"Du Depp"

Von Rudolf Erhard · 22.07.2005
"Schleimscheißa … Luada … Rennsau …" - da kommt der Auswärtige um eine neidvolle Anerkennung nicht umhin und blättert verduzt-schmunzelnd weiter im "Bayerischen Schimpf-Kalender". Für jeden Tag gibt es da einen herrlichen Kraftausdruck. Doch Vorsicht ist im Alltag geboten.
Die Zeiten im frischbajuwarischen Alltag sind auch nicht mehr die von gestern. Wer neuerdings beim Streit um einen Parkplatz seinem Rivalen ein "schleich di, du Hundling" entgegenschleudert, der kann heutzutage schon mal vor dem Kadi landen. Bayernurlaubern sei deshalb die folgende "Kleine Sprachhilfe" besonders ans Herz gelegt.

Elfi Pertramer: "Wissen sie, wir sind ein moderner bodenständiger Volksstamm, wissen sie zu modern dürfen wir nicht sein, da ist ja unser ganzes Brauchtum beim Teifi. "

Deftig, heftig ist er Bayer und so dialektreich, dass oft schon Ober- und ein Niederbayer, sofern der echten Mundart mächtig, einander nicht verstehen. Gerhard Polt und die Biermöslblosn, Aushängeschilder der ganz eigenen bajuwarischen Art, karikieren eine bayerische Schimpfkanonade fast nonverbal:

Polt: "mbrfmtmrtdutrtarapp ... Biermösl Jawoll und Heilprosit"

Das polternde Bayernbild prägen, in der Außensicht, nicht die Unter- oder Oberfranken, die Allgäuer oder Oberpfälzer, sondern jene typisierten aussterbenden Bauernköpfe, wie sie Ludwig Thoma ab 1910 in seinen Komödien und Schwänken abbildete und die seitdem unermüdlich nachgespielt und kopiert werden auf bayerischen Bauernbühnen, Touristen und Einheimischen zur Freud:

Ludwig Thoma "Erster Klasse" (1910): "Silvester Gsottmaier: "Bischt do du plattata Mistgablbaron? Du gschnecklata Engländer?" Ludwig Filser " Du Haderlump, du ganz miserabliger! Gsottmaier: Du Bazi, du luftg`gselchta! "

So beschimpfen sich freundschaftlich ein königlich bayerischer Landtagsabgeordneter und sein Bauernspezl aus dem Dachauer Hinterland im Zugabteil erster Klasse. Eine Kommunikation wie sie an bayerischen Stammtischen auch heute noch üblich sei, wird mir im Münchner Hofbräuhaus versichert.

"Der ko a Saubär zu mir sagn, wenn a mi kennt, wenn i eahm natürlich ned kenn is was andas, aber Hundling is koa Beleidigung. "

Damit kommen wir zum Kern dieser Betrachtung.

"Du Depp du Depp"

Depp, Hundling, Hadalump, Liagnscheidel, Ledschnbeppe,Loamsiada, Grobheiten der feineren Art, als verbales Schulterklopfen und Zugehörigkeitsritual gemeint und meist auch so verstanden.

"Oiso, i glaab net, dass da Bayer schnell beleidigt is, der vertragt schon was, do muaß oana scho grob kemma, das a mi beleidign ko. "

timmen aus dem Münchner Hofbräuhaus, jenem Ort also, an dem der Münchner Dienstmann Alois Hingerl des Himmels wegen Fluchens verwiesen,

"Der Münchner im Himmel": "Luja sag i, luja, zefixhalleluja... "

jenem Ort also, an dem ein bayerischer Grantler statt himmlischem Mann irdisches Bier genießt, in jenem Hofbräuhaus in dem täglich wohl ein Dutzend Einheimischenstammtische von Japanern, Amerikanern und Preußen eingekreist werden, hier wird kundig geredet über bayerischen Grant und wann der Bayern beleidigt ist:

"Du bist a Hund oder du bist a Depp, des macht weniga, aber nicht beleidigend werdn wie du Arschloch oder wie auch imma, des tuat ma net, also nicht verletzend. "

Aber es gibt natürlich keinen Freibrief für deftige Ausdrücke, auch in Bayern gilt, obacht, oder vorsicht, vor Grenzüberschreitungen zur Beleidigung.

