Don Quijote statt Anna Karenina

Annemie Vanackere im Gespräch mit Frank Meyer · 19.08.2013
Im Theater gibt es viele starke Frauenfiguren, Antigone oder Medea zum Beispiel. Nach einer Umfrage des Goethe-Instituts sind jedoch Don Quijote, Shakespeare und Goethe die wichtigsten Figuren der europäischen Literatur. Annemie Vanackere, künstlerische Leiterin des Berliner HAU, bedauert das.
Frank Meyer: Was macht Europa aus, was sind die wichtigsten Ideen und Erfindungen aus Europa? Was sind die Leuchttürme der europäischen Kultur? Das wollte das Goethe-Institut wissen und hat deshalb für eine große Kulturumfrage 20.000 Menschen befragt in 30 europäischen und angrenzenden Ländern. Wir schauen uns hier im Deutschlandradio Kultur die Ergebnisse dieser Europaumfrage an, und nach Gesprächen unter anderem mit Schriftstellern, Architekten, Philosophen reden wir heute mit der Theatermacherin Annemie Vanackere. Sie leitet seit einem Jahr den Theaterverbund Hebbel am Ufer - oder HAU - in Berlin. Seien Sie herzlich willkommen, Frau Vanackere!

Annemie Vanackere: Guten Tag!

Meyer: Ich habe schon erwähnt, vorhin bei der Umfrage des Goethe-Instituts, nach der ergreifendsten literarischen Figur in Europa hat Don Quijote das Rennen gemacht, eben der Don Quijote aus dem Roman von Miguel de Cervantes. Wer ist denn eigentlich für Sie die ergreifendste Figur aus einem europäischen Roman oder Theaterstück?

Vanackere: Ich finde das eine unglaublich schwierige Frage. Vielleicht darf ich noch … in dieser Liste, es gibt so zehn Figuren, die vorne liegen. Was mir aufgefallen ist, ist, dass da nur eine Frau dabei war, und zwar Anna Karenina, tragische Figur, könnte man sagen. Da habe ich gedacht, ja, mir fehlen dann eigentlich auch Frauenfiguren, und man kann eigentlich zurückgehen zum Anfang des Theaters, um da starke Frauenfiguren zu entdecken, zum Beispiel Antigone oder Medea. Das ist was, was ich gedacht habe, wen ich diese Liste gesehen habe.

Meyer: Die sind dann für Sie in der engsten Wahl, Antigone, Medea, solche starken Frauenfiguren aus der Antike?

Vanackere: Ja, schon, ja, schon. Und wahrscheinlich hat jede Lebensphase andere Helden beziehungsweise Heldinnen. Das ist ein Autor, der wahrscheinlich hier nicht so bekannt ist: Ich habe als Teenager viel Louis Couperus gelesen, ein niederländischer Autor Anfang des 20. Jahrhunderts - Eline Vere also ist eigentlich die Anna Karenina von Holland sozusagen. Das würde ich wahrscheinlich jetzt dann nicht mehr lesen. Na ja, also, das ändert sich auch noch ein bisschen mit seiner Lebensphase, würde ich sagen.

Das vollständige Interview mit Annemie Vanackere können Sie im Radiofeuilleton nachlesen und nachhören.



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