Dokumentarfilm

Lebendig und höchst politisch

Ein Pfarrer von hinten.
"Gott und Verstand haben auch nichts miteinander zu tun" lautet der Untertitel zum Film. © Salzgeber & Co. Medien GmbH
Von Patrick Wellinski · 09.04.2014
Zwei Atheisten begeben sich nach Lutherstadt Wittenberg in ein Priesterseminar. Sie wollen zeigen, wie junge Menschen zu Pfarrern werden und warum sie so sehr an Gott glauben. Ein gelungener Film, der seine Protagonisten ernst nimmt.
In der Lutherstadt Wittenberg werden Pfarrer ausgebildet. In ein solches Seminar schleichen sich die beiden deutschen Dokumentarfilmer Chris Wright und Stefan Kolbe. Sie begleiten in "Pfarrer" eine kleine Gruppe der Geistlichen-Azubis. Sie begeben sich in diesen Alltag voller Stimmübungen, Predigt-Seminare und Gebetskurse. So decken die beiden Filmemacher die recht komische Facette der Ausbildung auf. Doch das ist nicht ihr Anliegen. Wright und Kolbe sind da um Fragen zu stellen und zu irritieren.
Als ausgewiesene Atheisten testen sie so mit den Glauben der Pfarrer-Anwärter und legen so, Schicht für Schicht, Unsicherheiten und Zweifel auf. Das machen Sie nicht demaskatorisch oder mit dem Gestus eines investigativen Journalisten. Im Gegenteil: Sie sind ganz klar und reflektiert, verstecken sich nicht, sind nicht vorwurfsvoll und nicht zynisch. Sie nehmen das Milieu, in dem sie filmen, ernst.
Professionell mit kleinem Budget
Kolbe und Wright, beide Jahrgang 1972, beide Absolventen der HFF, beweisen damit wie agil und lebendig deutsches Dokumentarkino sein kann. Mit ihrem bislang schmalen Werk haben sie sich als wahre Profis der filmischen Alltagsbeobachtung gezeigt. Ihre intimen Filme arbeiten Bild und Ton - manchmal ist eine Rede zu persönlich, als dass auch noch das Bild dazu zu sehen sein sollte, manchmal sind Betrachtungen über die Menschen im Allgemeinen. Es sind genau solche Reflexionsmomente, die auch "Pfarrer" zum Vibrieren bringen.
In Kamera, Ton, Montage, Tonmontage ist "Pfarrer" auch ein sehr schönes Beispiel dafür, was das dokumentarische Kino durch die neuen Technologien erreichen kann - einen professionellen Standard, der ganz und gar nicht industriell ist. Wright (Ton und Montage) und Kolbe (Bild und Produktion) bilden das kleinstmögliche Team, das in so einem Zusammenhang möglich ist, und sie holen das Optimum heraus: einen auf vermittelte Weise höchst politischen Film, der seine Implikationen nicht mehr selbst formuliert, sondern seinen Protagonisten die Treue hält.

"Pfarrer", Deutschland 2014

Regie: Stefan Kolbe und Chris Wright

Laufzeit: 90 Minuten

Mehr zum Thema