"Des is großzügig und werd nicht so eng ausglegt, aba ma muaß si scho guat kenna um sich was zu sagn, einem Fremdn würd ich nicht sagn du Hundling. "

Nach einer Statistik des Bayerischen Justizministeriums summierten sich zuletzt pro Jahr vor bayerischen Gerichten rund 3100 Beleidigungsprozesse, nicht einmal ein Drittel davon konnte im Sühneverfahren eingestellt werden. Der Münchner Richter Wilfried Dudek:

"Einfallsreich sind sie nicht, es handelt sich um häufig gehörte Beleidigungen, wie Arschloch und ähnliches. Womit wir bei Gericht zu tun haben sind hauptsächlich Nachbarschaftsstreitigkeiten und Polizeibeamte, die beleidigt werden im täglichen Dienst. "

Wer in Bayern einen Polizisten als Sau beschimpft, der muss mit saftiger Strafe rechnen. Im Straßenverkehr den zu langsam fahrenden Vordermann als Drecksau zu titulieren, im Streit um den Parkplatz eine Dame als fette Kuh oder Missgeburt zu verunglimpfen, das kostet. Nicht einmal Zicke und schon gar nicht Schlampe lassen die Staatsanwälte und Richter durchgehen. Wolfgang Neumann, jahrzehntelang Polizei- und Gerichtsreporter des Münchner Boulevardblatts "Abendzeitung":

"Oft stellen sie gerade im Gerichtssaal fest, wenn das so ernst rübergebracht wird und eine amtliche Sprache erhält, dann wird da so absurd und keiner von den beiden, weder der Beleidigte, noch der Beleidigende halten das für sinnvoll, dass das weiterdiskutiert wird, aber wenn mal der Staatsanwalt zugegriffen hat, dann lässt er nicht mehr aus. "

Richter Dudek versucht zwar Brücken zu bauen zwischen den Streithähnen, aber bei fortgesetzter Uneinsichtigkeit urteilt er nach dem Motto, jeder ist seines Glückes, respektive seines Strafmaßes Schmied:

"Hauptsächliche Ausrede ist die, dass man diesen Wortschaft üblicherweise nicht benützt. Die andere Ausrede ist die, dass der andere angefangen hat, dass es also zu wechselseitigen Beleidigungen gekommen ist, und da könnte man also als Richter die Sache für straffrei erklären. "

Was im Gerichtssaal oft an der Uneinsichtigkeit der Beteiligten scheitert, vor allem dann, wenn Amtspersonen mit im Spiel sind:

"Bei manchen Polizeibeamten erscheint tatsächlich der Eindruck, dass sie sich sehr schnell beleidigt fühlen. "

Der Münchner Gerichtsreporter Neumann erklärt das näher:

"Polizisten sind genauso humorlos oder humorvoll wie alle anderen, nur bei ihnen ist es so, dass sie bei Beleidigung sehr hellhörig sein müssen, denn sie haben die Dienstanweisung, grundsätzlich bei Beleidigungen Anzeige zu erstatten. "

Polizistenbeleidigung ist auch in Bayern ein Antragsdelikt. Der Straßenverkehr als Freiraum und Wutquelle löst hier, wie überall, so manchem die Zunge, bestätigt Peter Reichel, Pressesprecher des Münchner Polizeipräsidiums:

"Gerade wenn der Alkohol eine Rolle spielt, also was man da erleben kann das ist haarsträubend und gerade eben, sag ich jetzt mal, von der besseren Gesellschaft, da hört man Ausdrücke die man nie für möglich gehalten hätte. "

Dabei, so behauptet jedenfalls der Polizeisprecher, seien bayerische Ordnungshüter, zu einer gewissen Großzügigkeit angehalten.

"Wenns darum geht, dass zu einem gesagt wird, du Hund du verreckta, das kann natürlich durchaus positiv gemeint sein, aber da kommts darauf an, wie die Betonung is und wie die Gesamtsituation ist und ob dann das Gegenüber beleidigt ist, wird sich letztendlich daran orientieren, wie die Bemerkung gemeint. "

Mache nur ja keiner die Probe aufs Exempel, denn immer weniger Polizisten in Bayern sind von der Natur und Statur, dass sie die Feinheiten des Kraftbayerisch kennen und verstehen so wie der Stammtisch im Münchner Hofbräuhaus:

