Doping fürs Hirn

Von Lotta Wieden · 06.01.2009
Immer öfter werden Medikamente, die für Kranke gedacht sind, auch von Gesunden geschluckt, um mit besseren Leistungen im Studium oder im Berufsleben zu glänzen. Kritiker warnen davor, dass die meisten dieser Substanzen bislang nur unzureichend an Gesunden getestet wurden und sprechen von Hirndoping.
Das Jahr 1944 war ein gutes für Lendro Panizzon: Der Angestellte eines Schweizer Pharmaunternehmens hatte sich im Labor eine Substanz zusammengebraut, die erstaunliche Wirkungen zeigte. Vor allem bei seiner Frau Rita: Nahm Rita das Mittel ein, fühlte sie sich augenblicklich munterer, belebter und konzentrierter. Panizzon nannte den Stoff Ritalin, und wurde ein berühmter Mann.

Heute ist Ritalin eines der weltweit umsatzstärksten Medikamente. Nicht nur Kinder mit einer sogenannten Aufmerksamkeitsstörung schlucken es, sondern auch immer mehr gesunde Erwachsene. Sie besorgen sich das eigentlich verschreibungspflichtige Medikament im Internet – um erfolgreicher durch Prüfungen zu kommen, bei Vorstellungsgesprächen zu glänzen oder Stresssituationen besser in den Griff zu bekommen.

Doch nicht nur Ritalin erfreut sich wachsender Beliebtheit. Auch Prozac, ein Antidepressivum oder – der jüngste Trend, Modafinil, zugelassen zur Behandlung von Narkolepsie, zu Deutsch: Schlafsucht – wird immer öfter von völlig gesunden Menschen geschluckt. In den USA etwa, das zeigen Umfragen, nehmen an einigen Universitäten, bereits bis zu 25 Prozent der Studenten Konzentrationsfördernde Mittel ein. Schätzungen zufolge wird diese Entwicklung weiter zunehmen, auch in Deutschland.

Unter Wissenschaftlern ist deshalb eine heftige Diskussion entbrannt. Die einen wollen strengere Kontrollen und härtere Strafen. Andere bezweifeln, dass sich die Pillenschlucker auf solche Weise beeindrucken lassen. In der Zeitschrift "Nature" haben sich kürzlich sechs prominente Forscher mit einem ganz eigenen Standpunkt zu Wort gemeldet: Ihrer Ansicht nach ist die Debatte, ob die Einnahme von Denkdrogen eigentlich legitim ist, längst überholt. Sie fordern stattdessen, die Freigabe all dieser Substanzen - im Namen der Chancengleichheit.

Das Gespräch zum Thema mit dem Philosophen T. Metzinger von der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz können Sie mindestens bis zum 6.5.09 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.