Dominik Fehrmann: "Die stille Saison eines Helden"

Sportbeobachter als glänzende Literaten

Ein Mann sitzt vor dem weißen Blatt an einer Schreibmaschine.
Ein Mann sitzt vor dem weißen Blatt an einer Schreibmaschine. © imago/Westend61
Thomas Jaedicke · 13.12.2017
Sportgeschichten, die tief ins Herz der amerikanischen Gesellschaft dringen: Dominik Fehrmann hat zehn herausragende Reportagen von US-Autoren unter dem Titel "Die stille Saison eines Helden" gesammelt. Sie erzählen von Kampf, Aufstieg und Abstieg. Unbedingt lesenswert.
Warum gibt es eigentlich bei uns niemanden, der so etwas schreibt? Liegt es daran, dass Deutschland Magazine wie "11 Freunde" oder "Sport Bild" hat, aber eben keine "Sports Illustrated" wie in den USA, die seit mehr als sechs Jahrzehnten immer wieder aufwendig recherchierte, literarisch ambitionierte Texte mit Bezug zum Sport und starker subjektiver Perspektive der Autoren druckt?
Geschichten, in denen es eben nicht um Statistiken, Klatsch oder irgendwelche Trends geht. Dem freien Autor und Übersetzer Dominik Fehrmann, der eine Auswahl von zehn Reportagen verschiedener Autoren, Glanzstücken des New Journalism, zusammengestellt hat, sei Dank, dass wir solche Sportgeschichten jetzt endlich auch auf Deutsch lesen können.
Alle zehn Autoren überzeugen voll, weil sie von Menschen und ihren Träumen schreiben; egal ob geplatzt oder erfüllt. Von Woody Allen über W.C. Heinz bis zu Gay Talese handelt es sich durch die Bank um glänzende Erzähler und scharfsinnige Beobachter. Hat der amerikanische Sport so viel mehr Interessantes zu bieten?

Von Kindesbeinen an mit einem Sport identifiziert

Ivy League Absolvent George Plimpton, der in seinem rührenden Text schildert, wie er versucht, seiner neunjährigen Tochter die Faszination des legendären Footballderbys zwischen Harvard und Yale näher zu bringen, bietet eine Erklärung für die große Bedeutung des Sports in der US-Gesellschaft an: Die Collegeteams, in allen großen amerikanischen Sportarten vertreten, sind so beliebt, dass sich fast jeder Amerikaner von Kindesbeinen an mit einem Sport und einer Mannschaft identifiziert.
Außerdem liefert Sport in einer klassischen Einwanderernation wie den USA, wo es von je her krasse soziale Unterschiede gab, schon immer starke Auf- und Absteigergeschichten. Gary Smith, vier Mal mit dem National Magazine Award, dem "Oscar" des US-Zeitschriftenjournalismus ausgezeichnet, ragt mit "Schatten eines Volkes" aus dieser Anthologie großartiger Texte noch einmal weit heraus: In seiner 1991 in Sports Illustrated erschienen Geschichte erzählt Smith über die basketballverrückten Crow. Ausgelaugt von Arbeitslosigkeit, Alkoholismus und Perspektivlosigkeit erkennen die jungen Männer des Stammes, die heutzutage nicht mehr kämpfen dürfen, in diesem Spiel eine körperliche Betätigung, mit der sie jenes Ansehen erwerben können, das ihnen einst Jagd und Kampf verschafft hatten.

Ein Hochtalentierter, der scheitert

Doch den großen Durchbruch, an ein College zu gehen, um dort mit Basketball das Elend hinter sich zu lassen, hat trotzdem kaum einer dieser hochtalentierten jungen Spieler geschafft, weil sie, wie Gary Smith schreibt, keinen Sinn "in diesen erbitterten Wettkämpfen um Abschlusszeugnisse und Geld und Fortkommen" sahen. Stellvertretend für diesen Teufelskreis des Scheiterns erzählt Smith das Schicksal von Jonathan Takes Enemy, der es vielleicht sogar bis in die NBA geschafft hätte, aber trotz seiner überragenden Fähigkeiten nicht über eine mittelmäßig College-Karriere hinauskam. "Das Spiel, das für die Schwarzen eine Schnellstraße ins amerikanische Establishment war, wurde für die Roten zur Sackgasse."

Dominik Fehrmann (Hrsg.): Die stille Saison eines Helden. Die besten amerikanischen Sportgeschichten
Steidl, Göttingen 2017
196 Seiten, 18 Euro

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