute den späten Nachmittag gebucht. Damit bin ich nicht sicher, ob ich das Ende der Konferenz hier erleben werde.

Welty: Germanwatch-Geschäftsführer Christoph Bals. Er nimmt teil an der Klimakonferenz in Durban. Ich danke fürs Gespräch!

Bals: Bitte schön!

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