"Des kimmt drauf o, wer des ist und wia a des sagt. Wenn jetzt oana am Stammtisch sagt, du Arschloch dann sag i, Moasta tua a bißerl obachtgeben, weil sonst gibt's dicke Ohrwascheln,oder du kriagst a Schelln, wias auf bayrisch hoaßt. Man derf des bloß ned so eng sehn, ich sag oiwei Preißn gibt's narrische und Boarn gibt's narrische und da gibt's grüabige und da gibt's grüabige. / Wir haben hier unseren gemütlichen bayerischen Stammtisch und wenn a Saupreiß reinkommt und glaubt eine große Schnauze haben zu müssen, beleidigen kann der uns ja gar nicht als Saupreiß. Zum Beleidigen gehören immer zwei, der eine der glaubt beleidigen zu müssen und der andere der glaubt sich beleidigt gefühlt zu müssen, aber wenn du dich nicht beleidigt fühlst, dann kann der andere blöd daherquatschen, wie er will, da ist gar nichts. Ich bin bereits aufgestiegen zum Edelpreußen, deshalb kann mich mit Saupreiß keiner mehr beleidigen. "

Wir haben bereits gelernt, dass "a Hundling is a schon", durchaus als Ehrbezeugung gelten kann, gleiches gilt im weiblichen Sinn, für "a schene Matz", nur gerichtsfest ist das alles nicht. Also Vorsicht mit kraftbayerischen Mundartausdrücken wie "Waiwabritschn" für weibliche Frechheit, oder "Waitlabiffe" für scheinbar ländlichen Sturkopf. Kaum eine Amtsperson wird sich unterstellen lassen, sie verbreite als "Krampfhenn" Unsinn oder er sei ein "Luangschippe a luftgselchta", will sagen ein besonders dummer Lügner. Doch vor Gericht, so verrät Richter Wilfried Dudek, spielen Dialektdeutungen eher eine untergeordnete Rolle:

"Die Beleidigungen aus der bayerischen Mundart sind ganz selten anzutreffen, vielleicht liegts auch daran, dass die Täter eher jünger, es kommt also eher selten vor, dass wir einen älteren gestandenen Bayer haben, der vor Gericht wegen Beleidigung steht. "

Depp, Sau, Arschloch dominieren also auch bei den verbalen Wortgefechten in Bayern. Wo aber sind sie geblieben, die kraftbayerischen Ausdrücke früherer Zeiten? Die Spurensuche führt uns in die ehrerbietende Akademie der Wissenschaften in der Münchner Residenz. Dort unter dem Dach schürft die Kommission für Mundartforschung. Professor Anthony Rowley, ein gebürtiger Schotte, ist umgeben von Zettelkästen voller Wörter. Er arbeitet am neuen Bayerischen Wörterbuch. Ein Werk, das auf Jahrzehnte angelegt ist.

"In München ist es so, dass der bayerische Dialekt stark zurückgeht, da wird man weniger bayerische Flüche hören, aber ich glaub wenn sie da hinaus aufs Land gehen, manche Flüche hören sie nicht, wenn sie Auto fahren, aber der Fahrer hinter ihnen, der kann sie durchaus noch ausfluchen. Natürlich ist die Gesellschaft heute eine andere als vor 100 Jahren. Die religiösen Flüche haben an Kraft verloren, dafür gibt's andere Bereiche, sexuelle Bereiche, vielleicht dass man die besser beleidigen kann als Vergleiche mit dem Teufel. "

Aber die bayerischen Sprachforscher sammeln ja beileibe nicht nur Flüche, Derbheiten und erotische Zoten, wie sie schon vor zwei Jahrhunderten Johann Andreas Schmeller in sein Wörterbuch mit aufnahm. 1912 gab dann der Journalist, Schriftsteller und Volkskundler Georg Queri "Kraftbayrisch" heraus, ein "Wörterbuch der erotischen Redensarten der Altbayern". Da wird errötend geflucht, was das Zeug hält. Mundartforscher Rowley hat dagegen ein Netzwerk von ehrenamtlichen Mitarbeitern in allen bayerischen Regionen aufgebaut, das ihm Dialektausdrücke aus allen Lebensbereichen zuträgt:

"Mit dem Dialekt zeigt man einerseits, dass man mit dazugehört zur einheimischen Bevölkerung und andererseits grenzt man natürlich die anderen, die Preißn aus, die unsere Flüche nicht kennen oder verstehen, wenn man Glück hat. "

Kehren wir noch einmal zurück zu unseren Stammtischen im Münchner Hofbräuhaus, diesmal zum Edelpreiß, der sich anmaßt über uns Bayern zu urteilen:

