Doping-Aufarbeitung

"Kartell des Schweigens"

Auch beim Diskuswerfen gelten strenge Leistungsnormen.
Auch beim Diskuswerfen gelten strenge Leistungsnormen. © dpa / Fredrik von Erichsen
Alwin Wagner im Gespräch mit Hanns Ostermann · 26.04.2015
Doping war nicht auf die DDR beschränkt. Auch im Westen wurde kräftig gespritzt und geschluckt - das sagt Alwin Wagner, in den 80er Jahren mehrfacher Deutscher Diskusmeister. Politiker, so Wagner, schmücken sich nur allzu gern mit erfolgreichen Sportlern.
Auch 25 Jahre nach der Wende beschäftigt das Thema Doping die Experten und Politiker in Ost und West. So diskutierte der mecklenburgische Landtag kürzlich über einen Antrag von Bündnis90/Die Grünen, der zum Ziel hat, das Zwangsdoping in den drei Nordbezirken der DDR historisch aufzuarbeiten. In der zurückliegenden Woche stand das Thema Doping auch bei der Hauptversammlung der deutschen Sportjournalisten in Schwerin ganz oben auf der Agenda. Dabei herrscht weitgehend Einigkeit: Nicht nur im Ostblock, auch im Westen wurde lange Zeit kräftig gedopt.
Stellvertretend für die Dopingpraxis im früheren West-Deutschland steht die Universität Freiburg. 30 Jahre lang bis zum Beginn dieses Jahrtausends lag im Breisgau das Zentrum der westdeutschen Sportmedizin. Alle wollten zu Professor Armin Klümper. Der lebt inzwischen in Südafrika – und sagt nichts mehr. Auch die Arbeit einer Kommission in Freiburg gestaltet sich mehr als schwerfällig.
Schon der zweite Platz ist nicht viel wert
Der frühere Diskuswerfer Alwin Wagner gehört zu denen, die das Schweigen brechen. Auf der ganzen Welt würden sich Politiker im Erfolg von Spitzensportlern sonnen, sagte Wagner am Sonntag im Deutschlandradio Kultur. "Aus diesem Grund fördert man auch den Leistungssport. Man akzeptiert auch, dass der Athlet nachhilft oder auch nachgeholfen bekommt." Dies sei bis heute so, glaubt Wagner und spricht von einem "Kartell des Schweigens".
Schon der zweite Platz im Spitzensport sei nicht viel wert, und als in den 70er und 80er Jahren der Konflikt der Systeme auch im Sport ausgetragen wurden, habe man Sieger gebraucht, das habe auch die Bundesrepublik betroffen. Die bundesdeutschen Sportler sollten "sportlich mithalten", obwohl alle wussten dass überall in der Welt "bis zum geht nicht mehr" gedopt wurde. Bis heute aber werde darüber nicht geredet.
Im Westen wird weiter gelogen und betrogen
"Doping durfte damals und auch heute in der Öffentlichkeit nicht bekannt werden." Daher verstehe es sich von selbst, "dass man bis heute vertuscht und inhaltlich nichts aufarbeiten will", sagte der heute 64-Jährige, der seinen größten Erfolg mit dem sechsten Platz bei den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles feierte. Während das staatlich verordnete Doping in der DDR weitgehend aufgeklärt worden sei, würde im Westen weiter gelogen und betrogen, "und jeder sagt, er habe nichts gemacht".
Es sei "wünschenswert", wenn der Dopingopfer-Hilfeverein auf die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses zur Aufarbeitung der Dopping-Vergangenheit dringe. Damit könne nicht nur der Blick der Öffentlichkeit geschärft werden. Wichtig sei es auch, aus der Vergangenheit zu lernen und mehr Mittel für die Doping-Prävention bereitzustellen, sagte Wagner und gab noch eines zu bedenken: Doping-Opfer dürften nicht als "Vaterlandsverräter" diffamiert werden, wie es in Ost und West zum Teil geschehen sei.
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