Drei tote Männer im Swimmingpool

02.07.2010
Die argentinische Autorin Claudia Pineiro seziert in ihrem neuen Roman die vermeintlich heile Welt ihrer wohlhabenden Landsleute. In der abgeschotteten Gemeinschaft der Superreichen stößt sie auf Heuchelei und eine erstickende Atmosphäre.
Claudia Pineiro ruft die Zeit der 90er-Jahre bis 2001 auf. In Altos de la Cascada, einer Gated Community, rund fünfzig Kilometer vor den Toren Buenos Aires, lebt eine elitäre Gemeinschaft hinter hohen Mauern, geschützt von Wachpersonal. Die Männer machen Big Business und vergnügen sich in der Freizeit bei Golf und Tennis, ihre Frauen sind überwiegend damit beschäftigt, das Personal zu beaufsichtigen, Wohltätigkeitsveranstaltungen zu organisieren und die Kinder zur Schule zu fahren. Man kennt sich, fühlt sich in der Abgeschiedenheit sicher und doch – eines Morgens liegen drei männliche Leichen in einem Swimmingpool.

Mit diesem Eröffungsschachzug baut Claudia Pineiro in ihrem Roman schnell eine dichte Atmosphäre auf. Kaleidoskopartig stellt sie einzelne Figuren und Familien vor - mal aus der Perspektive der Ich-Erzählerin, dann wieder in der dritten Person als distanzierte Beobachterin. Dabei wechselt sie auch die Zeiten von der beteiligten Gegenwart zur Distanz der Vergangenheit. Bald zeigt sich, dass die heile Welt von Altos de la Cascada Risse birgt.

Heuchelei, Untreue, Alkoholsucht und ein prügelnder Ehemann – kaum eine Familie lebt wirklich in der heilen Welt, die sie versucht nach außen zu demonstrieren, sondern kehrt lieber alle Schwierigkeiten unter den Teppich. Dazu kommen die Belastungen durch die verschiedenen Wirtschaftskrisen der 90er-Jahre in Argentinien.

Claudia Pineiro beobachtet genau, lotet die Abgründe ihrer Protagonisten aus. Durch ihre präzise Sprache und knappen Bilder erzeugt sie die erstickende Atmosphäre der einzelnen Familien so dicht, dass sie sich auf den Leser überträgt und regelrecht eine Gänsehaut entstehen lässt. Mit dem Wechsel von Zeit, Geschehen und Perspektive hält sie die Spannung, fordert aber auch viel Konzentration von ihren Lesern, um den unterschiedlichen Fäden folgen zu können.

Die Leichen im Pool vom Romananfang geraten dabei zeitweilig völlig in den Hintergrund, und erst nachdem sich die einzelnen Familiendramen entwickelt und verdichtet haben, kommt der Leser wieder auf die Spur, um dann doch mit einer ziemlich überraschenden Lösung konfrontiert zu werden.

Die Tatsache, dass kurz vor der Veröffentlichung ihres Romans ein ähnlicher Fall in Argentinien tatsächlich stattgefunden hat, zeigt, wie nah die Autorin mit ihrer Geschichte an die Realität kommt. Man hat ihr beim Erscheinen des Buches hellseherische Fähigkeiten unterstellt, doch sie selbst sagte in einem Interview, es gebe Zeiterscheinungen, die man erspüren könne, wenn man nur genau genug die Gesellschaft beobachte.

So ist der Roman "Die Donnerstagswitwen" in Argentinien auch von Soziologen, Anthropologen und Psychologen diskutiert worden. Mit den globalen Wirtschaftskrisen, ihren Auswirkungen und damit verbundenen Ängsten ist dieser Roman erschreckend aktuell. Claudia Pineiro zeigt auf und erzählt. Sie sagt, es bleibe die Aufgabe des Lesers, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Besprochen von Birgit Koß

Claudia Pineiro: Die Donnerstagswitwen
Aus dem Spanischen von Peter Kultzen
Unionsverlag, Zürich 2010
315 Seiten, 19,90 Euro