"Ja, ja das ist bayerische Mentalität, wenn einer sagt Kruzifix oder Sakradi oder was, das ist einfach bayerisch so ein Ausdruck von ich ärger mich über irgendwas und muß mal aahhhh, bisserl Dampf ablassen, dann ist das das Kruzifix oder Sakradi, aber beleidigen ist das auch nicht. "


Trotzdem funktioniert das mit dem verbalen Dampfablassen oft nicht. Wir haben es ja schon gehört, die Beleidigungsprozesse gehen in die Tausende, Jahr für Jahr. Früher war das anders und Sprachforscher Professor Rowley mutmaßt:

"Vielleicht hat man sich früher keinen Rechtsanwalt leisten können, wie heutzutag, ich nehm an das ist handgreiflicher oft gelöst worden, aber es gibt so Rechtsverordnungen aus dem 14. Jahrhundert, da sind Listen mit Schimpfwörtern und was man zahlen muss, wenn man jemand auf die Art beleidigt, das hats schon immer gegeben, sowohl die Beschimpfungen als auch die Maßregelungen der Obrigkeit gegen die Fluchenden. "

Bayerische Zeitungen drucken noch heute gerne angeblich offizielle Bußgeldkataloge ab, denen zufolge ein Arschloch 600 Strafe kostet, ein Depp dagegen nur 300. Aber aufgepasst, jedes Adjektiv, das dem Bullen vorangestellt wird, überschreitet die Toleranzschwelle des Uniformierten sofort, und schon fühlt er sich beleidigt:

"Scheißbulle ist natürlich wieder eine Wertung, wo man sagt, ganz klar gesehen aus seiner Sicht ist der Polizist in der untersten Rangordnung sehen, also da würde ich mich durchaus beleidigt fühlen. "

Klären wir noch den bayerischen Grant, dessen brummelndes Abweisen von vielen als zutiefst unhöflich, ja feindlich empfunden wird, dabei ist es nichts anderes als das Recht auf mürrisch, verschlossen, brummig oder übellaunig zu sein. Der Gerichtsreporter Wolfgang Neumann, in Bayern geboren und aufgewachsen, hält ihn zwar nicht für justiziabel, aber:

"Den Grant halte ich für uncharmant, er ist nicht gerade Völker verbindend, das ist schon etwas was der Bayer hat, das ist keine Eigenschaft, die ihn besonders auszeichnet, auch wenn er sich manchmal darin gefällt. "

Der schottische Professor Anthony Rowley, an der Bayerischen Akademie für Wissenschaften zuständig für die Mundartforschung, kommt dagegen besser mit dem Grant der Bayern zurecht:

"Ja, es gibt sicherlich einen Umgangston in München, der leicht grantig ist, aber er kommt von Herzen, habe ich das Gefühl. Das hat vielleicht die Funktion, dass sich selber ein bisschen Luft verschafft, Distanz verschafft, ist vielleicht auch ein bisschen eine Anbiederung, ich denk an die Bedienungen in Wirtshäusern, die - ohne sich anzubiedern - freundlich mit den Gästen verkehren. Es ist ja eine freundliche Aufforderung, wenn´s hoaßt, was willst jetzt du oder was wollen jetz sie? "

Eigenschaften, die gerne auch den Münchner Marktfrauen nachgesagt werden, doch auch von Gerhard Polt, der den Menschen so erschreckend genau aufs Maul schaut, ist uns eine Schimpfkanonade bajuwarischer Urwüchsigkeit überliefert. Ausgangspunkt ist das vermeintliche Fair Play auf dem Tennisplatz und enden würde so etwas wohl in Bayern wie überall vor dem Kadi:

Polt: "und dann schreit die immer Oliver pass auf, der spielt Longline! Ich sag, gnädige Frau, jetzt bitte, sie dumme Gans, mia san doch hier nicht im Wirtshaus, sondern auf einem Tennisplatz, du Amsel du blöde, du blödes Kracherl, du Matz du varreckte, hoit die Fotzn sag i, du Schoaswies`n, gell, du mistige, du Schoasblodan, gell, du Brunzkache du ogsoachte, so was wie du ghört doch mit da Scheißbürstn nausghaut! Da fängt sie an, ich werde mich beschwern, ich geh zur Turnierleitung, ich werde mich beschwern! Ja wissen sie, die Frau soll sich beschwern, die soll sich beschwern, weil was so eine Hämorridenpritsche sagt, so etwas ist einfach unter meinem Niveau. "