Dreck am Stecken haben …

Von Rolf-Bernhard Essig · 28.11.2008
Diesmal geht es um die Redensarten: Dreck am Stecken haben, Sich einen Wolf laufen, Bis zur Vergasung, Frech wie Oskar u.a.
Dreck am Stecken haben

Ein Hörer vermutet, es könne sich um eine Redewendung handeln, die jemanden als Schwulen identifiziert. Die Redensart ist allerdings älter und hat damit nichts zu tun.
Vor fünfhundert Jahren waren nur sehr wenige Wege befestigt. Mit Steinen gepflastert waren vielleicht einmal prächtige Auffahrten vor Palästen. Fußgänger kamen also um dreckige Schuhe nicht herum. Bevor man bei jemandem eintrat, säuberte man deshalb die Schuhe, beispielsweise mit den sehr üblichen Wanderstecken, oder man fuhr mit dem Ärmel über die Schuhe, um sie zu polieren. In beiden Fällen sahen die Schuhe dann blank aus, der Stecken und der Ärmel verrieten aber, dass hier jemand den Dreck erst hatte entfernen müssen.
Dreck wurde nun schon sehr lange mit Schuld und Sünde in Verbindung gebracht. Schließlich war er das Gegenteil der reinen (!) Unschuld. So konnten sich die Redewendungen "Dreck am Ärmel" und später "Dreck am Stecken haben" herausbilden, um Blender, Betrüger und Heuchler zu bezeichnen, die ihre schmutzige Vergangenheit verbergen wollen, die man aber noch erkennen kann. Heute dagegen bezeichnet die Redewendung ganz direkt, dass jemand eine Untat begangen hat.

Sich einen Wolf laufen

Schrecklich plagen abgeriebene, entzündete Oberschenkelinnenseiten nach sehr langen Wanderungen. In schlimmen Fällen frisst sich das weiter durchs Gewebe und schmerzt schrecklich, wie man beispielsweise aus Berichten deutscher Soldaten weiß, die im Zweiten Weltkrieg manchmal tausende Kilometer zu Fuß zurücklegten.
Im Deutschen spricht man dann von einem "Wolf" oder dem "fressenden Wolf". Wie beim Krebs, der sich gefräßig ausbreitet, sah man im Volksmund bei diesen Hautkrankheiten, die großflächige Zerstörungen anrichteten, eine schlimme Gier am Werke. Die Krankheit frisst gesundes Gewebe weg wie ein Wolf.
Es lag nahe, die Bezeichnung auf das früher häufige Wundsein zwischen Oberschenkeln zu übertragen, das durch mangelhafte Hygiene und Reiben von Haut auf Haut oder Stoff hervorgerufen wurde. Dass der Wolf selbst ein ausgezeichneter Läufer ist, war da nur eine ironische Nebenidee. Jedenfalls wusste man, dass man sich einen Wolf laufen konnte, wenn man unentwegt lief. Von hier aus verbreitete sich der Ausdruck auf alle möglichen anderen häufig wiederholten Tätigkeiten. Wenn man beispielsweise unentwegt sprechen musste, sagte man: Ich hab mir einen Wolf geredet.

Bis zur Vergasung

Als angeblicher Nazi-Ausdruck war die Wendung jahrzehntelang verpönt, obwohl sie spätestens von den Chemikern des 18. Jahrhunderts verwendet wurde. Sie bezeichneten damit die Änderung des Aggregatszustands fester Stoffe, die unter großer Hitze vergasen. Dass man in Hitze gerät, wenn man sich bei etwas besonders anstrengt oder es besonders intensiv tut, ist ebenfalls altbekannt und in vielen Redewendungen formuliert worden. Man denke nur an "in der Hitze des Gefechts" oder "sich die Köpfe heiß reden".
Soll man nun die Redensart vergessen, weil man sie auf den systematischen Massenmord der Juden mit Gas des "Dritten Reichs" beziehen könnte? Wie steht es mit Jedem das seine und Arbeit macht frei, alten Sprichwörtern, die an den Toren von KZs zu lesen waren? Wenn man dann noch erfährt, dass Häftlinge in die Balken der KZ-Baracken die an diesem Ort widerlich zynischen Sprüche Reden ist Silber, Schweigen ist Gold und Leben und leben lassen einschnitzen mussten? Soll man den Nazis den Triumph lassen, indem man sich die Worte verbietet? Die Antwort liegt, finde ich, bei jedem selbst.

Frech wie Oskar / stolz wie Oskar

Es gibt einige historische Persönlichkeiten, die Oskar hießen und für ihre dreiste Ausdrucksweise bekannt waren, doch keine ist so bekannt, dass sich die weite Verbreitung der Redewendung erklären ließe. Wahrscheinlicher ist deshalb, dass es sich – wie in vielen anderen Fällen – um eine Übernahme aus dem Jiddischen handelt, wo "ossik" "frech" und "verhärtet" heißt. Eine spätere Form des Wortes ist bekannt, die "ossoker" lautet, womit man schon ganz nah am Oskar ist. Es kann leicht sein, dass dies fremde Wort von Deutschen auf den bekannten Namen übertragen wurde.

Die Schnapszahl

Hier verbirgt sich kein großes, sondern nur ein leicht zu lösendes kleines und sogar feuchtfröhliches Geheimnis: Wenn bei Kartenspielen ein Gewinner eine Punktzahl aus zwei oder drei gleichen Zahlen erreichte, also 66, 77 oder 111, musste er an vielen Kartenspielstammtischen einen Schnaps ausgeben.

Nicht ganz bei Groschen sein

Früher hieß das "kein Geld haben". In Verbindung mit den Automaten, in die man Groschen stecken musste, bildete sich aber die Redewendung für Begriffsstutzige heraus "bei ihm muss der Groschen erst fallen" oder "bei ihm ist der Groschen noch nicht gefallen". Beim Automaten kam ja erst etwas heraus, wenn der Groschen gefallen war und die Ware freigab. Bei dem langsam Denkenden schien es ähnlich zu sein. Es kam keine Antwort, weil der Groschen noch nicht gefallen war. So verknüpfte sich der Groschen-Ausdruck für "kein Geld haben" mit den Geisteskräften. War jemand nicht bei Groschen, dann fehlte ihm der Groschen, der fallen konnte. Er war nicht ganz bei Sinnen, hatte sozusagen nicht mehr alle Tassen im Schrank.

Toi, toi, toi

Die seltsame Wortfolge erklärt sich aus dem Prozess der Zivilisation. Früher hätte man einfach dreimal ausgespuckt. Das "toi, toi, toi" ist ein kultivierteres Pendant zum Spucken. In angedeuteter Form findet es sich noch, wenn man ein dem Spucken ähnliches Geräusch macht, und zwar dreimal über jemandes Schulter hinweg, das wie "thhh, thhh, thhh" klingt. Aus diesem Klang entwickelte sich das "toi, toi, toi". Damit will man ihm Glück wünschen und Misserfolg abzuhalten.
Ähnlich wie das dreimalige Klopfen auf Holz oder das "pfui, pfui, pfui"-Sagen handelt es sich um einen Abwehr- und Schutzzauber. Früher war man überzeugt, das Loben eines Menschen locke Dämonen und böse Geister magisch an. Deshalb spuckte man tatsächlich bei jedem Lob aus und damit auf die bösen Geister. Die Spucke selbst sollte sie auch abhalten können. Man glaubte auch, das Klopfen auf Holz schrecke die Geister ab. Immer wollte man ihren schlimmen Einfluss verhindern. Schließlich wurde das "toi, toi, toi" selbst als Lob verstanden, weil es das Lob immer als Abwehrmaßnahme begleitete. Man stellte dem "toi, toi, toi" auch gerne ein "unberufen" voran, was wiederum heißen sollte, man wolle mit dem Lob keine üblen Mächte herbeizitieren. In Schauspielerkreisen ist man immer noch so abergläubisch, dass man sich nie für ein dort übliches "toi, toi, toi" bedankt. Angeblich bringe das Unglück.